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Weinlobbyist in Schöneberg: Ein Lobbyist für Gastfreundschaft und gute Laune

Das Leben ist viel zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Das wusste schon Goethe. Doch wo soll man hingehen? Na, in den Weinlobbyisten!

Auch die Desserts sind nicht zu verachten: Wie hier das Kürbiskern-Parfait mit flüssigem Karamell.
Auch die Desserts sind nicht zu verachten: Wie hier das Kürbiskern-Parfait mit flüssigem Karamell.Maximillian Both

Waren Sie schon mal auf der Internetseite des Bundestages? Dort gibt es seit es neuestem ein Lobbyregister: 4100 Lobbyorganisationen und Einzelpersonen haben sich dort schon registriert. Die Lobby ist die Vorhalle des Parlaments. Wenn sich ein Abgeordneter aus seinem Sessel im Plenarsaal erhebt, um sich, nichts Böses ahnend, auf den Weg in die wohlverdiente Mittagspause zu machen, schlägt die Stunde des Lobbyisten: Hinter einer Säule kauernd, lauert er seinem arglosen Opfer auf. Unterm Arm trägt er dabei eine Aktentasche voller guter Vorschläge, die das Leben und Auskommen seines Auftraggebers nicht nur unmaßgeblich verbessern könnten.

Lobbyisten: Oft schlecht beleumundet, noch öfter missverstanden

Die Parmesansuppe: Kräftiger Geschmack, und zusammen mit einem Chardonnay richtig gut.
Die Parmesansuppe: Kräftiger Geschmack, und zusammen mit einem Chardonnay richtig gut.Maximilian Both

Zugegeben: Die Formen der Einflussnahme im parlamentarischen Alltag sind subtiler, als es hier stark vereinfacht dargestellt wurde, und außerdem ist nicht jeder Lobbyist von sinistren Motiven getrieben. Im Gegenteil: Oft genug lassen sich schließlich Einzelinteressen und der Volonté générale in Einklang bringen. Und wer würde bestreiten wollen, dass die Kreisbauernschaft Mettmann, der Snowboard Verband Deutschland oder die Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten sinnvolle Arbeit leisten? Der beste Lobbyist ist demnach der, der nicht nur das eigene Wohl im Auge hat, sondern auch das seiner Gäste. Gäste, ja richtig! Es geht schließlich um den Weinlobbyisten in Schöneberg. Obwohl es der Name nahelegt, dreht sich im Weinlobbyisten nicht nur alles um Wein, denn das Essen ist nicht bloßes Beiwerk. Aber der Reihe nach: Der Weinlobbyist wurde vom ambitionierten Berliner Sommelier Serhat Aktas gegründet. Und das mit Anfang 2020 zu einem für Gastronomen denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Aktas hat alle Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre mitgemacht und sich trotzdem mit seinem Restaurant in der Kolonnenstraße 62 behauptet. Aktas sieht sich als Lobbyist der Winzer, daher auch der Name der Gastwirtschaft. Tatsächlich ist Aktas nicht nur Lobbyist der Winzer, sondern auch der seiner Gäste, denn er lässt es sich nicht nehmen, sie regelmäßig selbst zu bewirten. Die Bistro-Küche des Weinlobbyisten schließt die Lücke zwischen Fine Dining-Angeboten und bodenständiger Küche.

Die Weinkarte ist 18 Seiten lang: Da findet man was

Wer einfach nur einen (tatsächlich komplett bis zum Teig) selbstgemachten Flammkuchen essen und dazu ein Glas Wein trinken will, kommt genauso auf seine Kosten wie die Freunde gehobener Küche, die sich zu ihrem Menü mit gelassener Selbstverständlichkeit ein Großes Gewächs bestellen. Die Weinauswahl im Weinlobbyisten ist groß (die Weinkarte umfasst 18 DIN-A4-Seiten), trägt aber gleichzeitig eine klare Handschrift: Neben ein paar Weinen aus Österreich werden im Weinlobbyisten ausschließlich deutsche Weine angeboten. Das hat auch seine Gründe: Aktas ist davon überzeugt, dass die deutschen Weißweine die besten sind. Außerdem ist es ihm wichtig, persönlichen Kontakt zu den Winzern, die ihn beliefern, zu halten. Und die Winzer wiederum pilgern gerne in ihre inoffizielle Hauptstadtrepräsentanz und stehen bei den regelmäßigen Winzerabenden, die Aktas für seine Gäste organisiert, Rede und Antwort.

Wer es etwas bodenständiger mag, kann auch den Flammkuchen probieren.
Wer es etwas bodenständiger mag, kann auch den Flammkuchen probieren.Maximilian Both

Optisch erinnert der Gastraum an eine rustikale und trotzdem moderne Weinstube, wie sie auch in einem Touristenort in Rheinland-Pfalz oder Baden-Württemberg stehen könnte. Die Kolonnenstraße ist auf der Höhe des Weinlobbyisten wahrlich keine Prachtstraße, dies lässt sich bei Sonnenschein im wirklich schönen und ruhigen Innenhof aber leicht vergessen. Berlin wirkt hier fast ein wenig dörflich. Die Speisen bewegen sich alle auf gutem bis sehr gutem Niveau und sind dafür sehr fair bepreist. Der geschmorte Schweinebauch zerfällt förmlich auf der Zunge. Die Parmesansuppe überrascht durch den kräftig-käsigen Geschmack, in der Suppe finden sich Stücke von getrockneter Tomate und Kapern – das ist sogar fast zu viel des Guten: Salz und Umami schaukeln sich im Mund gegenseitig hoch. Gut, dass der Sommelier gleich zur Stelle ist, um den rasch entstehenden Durst mit einem saftigen Chardonnay aus der Pfalz zu löschen. Immer wieder werden spezielle Menüs (auch vegetarisch) mit Weinbegleitung angeboten. Zu Ostern gibt es beispielsweise Lamm. Wenn Sie unsicher sind, was Sie heute trinken könnten: Gehen Sie einfach hin und lassen sich was empfehlen. Der Weinlobbyist weiß schon, was er tut.

Bewertung: 4 von 5 Punkten

Weinlobbyist, Kolonnenstraße 62, 10827 Berlin, Donnerstag bis Montag 17–23 Uhr, Dienstag und Mittwoch Ruhetag

Dieser Text ist in der Wochenendausgabe der Berliner Zeitung erschienen – jeden Sonnabend am Kiosk oder hier im Abo.