Es ist erst wenige Tage her, dass sich der Historiker und erfahrene Kulturpolitiker Christoph Stölzl in eine aktuelle Debatte einmischte. In der Sendung „MDR-aktuell“ äußerte er sich kurz vor Silvester skeptisch zu den Plänen, nach einem neuen Namen für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Ausschau zu halten. Er halte nichts davon, sagte Stölzl mit leicht brüchiger Stimme, aber in klarer Diktion, ehrwürdige historische Bezeichnungen zu verändern. Schließlich sei auch in der Vergangenheit allein wegen des Namens niemand zum glühenden Preußenverehrer geworden.
Bei dem Thema war der 1944 in Westheim bei Augsburg geborene Christoph Stölzl in seinem Metier. Die geschichtliche Genese einer Institution mit den tagesaktuellen Erwartungen abzugleichen, gehörte in verschiedenen öffentlichen Ämtern immer wieder zu Stölzls Kernaufgaben, stets den Ausgleich suchend zwischen intellektueller Souveränität und politischer Leidenschaft. Christoph Stölzl war hinreichend mit verschiedenen, sich ergänzenden Temperamenten ausgestattet, und wenn es sein musste, war er auch bereit, sich bei der Durchsetzung seiner Überzeugungen Feinde zu machen.
Ideologie und Pragmatismus
Seine erste große Aufgabe, die Übernahme einer Gründungsdirektion eines Deutschen Historischen Museums, war ein durchaus heikles Unterfangen. Die Idee stammte von niemand anderem als dem Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), und so geriet Christoph Stölzl ganz zwangsläufig in den Verdacht, Erfüllungsgehilfe eines politisch-ideologisch motivierten Unterfangens zu sein, in dem die von Kohl ausgerufene geistig-moralische Wende gegen eine links-kulturelle Hegemonie jener Zeit vollzogen werden sollte. Trotz aller Vorbehalte und Widerstände spricht es sehr für die pragmatische Umsetzungsleistung Stölzls vom Jahre 1987 an, dass sich das Museum im Zeughaus Unter den Linden sowie später im angrenzenden Pei-Bau frei von derlei vorauseilenden Befürchtungen entwickeln konnte.
Christoph Stölzl war ein Intellektueller vom Schlage des Berliner Verlegers Wolf Jobst Siedler, seine konservative Grundhaltung lief nie Gefahr, in Dünkelhaftigkeit abzugleiten. Für die Präsentation eines bürgerlichen Habitus, den Stölzl schon aufgrund seiner äußeren Erscheinung zu verkörpern schien, gab es im West-Berlin der 1980er-Jahre ohnehin nur begrenzten Raum. So kam es einer überaus anspruchsvollen geistigen Anstrengung gleich, etwa das Preußische als kulturelles Erbe anzuerkennen und es nicht leichtfertigen Urteilen und Ressentiments preiszugeben. Unvoreingenommenheit war eine Basisqualifikation für Stölzl, er konnte sie gut gebrauchen, als er 1994 auch den Vorsitz des Vereins Museum Berlin-Karlshorst übernahm, das es sich nach der Wende von 1989 zur Aufgabe gemacht hatte, den Deutsch-Sowjetischen Krieg zwischen 1941 und 1945 sowie die Rolle der deutsch-russischen Beziehungen zu vergegenwärtigen. Seine beeindruckende Eloquenz verstellte nicht seine Begabung, auch zuhören zu können.
Nach einem Intermezzo als Feuilletonchef bei der Tageszeitung Die Welt wurde Christoph Stölzl im Jahr 2000 für die CDU zum Berliner Wissenschafts- und Kultursenator berufen, ein Amt, in dem man sich mühelos an ihn erinnert, obwohl er es kaum länger als ein Jahr innehatte.



