Waldbrand in Brandenburg

Waldbrand-Experte: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch in Berlin brennt“

Wieder gab es einen verheerenden Waldbrand in Brandenburg. Der Experte Johann Goldammer kritisiert Innenminister Stübgen und sieht Berlin in Gefahr.

Verbrannte Baumstümpfe qualmen in einem Waldgebiet während eines Waldbrandes.
Verbrannte Baumstümpfe qualmen in einem Waldgebiet während eines Waldbrandes.dpa/Jan Woitas

Johann Georg Goldammer, 72, ist einer der erfahrensten Waldbrandexperten der Welt. Der Feuerökologe und Forstwissenschaftler arbeitet für die Max-Planck-Gesellschaft für Chemie und die Vereinten Nationen. Und er leitet das Global Fire Monitoring Center, eine Art globale Waldbrandzentrale. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich auch mit den Bränden in Brandenburg.

Noch ehe das Interview mit der Berliner Zeitung so richtig begonnen hat, erzählt Goldammer schon, dass er erst kürzlich, in der Nähe seiner Heimat Freiburg, einen Brand gelegt habe. Unter ganz ähnlichen Bedingungen, wie sie auch in Brandenburg herrschen würden. Zur gleichen Zeit hielt dort ein heftiger Waldbrand die Stadt Falkenberg und die umliegenden Dörfer in Atem.

Herr Goldammer, Sie haben einen Brand gelegt?

Das machen wir oft. Diesmal haben wir Führungskräfte der Feuerwehr darin geschult, wie man eine Großfeuerlage mit Gegenfeuern bekämpft.

Mit Feuer Feuer löschen, wie funktioniert das genau?

Das Hauptfeuer eines Brandes wird in der Regel vom Wind getrieben. Das konnten wir jetzt auch wieder in Brandenburg sehen. Ein solches Feuer kann gestoppt werden, wenn man rechtzeitig entlang einer Straße oder einem anderen Feuerschutzstreifen ein weitere Feuer gegen den Wind legt und dem Hauptfeuer entgegenschickt. Dieses Gegenfeuer breitet sich langsam aus. Wenn sich beide aufeinander zu bewegen, entsteht ein Sogeffekt, sodass sie sich vereinigen und dann bricht das Feuer zusammen.

Hätte man mit diesen Gegenfeuern auch in Brandenburg arbeiten können?

Natürlich, das gehört zum Portfolio eines erfahrenen Feuerbekämpfers. In den letzten Tagen haben wir ja gesehen, dass sich die Feuer gerade auf abgeernteten Stoppelfeldern schnell ausbreiten, extrem heiß werden und sehr gefährlich werden können. Die Feuer laufen in die Ortschaften hinein, in die Gärten oder eben wie jetzt in eine Schweineaufzuchtanlage. In Regionen, wo es wenig Wasser gibt, wäre das eine sehr effiziente Möglichkeit, Feuer zu bekämpfen.

Wir haben das Zeitalter des Feuers betreten.

Johann Georg Goldammer

Warum hat man es nicht gemacht?

Es gibt da in Deutschland gewisse Berührungsängste. Die Feuerwehren sind zwar zuständig für Landschaftsbrände. Aber solche Feuer, die wir eher aus Südeuropa kennen, hatten wir in dem Ausmaß bisher nicht. Man hat sich diesem Thema nicht gewidmet. Das kennen wir auch aus anderen Bereichen des Katastrophenschutzes.

Was meinen Sie damit?

Die Wissenschaft hat schon lange davor gewarnt, dass sich mit der Klimakrise auch die Katastrophenlagen ändern. Man hat nicht drauf reagiert. Aber mit dem Dürrejahr 2018 haben wir eine neue Ära betreten.

Gewissermaßen ein Pyrozän, ein Zeitalter des Feuers?

Ja genau. Ich teile das in zwei Phasen ein. In der ersten, dem Beginn der Industrialisierung, haben wir angefangen, fossile Energieträger zu verbrennen. Und jetzt schlägt das System zurück, Phase zwei hat begonnen. In Europa brennt Vegetation, von der man immer geglaubt hat, sie sei nicht brennbar.

Johann Georg Goldammer, 72, ist einer der erfahrensten Waldbrand-Experten der Welt.
Johann Georg Goldammer, 72, ist einer der erfahrensten Waldbrand-Experten der Welt.Philipp von Dittfurth

Dass der Minister auf Hubschrauber setzt, ist hochgradig gefährlich.

Johann Georg Goldammer

Lassen Sie uns zurück nach Brandenburg schauen. Ein Problem der Feuerbekämpfung in Brandenburg sind die munitionsbelasteten, ehemaligen Truppenübungsplätze. Sie haben dort kürzlich den Einsatz von Löschpanzern gefordert. Der Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen (CDU), hat darauf reagiert und gesagt, Löschpanzer hätten sich nicht bewährt, sie könnten sich im engen Wald nicht bewegen. Man setze daher auf Feuerbekämpfung aus der Luft.

