Leitartikel

Wirtschaft in der Corona-Krise: Wo stehen wir am Ende des Jahres 2021?

Die Pandemie dominiert Politik und Wirtschaft. Der Krisenmodus ist zum Dauerzustand geworden. Wollen wir daraus ausbrechen, hilft nur eines: unsere Vernunft.

Wo bleibt der Aufschwung? Baukräne auf einer Baustelle in Berlin-Mitte (Symbolbild). 
Wo bleibt der Aufschwung? Baukräne auf einer Baustelle in Berlin-Mitte (Symbolbild). dpa

Egal, wohin man schaut: Die Stimmung ist schlecht. Fast scheint es, als wäre die deutsche Wirtschaft zum Jahresende in einen kollektiven Winterblues verfallen. Die Inflation: hoch. Das Wachstum: nahe null. Die Aussicht: ungewiss. Es sind unverkennbar dunkle Wolken am konjunkturellen Horizont aufgezogen.

Manche Branchen trifft es – schon wieder – knüppelhart. Der pandemiegeplagte Einzelhandel konnte auch das traditionell starke Weihnachtsgeschäft abhaken. Durch 2G-Regelungen kamen weniger Kunden in die Innenstädte. Zusätzlich sorgen Lieferprobleme für Frust: Vor allem bei Unterhaltungselektronik und elektronischen Haushaltsgeräten gibt es Engpässe. Der angeschlagene Warenhauskonzern Galeria musste erneut Staatshilfe beantragen. Ob das Kaufhaus als Konzept überlebt und wie die Innenstadt der Zukunft aussieht – auch das ist, wie so vieles, in diesem zweiten Pandemiewinter ungewisser denn je. 

Wirtschaft in der Pandemie: Aufschwung im Konjunktiv

Längst hat sich die Hoffnung zerschlagen, dass Corona zwar zu einem wirtschaftlichen Einbruch führt, es danach aber steil bergauf geht. Das konjunkturelle V, also ein kurzer heftiger Abschwung, der ebenso schnell kompensiert ist, hat sich nicht erfüllt. Das Virus ist tückisch. Immer wieder schlägt es zu – und bremst die Erholung aus. Ökonomen räumen inzwischen ein, dass es wohl noch bis Sommer nächsten Jahres dauern wird, ehe der robuste Aufschwung einsetzt. Doch auch diese Prognose ist mit Unsicherheit behaftet. Und an Bedingungen geknüpft. Es muss gelingen, die Pandemie einzudämmen. Auch die Lieferketten dürfen nicht weiter stocken. Ein Aufschwung im Konjunktiv. 

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie anfällig die Weltwirtschaft ist. In einer arbeitsteiligen Welt reichen schon lokale Ereignisse, etwa Naturkatastrophen, aus, um die ganze Produktion – und damit Geschäftsmodelle – zu gefährden. In einer Pandemie wird das Problem global. Aktuell sind Vorprodukte wie Halbleiter und Chips, aber auch Rohstoffe knapp und teuer. Der Materialmangel hat in der deutschen Industrie im Dezember einen Rekordwert erreicht. 81,9 Prozent der Firmen klagten über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung. Es ist paradox: Die Auftragsbücher sind voll – doch die Unternehmen können die Produktion nicht hochfahren. 

Für die Wirtschaftspolitik ist eine solche Situation herausfordernd. Klassische Rezepte wie Steuersenkungen oder mehr staatliche Investitionen helfen der Konjunktur nicht, sie würden verpuffen. Oder noch schlimmer: Die Inflation weiter befeuern. Schon heute steht einer in der Krise angestauten Nachfrage kein adäquates Angebot gegenüber. Es war richtig, dass Regierungen weltweit in Vorleistung gegangen sind, um den Absturz ihrer Volkswirtschaften zu verhindern. Doch zur Wahrheit gehört auch: Die expansive Fiskal- und Geldpolitik hat die Gütermärkte erreicht. Die Zeit der stagnierenden Preise ist vorbei. In den USA droht bereits die berüchtigte Lohn-Preis-Spirale. Dabei handelt es sich um eine Art selbst erfüllende Prophezeiung: Da die Gewerkschaften damit rechnen, dass die Preise steigen, fordern sie höhere Löhne, die zu noch höheren Preisen führen – und erneut höhere Lohnforderungen nach sich ziehen. In der Folge steigt die Inflation immer weiter. 

Inflation: Die EZB sollte ein Signal an die Märkte senden

Die Federal Reserve hat bereits angekündigt, aus der lockeren Geldpolitik auszusteigen. Die US-Notenbank will nicht nur ihre Anleihenkäufe vorzeitig beenden. Auch der Leitzins soll im kommenden Jahr bis zu dreimal angehoben werden. Zugegeben: Die Situation in den Staaten, wo ein Wohlfahrtsstaat als Puffer in der Rezession fehlt, die Fiskalpolitik also einspringen muss, ist nicht eins zu eins auf den europäischen Binnenmarkt zu übertragen. Doch auch die EZB täte gut daran, ein Signal an die Märkte zu senden. Inflation wird erst ein Problem, wenn sich Erwartungen verselbstständigen. Doch dann ist es meist zu spät. 

Einfache Lösungen für die makroökonomischen Probleme gibt es nicht. Falsch wäre es aber, die Globalisierung zurückdrehen zu wollen. Natürlich kann man – wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) es tut – darüber nachdenken, bestimmte Industrien wie Chiphersteller ins Land zurückzuholen. Ein solcher Schritt sollte aber die Ausnahme sein. Kosten und Nutzen müssen übereinstimmen. Die Arbeitsteilung ist ein hohes Gut, von der gerade ärmere Länder profitieren. Und überhaupt: Solange das Virus zirkuliert, werden Politik und Wirtschaft im Krisenmodus verbleiben. Es gibt nur einen Weg zurück in die Normalität. Wir müssen die Pandemie endlich besiegen. Dabei helfen weder Konjunkturpakete noch eine straffere Geldpolitik oder protektionistische Diskussionen. Sondern nur eines: unsere Vernunft.