Food & Drink

Berlin-Kreuzberg: Ochsenknecht-Brüder mischen die Gastroszene auf

Die Ochsenknechts Wilson Gonzalez und Jimi Blue haben die Kantine Kohlmann in Kreuzberg entrümpelt. Das Restaurant heißt nun Kante. Der Test. 

Umtriebig: Jimi Blue Ochsenknecht (l.) und Wilson Gonzalez Ochsenknecht sind unter die Gastronomen gegangen.
Umtriebig: Jimi Blue Ochsenknecht (l.) und Wilson Gonzalez Ochsenknecht sind unter die Gastronomen gegangen.Imago Images

Der Ochsenknecht-Clan ist umtriebig, vermutlich streben die Mitglieder der Familie an, die deutschen Kardashians zu werden. Früher sah man einzelne Ochsenknechts gelegentlich im Kino oder in einer Serie des Regisseurs Helmut Dietl. Heute machen sie Musik, Mode und mindestens einer von ihnen tingelt durch ein Realityformat, sobald man den Fernseher einschaltet: von Promi-Shopping, Promi-Dinner, Promi-Big-Brother, Let’s Dance und Dschungelcamp bis zur Doku-Soap auf Sky, wo die Sippe Einblicke in ihr Familienleben zwischen Bauernhof in Graz über Berlin bis in die Toskana und nach Mallorca gibt.

Seit kurzem sind die beiden ältesten Söhne von Uwe und Natascha Ochsenknecht auch in der Berliner Gastronomie aktiv.

Aurora Stark

Jimi Blue Ochsenknecht, der einstige Anführer im Film „Wilde Kerle“, hegt Ambitionen fürs Kochen. Anfang des Jahres testete ich seine vegane Mango Bowl, die er für Lieferando kreiert hatte. „Jimi Orange“ hieß sie und schmeckte exakt nach der Summe ihrer Zutaten: nach Tofu, Wildreis, Edamame, Orange und Mango, was jedoch nicht so recht zu einem genussvollen Ganzen zusammenfand.

Sein älterer Bruder, Wilson Gonzalez Ochsenknecht, liebäugelt dagegen mehr mit dem Gast- und Barbereich als mit der Küche. Seit Mitte Juli führt er in Berlin das Restaurant Kante mit Bar und Eventlocation im Keller, wenn auch nur als stiller Teilhaber. Hinter dem Tresen wolle er nicht stehen, sagte er. Ihm ginge es vor allem darum, einen Ort zu schaffen, an dem er Freunde und Bekannte versammeln könne, die sich sonst über die ganze Stadt verteilen.

Jakobsmuscheln - in der eigenen Schale sind sie schwimmend in einem sehr leichten Fenchelextrakt-Orangensüppchen angerichtet.
Jakobsmuscheln - in der eigenen Schale sind sie schwimmend in einem sehr leichten Fenchelextrakt-Orangensüppchen angerichtet.Aurora Stark

Klare Kante zeigen

Der Wirt als sein bester Gast ist auch eine legitime Motivation. Der Laden jedenfalls könnte schöner nicht gewählt sein. Das Kante ist nämlich die ehemalige Kantine Kohlmann auf der Skalitzer Straße, die mit ihren nachtblauen Kacheln, Leder-Mobiliar aus den ehemaligen Beständen des Hamburger Fernsehturms sowie ihrer jeglichen Hirschgeweih-Miefs entstaubten deutschen Karte mit Königsberger Klopsen, Blutwurst und Matjes-Tartar als Happen zu meinen Lieblingsläden zählte.

Vor knapp einem Jahr schloss die Kantine Kohlmann. Erfreulich ist, dass der Charme des Nachfolgers nahezu unverändert scheint. Technisch wurden die Küche und Lüftung überholt, das schon immer schmeichelhafte Licht scheint noch wärmer, hier und da gibt es ein paar neue Möbel wie den Barschrank. Die Bar und der Club im Keller bekamen als einzige eine krassere, Kreuzberg-taugliche Generalüberholung mit grellen Graffitis. Hier sollen neben dem normalen Barbetrieb an den Wochenenden Food Pop-Ups, Events mit DJs und spezielle Dinner Formate stattfinden, um die sich Wilson Gonzalez Ochsenknecht kümmern will.

