Der Sommer 2022 war eine Saison ausgedehnter Waldbrände. Allein bis Mitte August seien bei Großbränden in Deutschland fast 4300 Hektar Wald in Flammen aufgegangen, meldeten der Deutsche Feuerwehrverband und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände. Das sei mehr als das Fünffache des seit 1991 ermittelten jährlichen Durchschnittswertes. In Brandenburg hatte sich zum Beispiel ein Waldbrand bei Falkenberg (Elbe-Elster) auf rund 800 Hektar ausgebreitet – eine Fläche etwa viermal so groß wie Monaco.
Fachleute befürchten, dass es solche Rekorde künftig häufiger geben wird. „Wir stehen vor einem Zeitalter des Feuers“, sagt Johann Georg Goldammer. „Und wir müssen uns besser darauf vorbereiten.“ Nur wie? Genau das ist die Frage, die ihn seit Jahrzehnten beschäftigt. Goldammer leitet das Global Fire Monitoring Center (GFMC), eine Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Chemie an der Universität Freiburg.
Die Fachleute dort arbeiten für die Vereinten Nationen, beraten Regierungen und Gemeinden, schulen Feuerwehrleute und Forstmitarbeiter. Und sie testen immer wieder neue und alte Ideen: Wie lässt sich das Risiko für gefährliche Großfeuer in Wäldern und anderen Landschaften verringern? Und was tun, wenn es trotzdem brennt?
Fachleute bekämpfen Feuer mit Gegenfeuer
Seit dem Jahr 2000 bildet das Freiburger Team Spezialisten für Feuermanagement aus. Auf dem Lehrplan steht dabei zum Beispiel ein für Laien überraschendes Verfahren: Man schickt dem großen Brand ein taktisches, kontrolliertes Feuer entgegen. „Wenn sich Haupt- und Gegenfeuer aufeinander zubewegen, entsteht ein Sog, sie ziehen sich also gegenseitig an“, erklärt Goldammer.
Schließlich vereinigen sie sich zu einem einzigen, sehr heißen Feuer. Doch das bricht bald zusammen, weil es keine brennbare Nahrung mehr findet. Denn da Haupt- und Gegenfeuer aus entgegengesetzten Richtungen gekommen sind, haben sie unterwegs schon alles Brennmaterial aufgezehrt. Das vereinigte Feuer kann nun also weder vor noch zurück. „Gerade in Regionen, in denen es wenig Wasser gibt, ist das ein sehr effektives Verfahren zur Brandbekämpfung“, sagt der Experte. Vor allem auf Ackerflächen mache man damit gute Erfahrungen.
Die wichtigste Waffe im Kampf gegen Landschaftsbrände aber bleibt nach wie vor das Wasser. Fragt sich nur, wie man das am besten zum Ort des Geschehens bringt. Denn es gibt in Deutschland bisher nur wenige Löschfahrzeuge, die auch in schwierigem Gelände operieren können. In der Land- und Forstwirtschaft dagegen sind jede Menge solcher geländegängigen Fahrzeuge und Maschinen im Einsatz. Kann man die im Notfall vielleicht schnell für einen Löscheinsatz umrüsten?

Traktoren und Forstmaschinen mit „Tankrucksack“
An dieser Idee hat das Freiburger Team seit 2020 zusammen mit der Spezialfirma Welte getüftelt. Vor wenigen Wochen hat der so entwickelte „Tankrucksack“ seine letzten Tests bestanden. Er besteht im Prinzip aus einer großen Box, die einen Wassertank mit einem Fassungsvermögen zwischen 300 und 1600 Litern und einen separaten Tank für Schaumlöschmittel enthält. Dieser Rucksack lässt sich an Forstmaschinen, Traktoren und alle möglichen anderen Geländefahrzeuge anhängen, die selbst schwer zugängliche Gebiete erreichen können.
Überall aber kommen selbst die nicht hin. Und oft hapert es dabei nicht an der Geländegängigkeit, sondern an der Sicherheit. Denn vor allem in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern brechen immer wieder Feuer auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in den Kampfgebieten des Zweiten Weltkriegs aus.
Dort aber liegt vielerorts noch jede Menge Munition, die einem bei einem Brand sehr leicht um die Ohren fliegen kann. Deshalb muss die Feuerwehr aus Sicherheitsgründen einen Abstand von 1000 Metern zu solchen munitionsbelasteten Flächen halten. Aus dieser Entfernung aber ist das Löschen unmöglich. Selbst von Hubschraubern aus lassen sich die Löschladungen aus einem Kilometer Höhe nicht genau genug platzieren.
