Immer mehr Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre – das trägt Forschern zufolge entscheidend dazu bei, den natürlichen Treibhauseffekt auf der Erde zu verstärken. Die Folge: eine zunehmende Erderwärmung. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, ist der Einsatz von Technologien, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Jetzt wurde erstmalig eine globale Bilanz präsentiert, wie weit man dabei schon vorangekommen ist.
Jährlich werden fast 37 Gigatonnen CO2 weltweit emittiert, also freigesetzt. So heißt es in dem neuen Report „The State of Carbon Dioxide Removal (CDR)“, dem Projekt einer internationalen Forschergruppe. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen. Um der Erderwärmung entgegenzuwirken, müssten bis zum Ende des Jahrhunderts Hunderte Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gezogen werden, so die Forscher.
„Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend“, sagt der Berliner Wissenschaftler Jan Christoph Minx, einer der Autoren des Berichts. Er leitet eine Arbeitsgruppe am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), einer Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius
Das Ziel ist, die globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 1850 auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, möglichst auf 1,5 Grad. Mit einer Absenkung der weltweiten Emissionen allein sei dieses Ziel nicht zu erreichen, sagen die Forscher. Nein, man müsse zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre ziehen.
Die Methoden dafür werden unter dem Begriff Carbon Dioxide Removal (CDR) zusammengefasst, übersetzt Entfernung von Kohlendioxid. „Ohne CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ist Klimaneutralität nicht zu erreichen“, heißt es auch seitens des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dessen Projektträger 2020 ein Förderprogramm für das Bundesforschungsministerium entwickelt hat. Es soll dabei helfen, ein solides wissenschaftliches Fundament für eine solche CO2-Entnahme aufzubauen, heißt es.
Zunächst geht es bei der Entnahme des CO2 um natürliche Wege. Aktuell werden jährlich etwa zwei Gigatonnen CO2 durch Aufforstung und Pflege bestehender Wälder aus der Atmosphäre gezogen. Auch eine Wiedervernässung trockengelegter Moore könnte CO2 binden. Ebenso die „Agroforstwirtschaft“. All diese Wege führen jedoch auch zu Konflikten um die Landnutzung, die gelöst werden müssen.
CO2 kann zugleich durch zusätzliche CDR-Methoden aus der Luft geholt werden, die auf neuartigen Technologien beruhen. Eine Methode nennt sich „Direct Air Carbon Capture and Storage“ (DACCS), also direkte Kohlenstoffabscheidung aus der Luft und Speicherung. Hier filtern bestimmte Anlagen das CO2 direkt aus der Umgebungsluft heraus. Anschließend kann das CO2 in feste oder flüssige Stoffe umgewandelt und dauerhaft gelagert werden. Dies soll zum Beispiel unterirdisch geschehen – etwa in ausgebeuteten Gas- und Erdöllagerstätten oder unter dem Meeresgrund.

Verkohlung von Pflanzen und Bioabfällen
Ein weiterer Weg ist die Verkohlung von Pflanzen oder Bioabfällen. Die entstehende Biokohle kann in Ackerböden eingebracht oder in Baustoffen gespeichert werden. Man kann CO2 auch durch die Verwitterung von Silikat- oder Carbonatgestein binden. Hier laufen bestimmte chemische Reaktionen ab, für die CO2 gebraucht wird. Dieser Prozess kann beschleunigt werden, indem man Gesteinsmehl auf Ackerböden ausstreut. Eine weitere Methode heißt „Bioenergy with Carbon Capture and Storage“ (BECCS). Hier werden Energiepflanzen wie etwa Raps, Mais und andere Getreide angebaut. Durch ihre Verbrennung entsteht Bioenergie und CO2, das abgeschieden und dauerhaft gespeichert werden kann.
