Kommentar

Impfnebenwirkungen: Peinliches Gegeifere um den Brief der Krankenkasse

Als ob wir nicht schon genug Krieg hätten, stürzen sich allerhand Akteure in den Krieg um die Deutungshoheit zur Impfung. Wie wäre es mal mit echtem Wissen?

Wie viele unerwünschte Impfnebenwirkungen gibt es denn nun?
Wie viele unerwünschte Impfnebenwirkungen gibt es denn nun?Imago

Damit muss jetzt endlich mal Schluss sein. Dieses ständige Gegeifere, sobald jemand etwas gegen die Corona-Impfung vorzutragen hat. Manche scheinen geradezu darauf zu warten, dass jemand vermeintlich Böses gegen den Heilsbringer Impfung in den Ring wirft, um sich mit aller Macht darauf zu stürzen.

So wie jetzt auf die BKK ProVita, die vergangenen Montag einen Brief ans Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und weitere Verantwortliche geschrieben hat, weil ihnen die eigenen Zahlen zu Impfnebenwirkungen komisch vorkamen. Die Betriebskrankenkasse mit Sitz in Bayern hat die codierten Abrechnungen zu Impfnebenwirkungen von allen Betriebskrankenkassen deutschlandweit hochrechnen lassen auf insgesamt alle Versicherten. Demnach hätten 2021 etwa drei Millionen Deutsche unter unerwünschten Impfnebenwirkungen gelitten, die ärztlich behandelt wurden. Und nicht „nur“ rund 250.000, wie sie vom PEI erfasst wurden.

Impffolgen: Paul-Ehrlich-Institut will Zahlen der BKK analysieren

Von Christian Schwager, Miray Caliskan

25.02.2022

Was genau nun dahintersteckt, wie leicht oder schwer diese Nebenwirkungen waren oder ob Ärzte in großer Zahl etwa beruhigende Gespräche mit über-verängstigten Patienten unter diesen Codes abgerechnet haben, das gilt es nun herauszufinden. Dazu trifft sich jetzt das PEI mit dem Verfasser des Brandbriefes und will eine eigene Studie dazu auflegen. Das ist auch sehr wünschenswert.

Doch wie schon am Tag nach der Veröffentlichung der BKK-Analyse sich in den sozialen Medien und anderen Sphären über das bloße Aufkommen des Themas ereifert wurde, ist einfach affig: Sofort wurde versucht, die BKK ProVita zu diffamieren, sie sei ja nur eine „winzige“ Krankenkasse. Wohlgemerkt: Die Daten stützen sich auf elf Millionen Versicherte aller Betriebskrankenkassen. Das ist nicht gerade nichts. Der Vorsitzende des ärztlichen Virchowbundes, Dirk Heinrich, verstieg sich gar zu der Diagnose, es handele sich um „peinliches Unwissen oder hinterlistige Täuschungsabsicht“ der „Schwurbel-BKK“.

Peinlich sind ehrlich gesagt solche überzogenen Reaktionen. In einem Land mit einem derartigen Datenleck an zuverlässigen Studien und Zahlen in nahezu allen Bereichen der öffentlichen Medizin stünde es den Akteuren allemal besser zu Gesicht, zur Aufklärung beizutragen, anstatt sie verhindern zu wollen. Und sei es nur für eine Minderheit an Fällen von schweren Impfnebenwirkungen – von der sich vielleicht erst noch herausstellen wird, wie groß sie tatsächlich ist.

Wir haben nun wirklich genug Krieg im Äußeren, wir müssen ihn nicht noch im Inneren sinnlos weiterführen: Die Impfung mag vielen Leuten helfen und einigen Leuten schaden. Das anzuerkennen, darf niemandem einen Zacken aus der Krone brechen. Und nebenbei verbietet diese Erkenntnis jegliche Art von Impfpflicht.