Alte Panzer werden zu Feuerlöschpanzern umgerüstet
Doch auch mit diesem Problem haben sich die Feuerexperten des GFMC schon beschäftigt. In einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Jüterbog-Ost in Brandenburg haben sie alte Panzer aus russischer Produktion getestet, die von einer Spezialfirma zur Feuerbekämpfung umgerüstet wurden.
In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen DiBuKa (Dienstleistungen im Brand- und Katastrophenschutzfall) in Sachsen-Anhalt entstand so der mit mehreren Löschkanonen ausgerüstete Feuerlöschpanzer SPOT 55, der das Personal in seinem Inneren gegen Hitze, Explosionen und Radioaktivität schützt. Inzwischen verfügt die DiBuKa auch noch über weitere gepanzerte Helfer. So kam Ende Juli bei einem Waldbrand in der Nähe von Torgau in Sachsen ein zum Löschpanzer umgebauter ehemaliger Schützenpanzer Marder zum Einsatz.
Die technischen Fortschritte der letzten Jahre machen die Brandbekämpfung aber auch auf munitionsfreien Flächen leichter. „Drohnen zum Beispiel können sehr wichtige Informationen liefern“, sagt Johann Georg Goldammer. „Gerade in unübersichtlichem Gelände.“ Wie fliegende Augen erkunden die kleinen Geräte mit ihren Infrarotsensoren, wo typische Feuertemperaturen herrschen. Und wenn sie solche Stellen gefunden haben, können sie beobachten, wie sich der Brand ausbreitet. „Noch ist nicht jede Feuerwehr mit solchen Drohnen ausgerüstet“, sagt der Freiburger Experte. „Doch sie werden immer häufiger eingesetzt.“

Bessere regionale Kooperation kann Großfeuer verhindern
Für Goldammer ist eine erfolgreiche Bekämpfung von Landschaftsbränden aber nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch eine der Kooperation. Die traditionelle Vorstellung, dass für Feuer eben die Feuerwehr zuständig sei und sonst niemand, hält er für nicht mehr zeitgemäß. „Feuer kennt keine Grenzen zwischen Vegetationstypen, Landeigentümern oder Zuständigkeiten“, betont der Forscher. „Also müssen bei der Bekämpfung auch alle an einem Strang ziehen.“
Wie das gehen kann, erproben er und sein Team im „Freiburger Modell“: In den letzten Jahren hat sich eine enge Zusammenarbeit zwischen der GFMC, der Feuerwehr Freiburg, der Freiburger Verkehrs AG und dem Forstamt Freiburg entwickelt. Ziel ist es, für den Ernstfall gemeinsam zu planen und zu üben. Im Modellrevier Schauinsland ist so beispielsweise eine Waldbrandkarte entstanden, die wichtige Informationen über das Gelände, besonders gefährdete Lagen und mögliche Zufahrten enthält.
Der Revierförster und seine Forstwirte verfügen zudem über Handgeräte und eine Ausbildung in der Brandbekämpfung. So können sie das Feuer aufhalten, bis die von ortskundigen Forstleuten geleitete Feuerwehr eintrifft. „Diese Kooperation hat sich schon bei mehreren Bränden bewährt“, sagt Goldammer. „Auch in diesem Jahr.“
Aus alten Forst-Lehrbüchern kann man einiges über Vorbeugung lernen
Doch nicht nur bei der eigentlichen Brandbekämpfung sei das Engagement der Fortwirtschaft gefragt, sondern auch bei der Vorbeugung. Sie müsse versuchen, ihre Flächen weniger feuerempfindlich zu machen. „Aus alten forstwissenschaftlichen Lehrbüchern kann man da durchaus einiges lernen“, findet der Wissenschaftler. Zum Beispiel über das Anlegen von Schneisen, in denen das Feuer möglichst wenig Brennmaterial findet.
Solche traditionellen Methoden waren vielerorts etwas aus der Mode gekommen, stoßen in den letzten Jahren aber wieder zunehmend auf Interesse. „Man muss allerdings bedenken, dass diese Verfahren für unser altes Klima entwickelt wurden“, sagt Johann Georg Goldammer. Ob und in welcher Form sie im Klima der Zukunft noch hilfreich seien, müsse sich erst noch zeigen.