Seine Partner, die das allgemeine Tagesgeschäft führen, heißen Sylvan Drews und Jean-Michel Blattner. Bisher waren die beiden als Veranstalter von Party-, Club- und Kulturevents in München unterwegs. Was sie sich bei dem Namen Kante gedacht haben, bleibt etwas rätselhaft. Auf der Webseite schreiben sie von „einer klaren Kante“ zwischen Terrasse, Restaurant und Bar, „in der alles zusammenfließt.“ Ochsenknecht dagegen verweist in einem Interview auf die vielen Kanten, die es auch an den Tischen und an der Bar gebe. Außerdem habe der Name einen ähnlichen Klang wie das englische Schimpfwort „Cunt“, das sei doch lustig.

Ob das nun ironisch-böse gemeint ist, man sich hier die Kante geben soll oder Kante zeigen will – was das Essen angeht, sind die Betreiber schon mal erfreulich klar: Die Karte ist auf wenige Gerichte zugespitzt. Vier Vorspeisen, vier Hauptgerichte, ein Dessert, die laut Service lange ausgeklügelt wurden und erstmal bleiben sollen. Daneben gibt es täglich zwei, drei besondere Specials.

Onglet im Kalbsjus
Onglet im KalbsjusAurora Stark

Keine neuen Horizonte in Sicht

Bei meinem Besuch sind diese ein Ceviche vom Wolfsbarsch, Austern sowie ein Pfund Garnelen. Alle drei Specials gäbe es heute aber nicht, so der Kellner. Denn der Küchenchef Mirko habe die Ware bei der Lieferung abgewiesen, weil ihm die Qualität nicht zusagte. In der Küche sei man sehr kompromisslos.

Oha, dachte ich. Die „moderne Fine Dining Experience“, wie auf der Webseite angepriesen, wird offenbar ernst genommen. Den Machern geht es wirklich ums Essen. Ich beginne mit den Jakobsmuscheln, die den Test des Küchenchefs bestanden haben müssen, sonst wären sie heute vom festen Vorspeisenangebot geflogen. In der eigenen Schale sind sie schwimmend in einem sehr leichten Fenchelextrakt-Orangensüppchen angerichtet. Die Nuss der Muschel, eigentlich der weiße Muskel, ist kurz angebraten und abgeflämmt zwecks Röstaromen. Safran erweitert die süßlichen Orangen-Fenchelnoten zum Salz der Meeresfrucht. Alles in allem eine so schöne wie auch bekannte Vorspeise.

Auch die anderen Gerichte erobern keine neuen Horizonte, was Aromatik, Kombinatorik und Technik angeht. Eher scheinen sie verlässliche alte Bekannte, die man jedoch sehr gerne mag.

Die Burrata etwa, hier regional bezogen und vom Prignitzer Wasserbüffel, ist so weich und cremig wie Sahnequark. Dazu gibt es ein intensives, zähflüssig-eingekochtes Aprikosenmus, erfreulich dezent im Zuckergehalt, das mit blanchierten, gesalzenen Kirschtomaten, kurz gebratenem, noch knackigem Romanasalat und Haselnuss kombiniert ist. Das passt natürlich zusammen. Ebenso wie das Onglet im Kalbsjus, zu dem der Küchenchef zweierlei Kohlrabi reicht, einmal als sämiges Mus, einmal als fast roher Würfel. Das Fleisch ist perfekt auf den Punkt gegrillt, der kräftige Jus mit Ingwer und Thymian abgeschmeckt, farblich überzeugt sein wunderschöner Karamellton. Ein sehr solider Auftritt.

Nicht ganz so überzeugt die zweite Hauptspeise: Maispoularde, gefüllt mit einer Farce aus sehr fein gehackten Pilzen, die leider, ebenso wie das Fleisch, nicht würzig schmecken. Trotz sommerlicher Kombi mit Pfifferlingen, Stachelbeeren und grünen Bohnen bleibt das Gericht etwas fad.

Das Finale aber versöhnt wieder. Ein dekonstruierter Cheesecake, wie schon anderswo gegessen, mit feinstem, salzigem Crumble und Macadamia-Nüssen statt festem Boden. Die Käsemasse ist dabei so leicht wie eine luftige Sahnequark-Pannacotta und wird in einzelnen Tupfen präsentiert. Ja, hier kann man seine Freunde durchaus versammeln. Die Feier- und Trinkfreudigen unter ihnen werden die Kellerbar lieben, doch auch Foodies werden hier glücklich.


Vorspeisen 9,50–17,50 Euro; Hauptgerichte 17–26 Euro; Desserts 8,50 Euro; 3-Gang-Menü 39,50 Euro

Kante Restaurant & Bar. Skalitzer Straße 64, 10997 Berlin. Bar Mo–So ab 18 Uhr, Restaurant Di–Sa ab 18 Uhr. www.kante.berlin, reservierung@kante.berlin, Tel: 0171 8184591