Vorabdruck

Daniela Dahn: „Krieg verlernen – was für eine überlebenswichtige Aufgabe der Menschheit“

In ihrem neuen Buch „Der Schlaf der Vernunft“ kritisiert Daniela Dahn die Defizite kapitalistischer Demokratie und sagt: Der Rechtsruck kommt aus dem Inneren des Staates. Ein Vorabdruck.

Daniela Dahn
Daniela DahnPaulus Ponizak/Berliner Zeitung

Vernunft ist die einzige Gabe, über die jeder hinreichend zu verfügen glaubt. In der Gewissheit, sie lasse eigentlich bei allen anderen doch recht zu wünschen übrig. Vom Aussichtsturm des eigenen Egos ist das Vernunftgefälle um einen herum unübersehbar. Kein Alleinbesitz scheint so sicher wie der der Vernunft. Mit diesem Glauben lässt sich leben.

Der Philosoph Kant spricht mit „einiger Verlegenheit“ von der Absicht, Vernunft erklären zu wollen. Diese Verlegenheit mag sich aus einer anderen erklären, die Aufklärer, gerade auch linke, fast immer unterschätzen. Psychologen oder Dichter haben dieses Dilemma eher erfasst. So Lion Feuchtwanger in seinem Roman „Exil“: „Was für eine geringe Rolle im geistigen Gesamthaushalt eines Menschen spielt die Vernunft und was für eine ungeheure das blinde Gefühl.“ Eingedenk dessen soll hier der bescheidene Versuch unternommen werden, den Anteil der Vernunft in diesem Ungleichgewicht zu erhöhen. Gerade weil die allgegenwärtige Indoktrination weniger über den Verstand funktioniert als durch die Mobilisation von Gefühlen durch Bedrohungsängste, Feindbilder und Fehlinformationen …

Berliner Zeitung

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