Tina testet

Restaurant Nauta: Japanisches Peru in Prenzlauer Berg

Je frischer der Fisch, je besser die Zutaten, desto besser der Ceviche. Aber das ist nicht alles. Zu Besuch in der aufregenden Nauta Nikkei Food & Pisco Bar.

Gegrillter Oktopus mit Birnen-Quitten-Püree
Gegrillter Oktopus mit Birnen-Quitten-PüreeViktoriia Vanina/Berliner Zeitung (3)

Bekanntlich gibt es Tage für alles. Den weltweiten „Iss-draussen-Tag“ Ende August habe ich leider verpasst. Dafür liegt der Welt-Minigolf-Tag (21. September) noch vor mir. Tatsächlich existiert auch ein Nationaler Tag des Cheeseburgers, allerdings nur in den USA.

Als ich kürzlich eine E-Mail einer Kommunikationsagentur bekam, in der sie mich netterweise auf den „Tag der Käsepizza“ hinwies, wunderte mich das kein bisschen. Ich glaubte es gern, auch wenn ich bis dato den Begriff „Käsepizza“ selten gelesen und von einem ganzen Tag, der der Käsepizza gewidmet sein soll (es war übrigens der 5. September), noch nie gehört hatte.

Ich googelte ein wenig und fand im Netz den World Pizza Tag, allerdings an einem anderen Datum, den 9. Februar. Auch stieß ich auf den Pizza-Party-Tag, der immer am dritten Freitag im Mai begangen wird.

In Abgrenzung dazu sei der Käsepizzatag, so die Agentur, jedoch ein ganz besonderer Feiertag: Hier werde eben der Käse auf dem „runden Teiggericht“ als beliebtestes Essen der Welt gewürdigt, weshalb sie mir gleichzeitig die Marke ihres beworbenen Parmesankäses anpriesen. Ich hatte keine Lust auf Pizza, schon gar nicht auf die vorgestellte Käsepizza mit einem Blumenkohl-Parmesan-Boden. Daher beschloss ich eigenmächtig: Ich rufe lieber einen Ceviche-Tag aus.

Rauer Charme: in der Nauta Nikkei Food & Pisco Bar.
Rauer Charme: in der Nauta Nikkei Food & Pisco Bar.Viktoriia Vanina/Berliner Zeitung

Ich weiß nicht, was es ist: Obwohl der Sommer fast vorbei ist, kann ich von diesem ursprünglich peruanischen Gericht, das aus mit Limette gegartem Fisch besteht, nicht genug kriegen. Inzwischen bekomme ich Ceviche selbst ganz passabel hin. Es ist dankbar, weil es unzählige Variationen gibt. Daher kann man so ziemlich alles unter den rohen Fisch mischen. Die Regel lautet: Je fangfrischer der Fisch, je besser die Zutaten, desto besser schmeckt es.

Singleleben dort verbracht

Aber ganz so einfach ist es doch nicht. Natürlich scheiden sich auch hier Könner von Dilettanten. Jeder Peruaner, jede Köchin und jeder Koch, mit dem ich über Ceviche spreche, hat seinen eigenen „magischen“ Trick. Er besteht aus dem Verhältnis zwischen Limettensäure, Salz und Schärfe, der Wahl der Fischsorte, der Dauer, wie lange die Komponenten durchziehen oder sogar der Art, die Zwiebeln zu schneiden oder die Limetten auszuquetschen.

Wie gut ein Ceviche im Gegensatz zu meiner eigenen Stümperversion schmecken kann, durfte ich gerade wieder erfahren. Ich besuchte das Nauta, ein Restaurant auf der Kastanienallee, in dem ich lange nicht mehr essen war. Als es vor etwa fünf Jahren eröffnete, nahmen viele dem Ecklokal, in dem jahrelang die legendäre 103 Bar war, übel, dass es nicht mehr das 103 war. Auch mein Mann hatte weite Teile seines Singlelebens dort sitzend verbracht. Nach dem ersten Besuch im Nauta war sein Schmerz über das Ableben der Bar jedoch weggefegt und er bekehrt.

