Pflege

Ricardo Lange: Ein Fernsehstudio ist kein Krankenhaus, aber wir müssen überall kämpfen

Immer wieder kritisieren seine Kollegen unseren Autor hinter vorgehaltener Hand. Sie sind eingeladen, es besser zu machen. Ein Kommentar.

Ricardo Lange war letztes Jahr im Juni bei Anne Will in der ARD, danach erntete er einen Shitstorm – von seinen eigenen Kollegen.
Ricardo Lange war letztes Jahr im Juni bei Anne Will in der ARD, danach erntete er einen Shitstorm – von seinen eigenen Kollegen.Jürgen Heinrich/imago

„Halt doch einfach die Klappe und mach’s besser, du Klugscheißer!“ Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, wie oft mir dieser Satz schon auf der Zunge gebrannt hat und ich ihn am liebsten dem einen oder anderen an den Kopf geknallt hätte, der meine Öffentlichkeitsarbeit immer wieder durch den Dreck zieht. „Eierkopf, Muskelprotz, dummer Ossi ...“ Dafür habe ich nur noch ein müdes Lächeln übrig.

Was mich auf die Palme bringt, sind diejenigen – und da sind die Kollegen aus der eigenen Berufsgruppe ganz vorne mit dabei –, die mir unterstellen, ich sei hinsichtlich meiner Fachexpertise dumm wie Bohnenstroh. Und das nur, weil ich mich ganz bewusst bemühe, die Dinge mit einfachen Worten auf den Punkt zu bringen und mich nicht in Hunderttausendsteln zu verlieren.

Fachsimpelei gehört vor Fachpublikum

Was die Leute nämlich zu vergessen scheinen: In einer Fernsehsendung hat man meist nur wenige Minuten Zeit, um die Missstände kurz und knackig auf den Punkt zu bringen. Und bei dem hochkomplexen Thema Gesundheitswesen müssen am Ende auch Menschen wie Opa Gustav und Tante Emma verstehen, worum es geht. Das ist eine meiner großen Stärken: die Menschen erreichen und mitreißen. Fachvorträge ergeben eben nur da Sinn, wo sie hingehören: vor Fachpublikum.

Tatsache ist, dass man es nie allen recht machen kann, schon gar nicht den eigenen Kollegen. Für manche ist und bleibt man der Nestbeschmutzer, der sich nur auf das Negative konzentriert. Manche fordern, ich solle nur über die positiven Seiten unseres Berufs sprechen, um potenzielle Mitarbeiter nicht zu vergraulen. Ich verstehe zwar den Grundgedanken dahinter, aber das Problem ist nicht derjenige, der auf die Missstände hinweist, sondern das Problem sind die Missstände selbst. Beim TÜV sagt der Prüfer ja auch nicht: „Tja, Ihr Wagen ist Schrott, aber nicht traurig sein, der Lack glänzt immerhin noch wie neu!“

Wirklich jeder ist von mir herzlich eingeladen, sich für ein besseres Gesundheitswesen zu engagieren – je mehr, desto besser –, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass solch ein unpopuläres Thema wie Pflege und die Probleme im Gesundheitswesen immer wieder in der Medienlandschaft zu platzieren eine mühsame Arbeit ist, die viel Engagement und Geld kostet.

Dafür muss man auch in Kauf nehmen, dass Urlaubstage und viele Stunden mit der Familie flöten gehen, dass man Hunderte von Kilometern durch die Republik fährt, um Fernsehbeiträge zu drehen, und dass am Ende oft genug keine Sekunde davon ausgestrahlt wird. Jeder Zeitungsartikel, jeder Beitrag in den sozialen Netzwerken und jedes Fernsehinterview, das der Leser und Zuschauer sieht, ist ja nur das fertige Endprodukt. Kaum jemand ahnt, welcher Weg, welcher Stress, welcher Aufwand dahintersteckt.

Anecken, ohne das Gebäude einzureißen: ein Drahtseilakt

In der Öffentlichkeit immer die richtigen Worte zu finden, besonders wenn einem das Mikro ins Gesicht gedrückt wird, genug anzuecken, ohne gleich das ganze Gebäude einzureißen, das ist ein Drahtseilakt, der nicht wenige Probleme mit sich bringt: Sperren in Kliniken, drohende Anwälte, Neiddebatten und Getuschel unter Kollegen und Bekannten – das ist es, das Glamour-Leben unter den Reichen und Schönen, von dem so viele glauben, dass ich es jetzt führe.

Die meisten werden sich jetzt natürlich fragen, warum ich mir das alles antue. Ganz einfach: Weil mir das Thema am Herzen liegt und weil ich eines grundsätzlich nicht bin: jemand, der die Flinte ins Korn wirft, wenn es mal schwierig wird. Die Öffentlichkeit kann sich also darauf einstellen, dass ich weiterhin meinen Mund aufmachen werde. Jeder soll und darf mit mir diskutieren und gerne mit sachlicher und konstruktiver Kritik meinen Blickwinkel erweitern – so wie ich es auch mache.

Natürlich hilft es, dass es auch die guten Aspekte gibt. Ich hatte die Möglichkeit, mein eigenes Buch zu schreiben, ich lerne immer wieder tolle und interessante Menschen kennen und habe mittlerweile eine große Community, für die ich sehr dankbar bin und mit der ich mich regelmäßig austausche. Es gibt immer mehr Kliniken, Vorstände und Chefärzte, die sich mit mir vernetzen, weil sie an meiner Meinung interessiert sind und verstanden haben, dass man nur gemeinsam etwas zum Positiven verändern kann. Sogar mein Idol aus Kindertagen, Ralf Möller, ruft mich regelmäßig an und nimmt sich hin und wieder Zeit für ein Treffen. Alles Privilegien, die ich mir nicht nur erarbeitet habe, sondern auch sehr zu schätzen weiß.

Jeder, der jetzt am Ende feststellt, dass er selbst keine Lust auf den ganzen Stress hat, den kann ich nur zu gut verstehen. Wer dann aber nur Kommentare abgibt, um mich oder meine Arbeit runterzumachen, darf in Zukunft wirklich gerne seine Klappe halten.