Der Paartherapeut

Hilfe, meine Frau will eine offene Beziehung!

Sie fragen, unser Mann für die Liebe antwortet. Diesmal: Wie geht man damit um, wenn ein Partner Bedürfnisse hat, die in der Beziehung nicht erfüllt werden?

Viele Paare, die früh zusammengekommen, gelangen irgendwann an einen Punkt, an dem die alten Bilder voneinander nicht mehr stimmen.
Viele Paare, die früh zusammengekommen, gelangen irgendwann an einen Punkt, an dem die alten Bilder voneinander nicht mehr stimmen.imago images

Steffen, 42: Meine Frau und ich sind seit zwanzig Jahren ein Paar, wir haben zwei Kinder. Seit einigen Monaten streiten wir ziemlich häufig, sie sagt, sie sei unglücklich in der Beziehung, fühle sich nicht ausreichend wertgeschätzt. Ich habe mich bemüht, das zu ändern, habe allerdings schnell wieder aufgegeben, weil es sich irgendwie gezwungen anfühlte und die Stimmung auch nicht sonderlich verbesserte. Nun hat meine Frau vorgeschlagen, die Beziehung zu öffnen, weil sie das Gefühl habe, sonst „emotional zu verkümmern“. Ich habe an sowas kein Interesse, will sie aber auch nicht verlieren. Oder ist das sowieso ihr erster Schritt in Richtung Trennung?

Lieber Steffen, zwanzig Jahre, das ist schon eine ordentliche Wegstrecke, die ihr zusammen zurückgelegt habt. Ihr seid mit Anfang 20 zusammengekommen. Das ist ein Alter, in dem sich die meisten Menschen noch eine Weile ausprobieren wollen. In diesem Alter zieht man fast direkt von seinen Eltern mit dem neuen Partner zusammen und ist in seiner Persönlichkeit noch nicht wirklich ausdifferenziert.

Am Anfang der Beziehung gibt es oft klare Rollen

Viele Paare in meiner Praxis, die so früh schon zusammengekommen und jetzt 40 oder 50 Jahre alt sind, kamen irgendwann an einen Punkt, an dem die alten Bilder voneinander nicht mehr stimmten. Oft hatten beide beim Zusammenziehen klare Rollen, zum Beispiel die des Beschützers und der zarten Frau oder die des etwas tapsigen Mannes und der zielstrebigen Partnerin. Diese holzschnittartigen Bilder bleiben oft lange bestehen, besonderes, wenn dann noch Kinder kommen und das Leben erst einmal organisiert und bezahlt werden möchte.

Irgendwann verlässt einer von beiden seine Rolle, weil sie eben nicht mehr so richtig passt. Oft geschieht das, wenn die Kinder in die zweite Hälfte der Pubertät kommen und es absehbar wird, dass das elterliche Nest bald nicht mehr gebraucht wird. Er oder sie möchte jetzt mehr in seiner oder ihrer Vollständigkeit gesehen werden. Irgendetwas beginnt sehr deutlich zu fehlen. Deine Frau beschreibt es als ihre Angst, emotional zu verkümmern. Sie spricht davon, sich wertgeschätzt fühlen zu wollen und schlägt vor, die Beziehung zu öffnen. Denkst du, dass sie innerlich schon weg ist? Oder ist ihr Vorschlag eher ein etwas hilfloser Versuch, dich wachzurütteln? Im ersten Fall wird es schwer für euch. Im zweiten Fall kannst du dich auf den Weg machen. Du hast ja schon versucht, ihr etwas von dem zu geben, das sie gerne von dir haben möchte. Hast du sie schon gefragt, was sie genau meint und braucht? Setze dich mit ihr zusammen und sprich so lange und oft mir ihr, bis du verstanden hat, was sie von dir braucht.

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