Denn das Ceviche aus Adlerfisch des damaligen Küchenchefs Juan Danilo, der das Restaurant nach dem Geburtsort seiner Großmutter benannt hatte, dem Urwaldort Nauta im Amazonasgebiet, schmeckte einfach göttlich. Ich erinnere mich, der Teller sah aus wie ein farbenprächtiger Blumenstrauß: Gepoppter gelber Andenmais und crunchige Chips von lilafarbener Kartoffel kontrastierten geschmacklich und farblich mit orangenem Kartoffelmus und weißem, scharf-säuerlich durchzogenem Fischfleisch.

Juan Danilo kombinierte damals als einer der ersten in Berlin Elemente der peruanischen mit der japanischen Kochtradition, was allgemein als Nikkei-Küche bekannt ist. Denn auf der Suche nach Gold kamen Ende des 19. Jahrhunderts viele japanische Einwanderer nach Peru. Als der Traum vom großen Geld ausblieb, eröffneten sie kleine Restaurants, vermischten südamerikanisches Essen mit ihren traditionellen Zubereitungen und Zutaten wie Soja und Miso und verliehen ihnen so ein vollkommen neues Aroma.

Dieser Grundidee der Nikkei-Küche ist das Nauta über die Jahre treu geblieben, auch als Juan Danilo das Restaurant verließ, um ein dickes Kochbuch über Ceviche zu schreiben. Es folgten einige Wechsel in der Küche des Nauta. Eine Zeitlang hörte ich von Gästen, die dort waren, nichts Gutes, dann aber, dass man wieder ganz hervorragend dort essen könne.

Es war an der Zeit, sich selbst zu vergewissern, an meinem persönlich ausgerufenen Ceviche-Tag. In der Küche arbeiten zur Zeit zwei Köche, die unter dem alten Küchenchef gelernt hatten. Für dessen Posten wird gerade ein Nachfolger gesucht. Die Umsetzung der Gerichte auf der Karte ist jedoch spürbar erprobt.

Salzig-saure Elemente

Ceviche ist hier ein Entrada, also eine Vorspeise. Ich bestellte mir, obwohl die Preise eher Hauptspeisen ähneln, gleich zwei verschiedene Arten: Ersteres, das Ceviche Osaka, besteht aus nahezu roh belassenem Tunfisch, der mit Wasabi-gewürztem Avocadopüree sowie einer Passionsfrucht-Misopaste kontrastiert wird. In Peru ließ man den rohen Fisch früher lange in der aus Limette, Salz, Chili, Ingwer und Fischfond hergestellten Tigermilch ziehen, was ihn wie gekocht erschienen ließ. Mit dem japanischen Einfluss verkürzte sich das Verfahren auf wenige Minuten, damit der pure, fast rohe Tunfischgeschmack bleibt. Diesen frischen Eindruck verstärken salzig-saure Elemente wie grüner Apfel und Kapernbeeren, ebenso Knackiges wie Edamame, Rettichwürfel und Kaviar.

Fantasievoll und traumhaft präsentiert ist auch das Tiradito, eine japanisch inspirierte Abwandlung von Ceviche. Hier wird Adlerfisch nicht klein, sondern in Form von Sashimi geschnitten und ähnlich wie ein Vitello Tonnato mit einer Soße umgeben. Eine durch die Zugabe von Tomaten rot eingefärbte Tigermilch umfließt auf blauem Teller das weiße Fischfleisch. Grüner Dill, gelber Riesenmais, ein Püree von Violetta- und Süßkartoffeln treten als Ansammlung von Kreisen, Klecksen und Hügelchen in einen farbenfrohen Dialog. Nikkei-Küche, wie sie schöner und besser nicht sein könnte, und wie ich sie leider nie hinkriegen werde. Auch an meinem Hauptgericht, einer geschmorten, mit Teriyaki glasierten Aubergine, die mit Räuchertofu und Zucchini gefüllt ist, merke ich, dass das Nauta wieder zu Recht seinen Platz in der Berliner Gastrolandschaft behauptet.

Das Ceviche hier ist und bleibt eins meiner Lieblingsgerichte. Gerade habe ich herausgefunden: Natürlich gibt es einen offiziellen Ceviche-Tag – in Peru. Von mir aus könnte er auch viel öfter in Berlin sein.


Vorspeisen 18–27 Euro, Hauptgerichte 25–42 Euro, Beilagen und Desserts 5–8 Euro

Nauta Nikkei Food & Pisco Bar; Kastanienallee 49, 10119 Berlin; Di–Sa 18:30–22 Uhr; Tel.: 0174 386 34 66, nautaberlin.com