Zu all diesen Methoden gibt es kritische Fragen: Könnten die Flächen, auf denen Energiepflanzen angebaut werden, nicht besser und nachhaltiger genutzt werden? Wo könnte CO2 wirklich sicher gespeichert werden – ohne die Gefahr, dass es irgendwann entweicht? Auch sei völlig klar, „dass CDR keinesfalls ein Ersatz für die größtmögliche, zügige Reduktion der Emissionen sein kann“, heißt es auf dem Internet-Portal des DLR-Projektträgers. „Es wäre leichtsinnig, sich darauf zu verlassen, denn wir wissen bislang noch nicht genug über Machbarkeit und Auswirkungen eines massiven, großräumigen Einsatzes von CDR-Methoden.“
Es brauche eine gut ausgestattete, transparente, öffentliche Forschungsförderung und eine offene Debatte zu CO2-Entnahmemethoden. „Wenn diese Verfahren massiv ausgebaut werden sollen, wird das nur mit breiter Unterstützung und Akzeptanz durch die Bevölkerung gelingen.“
Geringe Konzentration in der Atmosphäre
„Derzeit gibt es weltweit nur wenige Pläne, die Entnahme von CO2 über das aktuelle Niveau hinaus zu steigern“, lautet eine Aussage des gerade veröffentlichten CDR-Reports. Lediglich 0,002 Gigatonnen CO2 pro Jahr werden dem Bericht zufolge durch die beschriebenen zusätzlichen, neuartigen CDR-Methoden gewonnen. Das sind zwei Millionen Tonnen. „Das heißt, da stehen wir wirklich noch total am Anfang“, sagt Jan Christoph Minx, einer der Autoren des Berichts. „Wir brauchen schnelle und tiefe Reduktionen von Treibhausgasen und CO2-Entnahmen.“
Aber was ist überhaupt gemeint, wenn von Tonnen CO2 die Rede ist? Kohlendioxid ist ein farbloses und geruchloses Gas. Eine Tonne davon passt etwa in einen etwa acht Meter hohen Würfel. Das ist ungefähr die Menge, die eine Buche in 80 Jahren Wachstum aufnehmen kann. Man kann CO2 auch verflüssigen, indem man es kühlt und unter Druck verdichtet. Es wird massenhaft für bestimmte Anwendungen in Industrie, Medizin, Biologie, Lebensmittelproduktion und anderes geliefert – verflüssigt in Gasflaschen oder verfestigt als Trockeneis.
In der Atmosphäre selbst ist CO2 nur ein Spurengas – mit einem Anteil von 0,04 Prozent. Zum Vergleich: Der Anteil von Stickstoff beträgt 78 Prozent, der von Sauerstoff etwas mehr als 20 Prozent, der von Argon und weiteren Edelgasen etwa ein Prozent. Die sogenannten Treibhausgase CO2, Methan und Lachgas machen weniger als ein Prozent aus. Dies ist auch der Grund, warum manche bezweifeln, dass ein Gas von so geringer Konzentration einen so großen Treibhauseffekt haben soll.
Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas im großen Stil
Das wichtigste Treibhausgas ist ohnehin Wasserdampf. Ohne ihn und die anderen Gase wäre es auf der Erde minus 18 Grad Celsius kalt, und wir könnten auf ihr nicht leben. Also ist Treibhausgas erst einmal etwas Gutes. Das zusätzliche CO2 aber verstärkt neben den anderen Gasen den Treibhauseffekt ganz besonders, wie Forscher sagen. Es bildet genau jenes kleine, aber stetig anwachsende und dauerhaft verbleibende Plus über das hinaus, was im Rahmen des natürlichen globalen Kohlenstoffzyklus durch Ozeane und Vegetation wieder aufgenommen wird.
Dass dieser Zyklus aus dem Gleichgewicht geraten ist, liegt Forschern zufolge vor allem an der Industrialisierung, bei der ab Mitte des 19. Jahrhunderts im großen Stil fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt wurden. Auch eine großflächige Entwaldung fand statt. Sie ist zu etwa 30 Prozent Ursache des Anstiegs der CO2-Konzentration.
In der Luft kann der Anteil von CO2 mit speziellen Geräten erfasst werden. Gemessen wird in parts per million (ppm), übersetzt etwa Teilchen pro Million. Wenn das CO2 in der Atmosphäre zum Beispiel einen Anteil von 300 ppm hat, dann bedeutet das: 300 Moleküle CO2 „kommen auf“ eine Million Moleküle Luft. In den letzten 650.000 Jahren soll die CO2-Konzentration nie diese 300 ppm überschritten haben. Doch seit Beginn der Industrialisierung stieg sie nachweislich an: auf heute 414 ppm (Jahresmittelwert 2020).

