Berlin-Ganz in der Nähe der S-Bahn-Station Bellevue gibt es zwei Optionen, um eine gute Currywurst zu essen. Die eine liegt direkt im Schloss Bellevue. Vor Corona lud man dort regelmäßig zu Podiumsdiskussionen ein. Im Anschluss gab es dann ein fliegendes Buffet, und wenn man Glück hatte, konnte man dort Mario Ohoven (er ist leider im letzten Jahr tödlich verunglückt) die Hand schütteln oder Rita Süssmuth treffen – sie ist unglaublich nett! Die Küche im Schloss Bellevue ist selbstverständlich ausgezeichnet.
Der deutsche Winzersekt, der einem schon zur Mittagszeit großzügig ausgeschenkt wird, überzeugt durch eine feine Briochenote und legt einen sanften Schleier über das hektische Treiben im Schloss. Das Wichtigste beim Buffet ist aber die Currywurst. Sie wird einem halb ironisch in kleinen Porzellanschälchen von KPM gereicht, die zur Hälfte genauso geformt sind wie die Pappschälchen, die man in der Imbissbude draußen bekommt.

Am 14./15. August 2021 im Blatt:
Wir Abgehängten. In 16 Jahren Merkel hat Deutschland bei der Digitalisierung riesige Chancen verpasst. Was sich nach der Wahl ändern muss
Gerhard Schröder kämpft für sie, wir testen sie: die Currywurst. Und hier gibt es die allerbesten!
Schlendrian oder Schikane? Warum das Land Berlin ein Grundstück in Mitte leer lässt
Frage: Wem gehören Berlins Tech-Unicorns? Antwort: Silvio Berlusconi
Wie Kaczynski versucht, Polens private Medienhäuser zu entmachten
https://berliner-zeitung.de/wochenendausgabe
Frage: Sind die Imbissschälchen aus Porzellan womöglich das Original und die Pappschale mit ihrem Wellenrand imitiert bloß großbürgerliche Kultur? Vermutlich wird es genau so gewesen sein – wieder etwas gelernt. Die Currywurst im Schloss Bellevue schmeckt übrigens wirklich gut. Wenn ich mich richtig erinnere, besteht sie aus Kalbsfleisch. Der Ketchup ist natürlich hausgemacht.
Falls Sie nicht darauf warten wollen, bis das Schloss Bellevue Sie einlädt, oder wenn Sie (wie ich nach Veröffentlichung dieser Rezension) Schwierigkeiten haben, an derart feudale Einladungen zu kommen, müssen Sie nicht auf eine gute Currywurst verzichten. Der Imbiss Absolut Curry gleich neben der S-Bahn-Station bietet eine tolle Alternative.
Die Dame am Grill hat sehr viel Geduld und ist mindestens genauso nett wie Rita Süssmuth. Die Currywurst ist sehr sehr solide, genau wie die Pommes. Der große Ost-West-Konflikt: „Currywurst mit oder ohne Darm?“, muss hier nicht entschieden werden, es gibt ja beides. Die einfache Currywurst kostet 2,20 Euro, ein Berliner Kindl aus der Flasche 2 Euro, bei Letzterem überzeugt die rustikale Perlage. Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung kehren hier gerne ein, genauso wie Studenten und Expats aus Übersee. Das Publikum ist hier eindeutig diverser aufgestellt als im Schloss um die Ecke.
Wenn man längere Zeit am Imbiss sitzt, fällt einem irgendwann auf, wie schön das Hansaviertel ist. Spontan frage ich eine Anwohnerin, die regelmäßig mit ihrer Tochter den Imbiss besucht, ob man den Präsidialbetrieb in der Nachbarschaft im Alltag bemerkt. „Eigentlich nicht, aber es gibt hier mehr Polizei und manchmal sieht man auch die Reiterstaffel.“ Ob sie schon den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier getroffen hat, will ich wissen. Hat sie tatsächlich! Einmal auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten und ein zweites Mal, als dieser einen Spree-Spaziergang gemacht hat, natürlich in Begleitung von Sicherheitsbeamten. Ob Steinmeier auch schon mal Absolut Curry besucht hat, wusste sie leider nicht. Falls nicht, hat er jedenfalls etwas verpasst.
Bewertung: 4 von 5 Punkten
Absolut Curry, Bartningallee 20, 10557 Berlin, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 10 bis mindestens 19.30 Uhr.

