Gesundheit

Selbstdiagnose: Fünf Anzeichen, dass ich jeden Blödsinn glaube

Hypochonder-Kolumne: Für eine Diagnose reichen stets fünf Anzeichen, findet unser Autor heraus und fragt sich, warum das keinem Gesundheitsminister auffällt.

Mit einem Handbuch der fünf Anzeichen wäre die Diagnostik ein Kinderspiel. Das Medizinstudium würde sich schlagartig verkürzen.
Mit einem Handbuch der fünf Anzeichen wäre die Diagnostik ein Kinderspiel. Das Medizinstudium würde sich schlagartig verkürzen.Patrick Daxenbichler/imago

Es ist schon wieder passiert. Ich habe mir selbst eine Diagnose gestellt ­­– illusorische Korrelation. Und das kam so: Ich hatte etwas vergessen. Ich kann nicht mehr genau sagen, was es war. Das habe ich vergessen. Ich erinnerte mich allerdings spontan an weitere Gelegenheiten, bei denen ich mich nicht mehr an Dinge erinnerte. Es waren viele. Ich musste daher von einer Erkrankung ausgehen, konsultierte eine Suchmaschine und erhielt den Befund in Form einer Schlagzeile: „Fünf Anzeichen für Demenz.“

Mit Details belastete ich mich nicht, denn mir fiel in diesem Moment etwas ein: Wenige Tage zuvor wurde ich ebenfalls mit fünf Anzeichen konfrontiert. Meine Suchmaschine ist nämlich so nett, mir unaufgefordert Nachrichten auf mein Handy zu schicken, von denen sie annimmt, sie könnten mich interessieren; sie macht das quasi algorithmisch. Diesmal waren es fünf Anzeichen für eine empfindliche Haut.

Bei Punkt 1 stieg ich aus: Wie sollte ich feststellen, ob meine Hautbarriere geschwächt war? Schon das notorische Hungern hatte ich zu banal gefunden als eines von fünf Anzeichen für Magersucht. Ein andermal beging ich den Fehler, den Vorschlag „Fünf Anzeichen, dass du dich zu wenig bewegst“ anzuklicken, woraufhin mir der Algorithmus prompt „Fünf Anzeichen, warum Intervall-Fasten für dich schädlich ist“ zur Lektüre empfahl.

Er langweilte mich mit „Fünf Anzeichen, dass du Corona hattest“, zog mich dagegen mit „Fünf Anzeichen für eine Entzündung“ in seinen Bann. Bei „Fünf Anzeichen, dass du zu schnell alterst“ musste ich an eine Kollegin denken, die mir neulich sagte, ich würde wie ein klappriger Greis durchs Büro eiern.

So ging das eine ganze Weile: Ich hatte die Suchmaschine gerade Professor Brinkmann getauft, als mein halbgebildetes Weltbild ins Wanken geriet durch die Überschrift: „Fünf Anzeichen im Blut, die auf Krankheiten hindeuten.“ Und ich dachte, Medizin sei eine komplizierte Angelegenheit. Zumindest wirkte auf mich das Blutbild, das mir meine Hausärztin zuletzt aushändigte, wie die Checkliste vorm Start einer Marsmission. Da fallen mir übrigens die fünf Anzeichen für Magnesiummangel ein – egal.

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Paulus Ponizak/BLZ
Hypochonder-Glosse
Christian Schwager ist Redakteur für Gesundheit und schreibt alle zwei Wochen an dieser Stelle über seine eingebildeten Krankheiten.

Offensichtlich konnte man sich das Geld für zeitraubende Untersuchungen sparen. Wenn ich Professor Brinkmann richtig interpretierte, wäre ja mit einem Handbuch der fünf Anzeichen die Diagnostik ein Kinderspiel. Das Medizinstudium würde sich schlagartig verkürzen. Wäre ein Gesundheitsminister wirklich so bescheuert, diese Chance der Kostendämpfung zu vergeben?

Vielen Dank, Professor Brinkmann!

Ich habe vergessen, ob es fünf Anzeichen waren, die mich auf die richtige Fährte lenkten, jedenfalls stellte sich heraus, dass ich Opfer einer illusorischen Korrelation geworden war. Ich bildete mir einen Zusammenhang ein, der nicht existierte. Offensichtlich lag das an einer gewissen Salienz, weniger wichtigtuerisch als Auffälligkeit bezeichnet. Das hatte ich nicht von Professor Brinkmann, sondern Doktor Wikipedia. Demnach trat bei mir eine erwartungsbasierte Illusion auf. Möglicherweise auch eine asymmetrische Befunderfassung, da wollte ich mich nicht festlegen.

Vereinfacht ausgedrückt: Ich glaubte jeden Quatsch, wenn er mir nur häufig genug präsentiert wurde. Das erinnert mich an etwas: die fünf Anzeichen für Präsenzmangel. Ich erlebe zu wenig und denke zu viel. Hat mir eine Frauenzeitschrift erklärt. Doch davon vielleicht später mehr. Vorerst vielen Dank, Professor Brinkmann. Die fünf Anzeichen für Dummheit kann ich mir dann ja wohl sparen.