Berlin-Werden PCR-Tests bald nur noch für gewisse Bevölkerungsgruppen möglich sein? Darüber soll noch diese Woche entschieden werden. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sei eine Aktualisierung der Priorisierungsvorgaben in Vorbereitung. „Derzeit wird dazu die Testverordnung angepasst“, teilte ein Sprecher mit. Die Verordnung werde „zeitnah in den kommenden Tagen“ bekannt gegeben.
Das Land Berlin hatte am Montagabend in der Gesundheitsminister-Runde den Vorschlag eingebracht: Um einer Überlastung der Laborkapazitäten entgegenzuwirken, sollen PCR-Tests, die in der Pandemie als Goldstandard für die Diagnostik gelten, auf „symptomatische Personen und gegebenenfalls vulnerable Gruppen“ beschränkt werden, also unter anderem auf Hochbetagte, Menschen mit Grunderkrankungen, Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderung, hieß es in dem Beschlussentwurf. Auch für Beschäftigte der kritischen Infrastruktur wie in Pflege, Krankenhaus oder Eingliederungshilfe sollen PCR-Tests vorgesehen sein.
Bei Personen, die zwar einen positiven Schnelltest haben, aber keine Symptome aufweisen, soll auf einen PCR-Test im Labor als Bestätigung des Ergebnisses verzichtet werden. Selbst wenn die Corona-Warn-App auf Rot springt, also man jemandem begegnet ist, der nachweislich positiv auf Corona getestet wurde, soll künftig nur noch ein Schnelltest erfolgen. Das Gleiche gilt auch für das Freitesten aus der Quarantäne oder Isolierung. Ein unter Aufsicht durchgeführter Antigentest soll künftig ausreichen.
Berliner Gesundheitssenatorin: Abkehr von der PCR-Pflicht ist „Erleichterung für alle“
Am Dienstag beschäftigte sich auch der Berliner Senat mit dem Thema. In der anschließenden Pressekonferenz sprach Gesundheitssenatorin Ulrike Gote von einer „Erleichterung für alle“, wenn von der bisher strengen PCR-Pflicht abgewichen werde. Die Grünen-Politikerin verwies auf eine Untersuchung des Paul-Ehrlich-Instituts. Dieses hatte Mitte Dezember hierzulande gängige Schnelltests im Hinblick auf ihre Omikron-Tauglichkeit hin evaluiert. Demnach könnten die „allermeisten der in Deutschland angebotenen und positiv bewerteten Antigentests eine Omikron-Infektion nachweisen“.
Wie Senatorin Gote ausführte, könnte die Berliner Landesregierung schon jetzt eine Priorisierung von PCR-Tests vornehmen – das gäbe die gerade erst beschlossene Verordnung zu den verkürzten Quarantänezeiten her. Dennoch strebe Berlin eine bundeseinheitliche Regelung an. „Das brauchen wir auch, damit wir Rechtssicherheit bekommen“, sagte Gote. Unter anderem müsse geklärt werden, wie danach mit den Inzidenzwerten verfahren wird. Bisher werden diese ausschließlich aus positiven PCR-Tests errechnet.
Grundsätzlich ist eine Priorisierung bestimmter Personengruppen bei begrenzter Testkapazität in der Nationalen Teststrategie geregelt. Für die Freitestungen aus der Quarantäne hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits veranlasst, dass es für Gesundheitspersonal einen Vorrang bei der Laborauswertung gebe. Um PCR-Tests zu „sparen“, sind sie auch nur für Beschäftigte in Kliniken, Pflegeheimen und Einrichtungen für Behinderte beim Freitesten verpflichtend.
