Gesundheit

Impfung gegen RSV im Mutterleib: Erstes Präparat erfolgreich getestet

Eine Studie unter Beteiligung der Berliner Charité belegt hohe Wirksamkeit bei Säuglingen gegen schwere Krankheitsverläufe. Das Vakzin könnte das Rennen machen.

Eine Frau erhält eine Injektion in den Oberarm.
Eine Frau erhält eine Injektion in den Oberarm.Daniel Bockwoldt/dpa

Gute Nachrichten für werdende Mütter. Die Wissenschaft ist erfolgreich einem Impfstoff gegen RSV auf der Spur. Das Respiratorische Synzytial-Virus kann die Atemwege befallen und bei Neugeborenen zu Komplikationen führen. Der neue Impfstoff wird während der Schwangerschaft verabreicht und zeigte in einer groß angelegten Studie eine hohe Wirksamkeit. 

Bis zu 81 Prozent der Kinder geimpfter Mütter waren in ihren ersten sechs Lebensmonaten zuverlässig vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt. Dieses Zwischenergebnis veröffentlichten die Wissenschaftler jetzt im Fachjournal The New England Journal of Medicine. An der Studie beteiligt waren die Berliner Charité und die London School of Hygiene and Tropical Medicine. Der Wirkstoff ist damit der erste aussichtsreiche Kandidat für eine Impfung gegen RSV.

Allein in Deutschland stecken sich rund 50 bis 70 Prozent der Kinder während ihres ersten Lebensjahres mit RSV an. Bis zum zweiten Geburtstag hat fast jedes Kind die Infektion durchgemacht. Meist leiden die Betroffenen an einem leichten Schnupfen,  doch im weiteren Verlauf werden auch die unteren Atemwege und die Lunge befallen. Es kommt zu akuter Atemnot, die lebensbedrohlich werden kann und intensivmedizinisch behandelt werden muss.

Weltweit starben im Jahr 2019 etwa 100.000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen einer RSV-Infektion – rund 97 Prozent davon in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. In Berlin führte das Virus zu Beginn des Winters zu einer extremen Belastung der Kinderstationen. „Eine RSV-Erkrankung kann bislang nur symptomatisch behandelt werden“, sagt Beate Kampmann, Leiterin des Instituts für Internationale Gesundheit der Charité. „Bei schweren Verläufen ist eine Sauerstoffgabe überlebenswichtig, was in ärmeren Ländern häufig nicht rechtzeitig oder in ausreichendem Maße realisiert werden kann.“ Dringend werde daher eine Impfung benötigt, die Säuglinge schütze.

Konkurrenzstudie aus Sicherheitsgründen unterbrochen

Roland Elling, Pädiatrischer Infektiologe der Uniklinik Freiburg, verweist auf einen weiteren Impfstoff, dessen Entwicklung allerdings ins Stocken geraten ist. Die Studie der Firma Glaxo Smith Kline wurde im Februar 2022 unterbrochen, „weil sich im Vergleich von Impfstoff- und Placebogruppe Hinweise auf ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko durch die Impfung ergeben hatten“, sagt der Mediziner. „Insofern ist es wichtig, das Sicherheitsprofil weiterhin kritisch zu betrachten.“ In der am Freitag publizierten Studie gab es kein statistisch signifikantes Signal für ein erhöhtes Frühgeburtsrisiko. „Die abschließende Sicherheitsbewertung der Studie steht aber noch aus.“

Im Rahmen der Studie unter Beteiligung der Charité erhielten 3682 Mütter den Impfstoff des Unternehmens Pfizer und 3676 ein Placebo; 3570 beziehungsweise 3558 Säuglinge wurden untersucht. 90 Tage nach der Entbindung zeigte das Präparat eine Wirksamkeit von 81,8 Prozent, nach 180 Tagen von 69,4 Prozent. Damit galt die Wirksamkeit in dieser Phase-III-Studie als bestätigt. 

Die Teilnehmerinnen der Studie kamen knapp zur Hälfte aus den USA, zu 30 Prozent aus Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. In Gambia konnten Kampmann und ihr Team rund 200 Probandinnen gewinnen. Die Berliner Professorin engagiert sich seit mehr als zehn Jahren in Gambia und startete unter anderem ein Impfprogramm gegen Keuchhusten während der Schwangerschaft.

Die Erprobung des Impfstoffs wird weitere Stationen durchlaufen. Bernhard Resch, Professor an der Universität Graz, rechnet damit, dass sich an der grundsätzlichen Datenlage nichts ändern wird. „Es wird sich wahrscheinlich nicht mehr viel ändern und Pfizer könnte das Rennen gewonnen haben. Unklar ist jedoch, wie diese Impfung in der Schwangerschaft aufgenommen werden wird.“ Resch sagt zur Sicherheit des Präparats: „Das Risikoprofil scheint nicht abschreckend zu sein, aber es sind sicher noch viele Detailfragen offen.“

Intensivstationen für Kinder um 350 Prozent stärker ausgelastet

Unklar ist für Wissenschaftler, ob der Impfstoff hierzulande stark nachgefragt wird. Für Resch ist die Kernfrage, „ob sich Schwangere impfen lassen werden, wenn es sich bei RSV zwar in jungen Monaten und Wochen um eine schwere Lungenerkrankung handelt, aber in der westlichen Welt so gut wie keine Todesfälle zu beobachten sind“. Allerdings erweist sich RSV auch in Deutschland als gefährlich. Im zurückliegenden Winter stieg nach Angaben des Robert-Koch-Instituts die Belastung der Intensivstationen durch Säuglinge und Kleinkinder um bis zu 350 Prozent.