Rund 7500 Corona-Teststellen gibt es noch in Deutschland. Zu Spitzenzeiten der Pandemie waren es mehr als 15.000. Das Angebot nimmt weiter ab. An der Nachfrage liege das nicht, sagen Betreiber, im Gegenteil: Sie steige regional sogar an, weil in der Adventszeit mehr Menschen Angehörige in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Einrichtungen der Lebenshilfe besuchten und dafür ein negatives Testzertifikat benötigten. Weil außerdem Erkrankungen der Atemwege Konjunktur haben und manch einer sichergehen will, dass sein Infekt nicht von Sars-Cov-2 herrührt. Tatsächlich werden wieder mehr positive Proben registriert.
Von dieser paradoxen Situation hat Christoph Caesar jetzt berichtet: von sinkendem Angebot und steigender Nachfrage. Und von einer ungewissen Zukunft, der die noch junge Branche entgegensieht. Caesar ist Vorsitzender des Bundesverbands für Teststellen und Infektionsschutz (BVTI), der sich gerade erst gegründet und schon rund 250 Mitglieder hat. Es werden stetig mehr. „Wir erleben einen großen Zulauf, sodass wir Ehrenamtliche vorhalten müssen, damit wir mit der Bearbeitung der Mitgliedsanträge hinterherkommen“, sagt Caesar.
Zu den Mitgliedern zählen kleine und mittlere Betriebe, aber auch größere Firmen mit bis zu 60 Filialen. Sie alle beklagen, dass sie nur schleppend für ihre Leistung bezahlt werden. Verantwortlich dafür, sagen sie, seien die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Die würden vielfach Überweisungen zurückhalten, sagt auch Caesar, mit existenziellen Folgen. „Schon im Sommer mussten Teststellenbetreiber aufgeben“, berichtet er und beklagt, dass zwei Monate lang kein einziges Testzentrum der Republik entlohnt worden sei. „In Bremen zum Beispiel hatte ein Betreiber 14 Teststellen. Davon sind drei übrig geblieben, weil er seit Mai kein Geld bekommen hat.“
Bezahlt werden die Betriebe nach einem festen Schema: Sie melden den Gesundheitsämtern die täglich genommenen Proben. Die KV gleichen die Daten ab. „Das ist die erste Plausibilitätsprüfung“, sagt Caesar. Es wird untersucht, ob die Angaben stimmen. Ist das der Fall, fließt Geld. Außerdem können die KV Stichproben nehmen. Solange sie nicht abgeschlossen sind, werden die Zahlungen ausgesetzt. Davon berichten dem BVTI momentan viele seiner Mitglieder.
Verband: „Schwarze Schafe ausfindig machen, weil sie der Branche schaden“
Die Kassenärztlichen Vereinigungen wollen Missbrauch auf die Spur kommen. Denn in dem Bemühen, möglichst schnell ein flächendeckendes Netz von Testzentren zu knüpfen, setzte die Politik zu Beginn der Pandemie die Hürden für Bewerber niedrig an, was auch Betrüger auf den Plan rief. Inzwischen sind bundesweit etliche Verfahren anhängig. In Berlin etwa begann im August ein Prozess gegen den Besitzer eines Spätkaufs und seine Schwester. Gemeinsam sollen sie zwölf Millionen Euro ergaunert haben. Ihr Anwalt sah gleichwohl „ein ganz erhebliches Versagen“ beim Staat.
„Wir wollen auch die schwarzen Schafe ausfindig machen, weil sie unserer Branche schaden“, sagt Caesar mit Nachdruck. „Doch deshalb darf man die ordentlichen Unternehmer nicht bestrafen.“ Seine Forderung an die Politik lautet: „Wir wünschen uns klare Regeln für die Abrechnungsprüfung.“
Es hätte schließlich auch besser laufen können, hätte es bessere Instrumente gegeben, dem Missbrauch vorzubeugen, von Anfang an, sagt der BVTI-Vorsitzende. Mit größerem zeitlichen Vorlauf allerdings. „Man hätte zum Beispiel die Gesundheitskarte als Mittel zur Validierung nutzen können.“ Da es dazu nun zu spät sei, schlägt Caesar vor: „Eine Plausibilitätsprüfung für einen Monat sollte nach drei Monaten abgeschlossen sein. Oder Zahlungen sollten wenigstens teilweise erfolgen, sodass man zumindest erst einmal 50 Prozent bekommt.“
Selbst wenn sich dieses Verfahren umsetzen lässt, bleibt die Zukunft des Geschäftszweigs ungewiss. Das liegt am Virus selbst, dem er auf die Schliche zu kommen versucht. Experten gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie in absehbarer Zeit zur Endemie wird und irgendwann wie die Grippe phasenweise auftritt. Auch formal zeichnet sich ein Ende ab. Die aktuelle Verordnung garantiert lediglich bis zum 28. Februar, dass Teststationen sogenannte Bürgertests vornehmen können.
Caesar sieht die Entwicklung in seiner Funktion als BVTI-Chef kritisch: „Wir dürfen die Teststellen nicht einfach am 1. März abbauen. Es muss entweder dafür gesorgt werden, dass der Betrieb pausieren kann, dass Teststellen vorgehalten werden oder dass man den Betrieb weiterlaufen lässt und die Bürgertests mit einer Eigenbeteiligung angeboten werden.“ Wenn die Infrastruktur erst einmal nicht mehr bestehe, lasse sie sich nicht so schnell wieder aufbauen, sollte sie wieder gebraucht werden.
Noch wird sie gebraucht, für die Bürgertests zumal. Unverständlich findet es Caesar, warum Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den freiwilligen Drei-Euro-Test nur kurze Zeit nach dessen Einführung wieder abgeschafft hat. „Alle unsere Mitglieder sagen, dass dieses Angebot gut angenommen wurde. Die Leute haben sich freiwillig gegen eine kleine Gebühr testen lassen.“ Wenn sie ins Theater wollten, ins Konzert, ins Fußballstadion. „Es ist ein probates Mittel, einen erweiterten Personenkreis zu testen, der nicht unter die kostenlosen Bürgertests fällt.“ Stattdessen lassen immer weniger freiwillig eine Corona-Probe nehmen, sagt Caesar. Für ihn sieht die Lösung so aus: „Wir brauchen einen Mittelweg zwischen kostenlosem und voll bezahltem Test.“
Karl Lauterbach reagiert nicht auf Briefe des Teststellen-Verbands
Das alles würde der BVTI gern dem Bundesgesundheitsminister oder seinen führenden Beamten persönlich erklären. Doch offene Briefe blieben bislang unbeantwortet. „Die Kassenärztlichen Vereinigungen“, sagt Caesar, „sind telefonisch nicht erreichbar. Teilweise bekommt man auf E-Mails überhaupt keine Antwort.“