Auslastung der Testkapazität liegt bei 86 Prozent
Abstriche aus Mund und Nase sind in der Pandemie zu einem zentralen Werkzeug geworden und sorgen täglich für etwas Gewissheit. Wegen der Omikron-Infektionswelle stoßen Deutschlands Labore allerdings immer weiter an ihre PCR-Testkapazitäten – in vielen Regionen ist die Grenze erreicht oder längst überschritten. In der vergangenen Woche wurden nach Angaben der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) 1.955.439 PCR-Untersuchungen durchgeführt, das sei der höchste Wert seit Beginn der Pandemie und ein Anstieg um 40 Prozent gegenüber der Vorwoche, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Auch die Anzahl der positiv befundeten PCR-Tests erreichte mit 486.319 einen neuen Rekordwert (Vorwoche 327.911). Die Auslastung der Testkapazität der Labore lag laut ALM im bundesweiten Durchschnitt bei 86 Prozent (Vorwoche 64 Prozent). Die ALM führen mehr als 90 Prozent der Tests durch. Bei einer Testpositivrate von 25 Prozent – momentan liegt sie bei 24,9 Prozent – könnte demnach hierzulande maximal eine Inzidenz von etwa 750 gemessen werden.
Insgesamt sind in Deutschland rund 2,5 Millionen PCR-Tests wöchentlich möglich. Die Zahl setzt sich aus den aufgerundeten Daten der ALM und weiterer genutzter Testkapazitäten zusammen. Die Labore konnten ihre PCR-Testkapazität steigern und geben für die laufende Kalenderwoche „mehr als 2,5 Millionen Tests“ an, das seien elf Prozent gegenüber der Vorwoche, wie es in der Mitteilung weiter heißt.
„Erhöhung der Kapazitäten benötigt einen mehrwöchigen Vorlauf“
„Die Labore haben die bundesweiten Testkapazitäten allein in der letzten Woche um 250.000 steigern können, das sind elf Prozent gegenüber der Vorwoche, was einen erheblichen Kraftakt darstellt“, sagte Evangelos Kotsopoulos, Vorstandsmitglied der ALM. „Wir sind bemüht, diese Anstrengungen fortzusetzen, doch die Kapazitäten sind und bleiben endlich.“ Der Arbeitsmarkt für dringend benötigte Fachkräfte sei quasi leergefegt, ähnlich wie beim Pflegepersonal in Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen. „Die Anschaffung zusätzlicher Geräte zur Erhöhung der Kapazitäten kommt nur bedingt in Frage und benötigt häufig einen mehrwöchigen Vorlauf. Zur Bedienung und tatsächlichen Nutzung der Kapazität braucht es jedoch vor allem unsere hochqualifizierten Fachkräfte – und auch vor diesen macht die Omikron-Welle nicht halt“, so Kotsopoulos weiter.
Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen, sagte, dass es lokal schon erhebliche Probleme gebe, da die Labore nicht flächendeckend gleich verteilt seien. Auch die Nachverfolgung werde aktuell nicht mehr umfassend durchgeführt, da die Inzidenzzahlen dies oftmals nicht mehr zulassen.
„Für Isolations- und Quarantäneentscheidungen und -dauern ist es problematisch, wenn PCR-Bestätigungsergebnisse sehr spät kommen. Derzeit kommt es lokal schon zu Wartezeiten von mehreren Tagen, die für die Betroffenen natürlich belastend sind“, sagte er. Vielerorts seien die Kapazitätsgrenzen der Labore bereits überschritten, was bedeute, dass die angestrebte Dauer von 24 Stunden vom Abstrich bis zum Testergebnis oft nicht mehr eingehalten werden könne, bestätigte auch der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Laborärzte, Andreas Bobrowski, der Deutschen Presse-Agentur. Bei der Wartezeit sehe er „ganz klar die 36 bis 48 Stunden auf uns zukommen“ – die Infektions- und damit Testzahlen dürften schließlich vorerst weiter steigen.
Zeeb würde trotz der etwas geringeren Aussagekraft zwei Antigentests an aufeinanderfolgenden Tagen zum Beenden der Isolation oder Quarantäne befürworten, „so wie es auch in Großbritannien gemacht wird“, sagte er. „Auf längere Sicht – insbesondere, wenn wir in eine endemische Lage mit vergleichsweise geringen Häufigkeiten schwerer Erkrankungen kommen – wird sicher seltener getestet werden, insbesondere anlassloses Testen wird dann vermutlich nicht mehr erfolgen.“