Ausgleich für zerstörte Waldflächen, die plötzlich CO2 freisetzen
Warum wirkt das dennoch sehr gering vorhandene CO2 als Treibhausgas? Forschern zufolge liegt das an der Molekülstruktur der Treibhausgase, die sich aus drei oder mehr Atomen zusammensetzen. Diese Gasmoleküle sind – anders als Sauerstoff oder Stickstoff (mit zwei Atomen) – empfänglich für bestimmte Strahlung. Die nur in Spuren vorhandenen Treibhausgase absorbieren die langwellige Wärmestrahlung, wie es in einer Darstellung heißt. Sie verändern damit den Energiehaushalt und die mittlere Temperatur der irdischen Atmosphäre.
Man könnte es mit einer winzigen Dosis Gift vergleichen, die für den Körper schlimme Wirkungen hat, während er andere Stoffe in großen Mengen verträgt. CO2 ist das langlebigste aller Spurengase. Während Methan nach etwa zwölf Jahren verschwindet und Lachgas nach etwa 114 Jahren, sind von einer bestimmten Menge Kohlendioxid nach 1000 Jahren noch etwa 15 bis 40 Prozent in der Atmosphäre. Durch die Emissionen erhöht sich also der CO2-Anteil ständig weiter. Und der Treibhauseffekt wirkt lange nach.
Auch deshalb müssen der Ausbau und die Entwicklung neuartiger CO2-Entnahmemethoden rasch vorangetrieben werden, fordern die Wissenschaftler im CDR-Report. Dafür müssten Anlagen von industriellem Maßstab entstehen. Die Entnahmemenge müsse bis 2030 etwa 30-mal und bis 2050 etwa 1300-mal so groß sein wie heute, wo jährlich zwei Millionen Tonnen entnommen werden. Der Anteil könnte sich noch erhöhen, bis auf das 4000-Fache von heute, wenn zum Beispiel immer größere Waldflächen durch ausgedehntere Brände oder Schädlinge zerstört werden und zusätzliche Mengen an CO2 freisetzen. Das Risiko steige mit dem Klimawandel, so die Forscher.
Ohne Entzug von Kohlendioxid gibt es keine „Klimaneutralität“
Während es in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts vor allem um die Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasen gehe, müssten in der zweiten Hälfte zusätzliche CO2-Entnahmen den Klimaschutz dominieren, sagt Minx. Denn um bei der vom Menschen beeinflussbaren CO2-Bilanz wirklich auf null zu kommen, brauche es sogenannte Negativ-Emissionen. Und zwar nicht nur wegen der Langlebigkeit von CO2, sondern auch, weil selbst bei erreichter „Klimaneutralität“ Rest-Emissionen schwer vermeidbar sind, zum Beispiel in der Landwirtschaft, in bestimmten Bereichen der Industrie und in der Abfallwirtschaft.
Bisher steht die Technologie für die Entnahme von CO2 aus der Luft und dessen Speicherung noch am Anfang. Die verschiedenen Technologieansätze „weisen derzeit noch keine kommerzielle Marktreife auf, werden jedoch weltweit von verschiedenen Unternehmen und Forschungseinrichtungen in über 20 Projekten erprobt“, hieß es 2022 in einer Darstellung des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie. Diese zeigt auch mögliche Wege für Deutschland auf.
Das Institut verweist zugleich darauf, dass die aktuellen Kosten für die Entnahme einer Tonne CO2 bei 540 Euro lägen (ohne Transport und Speicherung), wobei die Investitionen den größten Anteil daran hätten. Man könnte die Kosten auf 100 Euro senken. Aber selbst dann würde die technische Entnahme der allein für 2030 geforderten jährlichen Menge (60 Millionen Tonnen CO2) wohl sechs Milliarden Euro kosten. Und wenn man auf das 1300-Fache von heute geht, wären es 260 Milliarden Euro pro Jahr, wenn man es allein auf diesem Wege machen wollte.
Neue Technik erhöht Verbrauch knapper fossiler Rohstoffe
Das Umweltbundesamt erwähnt noch etwas anderes: „Problematisch ist vor allem der enorme zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“, schreibt es. „Der Einsatz der CCS-Technik erhöht den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent.“ Bis zu einem flächendeckenden Einsatz sind also noch einige Hürden zu überwinden. Nicht nur technologische.