Das, was der Minister da gesagt hat, ist völlig aus der Luft gegriffen. Erst mal: Ich weiß nicht, wie man behaupten kann, ein Panzer könne sich im Wald nicht bewegen. Dafür sind Panzer gemacht. Dass der Minister stattdessen auf Feuerbekämpfung durch Hubschrauber setzt, ist hochgradig gefährlich.

Warum?

Wenn es auf einem munitionsbelasteten Gebiet brennt, gilt ein Sicherheitsabstand von 1000 Metern. Das sehen die Vorschriften so vor. Darüber macht es aber keinen Sinn, Wasser abzuwerfen, da kommt auf dem Feuer nichts an. Also müssen die Vorschriften verletzt worden sein. Der Minister hat es ja selbst gesagt. Für die Piloten ist das extrem riskant. Dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen. Die Löschpanzer stehen ja zur Verfügung. Seit heute werden sie im sächsischen Torgau eingesetzt.

Unsere freiwilligen Feuerwehren sind schlichtweg überfordert.

Johann Georg Goldammer

Beim Brand in Falkenberg, sprachen die Einsatzkräfte davon, sie hätten so etwas noch nie erlebt. Sind wir überhaupt vorbereitet auf solcherlei Brände?

Wir sehen, da wird ein Brand bestimmt durch die Wetterlage. Die Trockenheit ist schon da, die Hitze auch. Was sich ändert ist der Wind, der sich von einer Minute auf die andere sich um 90, 180 Grad drehen kann. All das erfordert unglaubliche Spezialisierung und Erfahrung. Nicht umsonst sind in Kalifornien, Russland, Spanien Spezialeinheiten im Einsatz. Da sind unsere freiwilligen Feuerwehren, die die Last des Brandschutzes auf dem Land tragen, schlichtweg überfordert.

Haben wir in einer so trockenen Region wie Brandenburg überhaupt genügend Wasservorkommen, um effektiv Brände zu bekämpfen?

Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Wie in den letzten Jahren haben wir auch diese Woche wieder gesehen, dass das Gelände neben den Straßen mit Löschfahrzeugen und Polizei-Wasserwerfern nass gemacht wurde. Da muss ich einfach sagen: Das ist kein professionelles Feuermanagement. Und es ist nicht der richtige Weg, mit der kostbaren Ressource umzugehen.

Was bräuchte es stattdessen?

Wir brauchen kleinere, wendigere Einheiten. Einzelne Feuerwehrleute mit Löschrucksäcken auf dem Rücken, die in unwegsames Gelände vordringen können. Die wären wesentlich effektiver.

Brandenburg ist für Waldbrände nicht gerüstet

Können denn einzelne Einheiten wirklich etwas ausrichten?

Schauen Sie nach Kalifornien. Da gibt es die beste personelle und materielle Feuerbekämpfung weltweit. Selbst die können nicht jedes Feuer beherrschen. Solche Einheiten kann man nicht einer meterhohen Feuerwand entgegenstellen, das ist klar. Aber man kann sie bei leichten Bodenfeuern einsetzen. Denn aus denen kann sich innerhalb von Minuten ein sehr gefährliches Feuer entwickeln. Dafür braucht es aber sehr viel Erfahrung und eine sehr systematische Ausbildung.

Auf einer Skala von eins bis zehn, wie waldbrandresilient ist Brandenburg?

Ich würde sagen, Brandenburg ist überhaupt nicht waldbrandresilient. Wir sehen überall nur Probleme.

Das klingt beängstigend.

Es ist eine Bestandsaufnahme. Wir müssen dringend zusammen an einen runden Tisch, mit allen Akteuren. Mit den Landwirten, den Forstwirten. Wir müssen die Dörfer ausrüsten, damit sie sich gegen das Feuer verteidigen können.

Wie man sich gegen Brände verteidigen kann

Was könnten denn Dorf-Bewohner tun?

Der Einzelne könnte schauen, dass in seinem Garten nichts Trockenes herumliegt, dass kein Kaminholz an der Hauswand steht. Landwirte könnten ihre Traktoren ausrüsten mit Hochdrucklöscheinrichtungen. Wir haben Richtlinien entwickelt, die auf die Gegebenheiten ländlicher Siedlungen in Süd- und Osteuropa und Zentralasien zugeschnitten sind. Diese kann man auf die hiesigen Verhältnisse anpassen. Auch über Bunker müsste man nachdenken, wo man sich vor Rauchgasvergiftungen schützen kann.

Viele Berliner fragen sich in diesen Tagen, ob so was auch mal hier zum Beispiel im Grunewald passieren kann.

Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir solche Stadtwaldbrände in den deutschen Großstädten sehen. Vor allem auch in den begehrten, schönen Lagen, wo es viele Gärten gibt. In London war das ja erst vor zwei Wochen der Fall. Dort haben Grünflächen gebrannt und mehrere Häuser wurden zerstört. Das müssen wir in Zukunft einkalkulieren.