Eine winzige Alge könnte das massenhafte Fischsterben in der Oder ausgelöst haben. Das sagen Forscher. Sie heißt Prymnesium parvum und man kann sie nicht sehen, denn die einzelligen Mikroalgen sind nur etwa zehn Mikrometer (Tausendstel Millimeter) lang. Dennoch könnten sie Ursache dafür sein, dass bis Mitte dieser Woche mehr als 130 Tonnen toter Fische aus der Oder in Polen und Deutschland geborgen werden mussten, so die Schätzungen. Die weltweit auftretende Algenart ist dafür bekannt, Fischsterben auszulösen.
Es gebe eine massive Algenblüte mit 200 Mikrogramm pro Liter und mehr als 100.000 Zellen pro Milliliter Wasser, erklärte der Gewässerökologe Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Dabei kommt Prymnesium parvum – mitunter auch Goldalge genannt – eigentlich nur im Brackwasser vor und benötigt einen erhöhten Salzgehalt.
Normalerweise tritt die Mikroalge in salzhaltigem Brackwasser auf
Die besten Bedingungen hat die weltweit auftretende Mikroalge normalerweise an Flussmündungen, wo sich Süß- und Salzwasser vermischen, aber nicht mitten in einem Süßwasserfluss. „Allerdings konnten am offiziellen Messpegel des Landesamts für Umwelt in Frankfurt an der Oder seit rund zwei Wochen massiv erhöhte, unnatürliche Salzfrachten gemessen werden, die ihren Ursprung stromaufwärts haben müssen“, sagte der IGB-Wissenschaftler Jan Köhler.
Wie die polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza berichtet, habe ein Bergbaukonzern namens KGHM in Glogow Anfang August 2022 große Mengen an Salzwasser aus der Erzflotation und den Minen in die Oder abfließen lassen. Dies könnte zur Oderkatastrophe beigetragen haben. Erfahrungen aus Nordamerika – etwa Texas – zeigen bereits, dass das Auftreten der Mikroalge im Süßwasser offenbar durch saure und mineralisierte Einleitungen aus dem Bergbau oder ungeklärte Abwässer von Anwohnern begünstigt wird.
Toxine der Mikroalge zerstören die Zellen und inneren Organe der Fische
Die Mikroalge bildet Toxine, die Prymnesine genannt werden. Sie wirken für Fische tödlich, indem sie zunächst die Zellen der Kiemen und Flossen angreifen und deren Wasserregulierung stören. Später werde die inneren Organe geschädigt. Die Fische pendeln zwischen der Oberfläche, wo sie nach Luft schnappen, und dem Grund hin und her, wo sie schließlich sterben. Für Landwirbeltiere und Menschen seien die Algen dagegen ungefährlich, sagen die IGB-Forscher. Allerdings könnten sie schnell ganze Ökosysteme in Gewässern vernichten.
Noch ist allerdings unklar, ob die Alge wirklich Toxine produziert hat und Grund für das Fischsterben ist. Wenn ja, dann wäre aber auch das Teil eines umfassenderen Geschehens. „Der Klimawandel ist menschengemacht, wir werden Dürrephasen mit viel zu niedrigen Pegeln, geringen Sauerstoffwerten und viel zu hohen Wassertemperaturen immer häufiger erleben“, sagt Christian Wolter vom IGB. Bereits solche Phasen setzten Fische unter Stress, für viele gehe es ums Überleben. Hinzu kommt, dass bei Niedrigwasser die Konzentration schädlicher Substanzen steigt – ob es nun Chemieabfälle sind oder andere Stoffe.


