Seit einem Jahr tobt in Deutschland die Inflation, und mancher Vermieter in Berlin fragt sich nun: Habe ich meine schöne möblierte Wohnung in Prenzlauer Berg damals vor ein paar Jahren nicht zu günstig vergeben? Soll ich den Mietvertrag kündigen und im neuen eine höhere Miete einfordern, mit Konditionen, die die Inflation besser ausgleichen?
Ein Mieter aus Berlin berichtet der Berliner Zeitung, wie sein Vermieter ihm nach zwei Jahren Mietverhältnis (keine Indexmiete) einen komplett neuen Mietvertrag für eine möblierte Wohnung anbietet.
Der neue Vertrag ist allerdings nur auf zwei Jahre befristet, weil der Vermieter die Wohnung dann „wahrscheinlich verkaufen“ möchte, die Miete wird um mehr als zwei Inflationsraten erhöht, die neue Kündigungsfrist des Mieters muss sechs Monate betragen. Alles rechtens? Die andere Mieterin beschwert sich, dass sie nicht mehr weiß, welche Rechte sie bei einer möblierten Wohnung noch hat. Solche Sorgen der Mieter steigen auch mit der Statistik. Eine Untersuchung des Online-Portals Immoscout kam Anfang des Jahres zu dem unglaublichen Ergebnis: In der Hauptstadt gibt es mehr möblierte als unmöblierte Wohnungsangebote. Doch was ist am Ende erlaubt und was müssen Mieterinnen und Mieter auf keinen Fall hinnehmen?
Mietwohnung in Berlin: Wann darf mein Vermieter den Vertrag kündigen?
Es wird öfter erklärt: In Deutschland muss niemand in ständiger Angst leben, morgen grundlos gekündigt zu werden und auf der Straße zu sitzen. Doch wann darf der Vermieter den Mietvertrag einseitig kündigen? Laut dem Deutschen Mieterbund kann grundsätzlich gekündigt werden, wenn der Mieter mit mehr als einer Monatsmiete im Verzug ist. Zudem kann ein Mietverhältnis einseitig aufgekündigt werden, „sollte sich die Vertragspartei (der Mieter) grob vertragswidrig verhalten“, sagt die Berliner Rechtsanwältin für Miet- und Wohneigentumsangelegenheiten, Susanna Hertzberg, der Berliner Zeitung. Dies könne beispielsweise beim mehrfachem Verstoß gegen die Hausregeln der Fall sein, aber auch die unerlaubte Untervermietung oder Überlassung der Wohnung an Dritte, betont Hertzberg.
Die in vielen deutschen Städten zunehmende und wohl bekannteste Form der Kündigung ist die Eigenbedarfskündigung. Dabei beansprucht der Vermieter die (gesamte) Wohnung zu Wohnzwecken für sich selbst oder für eine zu seinem Haushalt gehörende Person, z.B. eine Pflegekraft oder einen Familienangehörigen. „Der Bereich der Personen, für die ein Vermieter Eigenbedarf anmelden kann, ist ähnlich wie beim Erbrecht definiert“, sagt Rechtsexpertin Hertzberg. „Wenn ein Mietvertrag auf mehrere Personen läuft und eine Partei auszieht, kann ein Vermieter zudem auch einen neuen Vertrag mit ungünstigeren Konditionen auflegen“, warnt die Rechtsexpertin.
Welche Kündigungsfristen sind rechtens?
Will ein Vermieter einem Mieter kündigen, gelten folgende Kündigungsfristen: Bei unbefristeten Verträgen sind die Kündigungsfristen des Vermieters gestaffelt. Sie betragen bis zu einer Wohndauer des Mieters von fünf Jahren drei Monate, ab fünf Jahren sechs Monate und ab acht Jahren neun Monate. Der Mieter selbst kann immer mit einer Frist von drei Monaten kündigen – unabhängig davon, wie lange er schon in der Wohnung wohnt.
„Bei befristeten Verträgen gibt es dagegen keine Kündigungsfrist. Die Kündigung eines befristeten Mietvertrags ist nur zum Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit oder aber mit einer außerordentlichen Kündigung, wenn die entsprechenden Gründe dafür vorliegen, möglich“, sagt Rechtsanwältin Hertzberg. Eine dieser Möglichkeiten sei ein einvernehmlicher Aufhebungsvertrag, so die Rechtsexpertin weiter.
Wohnungslage Berlin: Kündigen aufgrund der Inflation?
Darf der Vermieter aus heiterem Himmel einen geltenden Vertrag kündigen und einen neuen, befristeten und deutlich teureren anbieten?
Ist der geltende Vertrag unbefristet, heißt die beruhigende Antwort: Nein! „Ein Vermieter kann grundsätzlich nur aufgrund der gesetzlich festgeschriebenen Kündigungsgründe (siehe oben) eine Wohnung kündigen.“ Allein der Umstand, dass es sich um einen alten, unbefristeten und gegebenenfalls für den Vermieter nicht mehr lukrativen Vertrag handele, rechtfertige keine Kündigung eines unbefristeten Mietvertrages, erklärt Hertzberg. Eine Kündigungsmöglichkeit aufgrund von „Inflation“ bestehe nicht. Es gebe lediglich den Kündigungsgrund der „wirtschaftlichen Verwertung.“ Das heißt, dass der Vermieter kündigen kann, wenn dieser an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Wohnung gehindert ist. „Ein solcher Grund ist z.B. gegeben, wenn der Vermieter das Gebäude grundlegend sanieren, abreißen oder aber auch verkaufen will“, so die Juristin. Eine Kündigung aufgrund der derzeit schlechten wirtschaftlichen Situation sei nicht möglich. „Insoweit müsste der Mieter der Forderung nach Abschluss neuer Konditionen widersprechen und an seinem alten Mietvertrag, soweit dieser nicht befristet ist, festhalten“, rät Hertzberg.
Der Deutsche Mieterbund sieht das ähnlich und empfiehlt, eine solche Kündigung nicht zu akzeptieren, da sie „ohne Grund in der Regel unwirksam“ sei.

Der Mieter, mit dem die Berliner Zeitung gesprochen hat, klagt genau über einen solchen Fall. Wer stattdessen einen befristeten Vertrag hat, hat leider Pech. Der Berliner Zeitung sind auch Fälle bekannt, in denen befristete Verträge sich anders als früher vereinbart nicht automatisch zu den festgelegten Konditionen verlängern, sofern keine Kündigung vorliegt, sondern vom Vermieter ebenfalls gekündigt werden. Stattdessen wird ein ganz neuer Vertrag zu anderen, aus der Mietersicht schlechteren Konditionen angeboten. Den Mietern bleibt offenbar nichts anderes, als diesen Vertrag zu akzeptieren oder abzulehnen.
Darf mein Vermieter die Miete oder die Nebenkosten wegen der Inflation erhöhen?
Die nächste Frage: Wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag nicht grundlos oder wegen der Inflation kündigen kann, darf er dann die Miete erhöhen? Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu wissen, wann ein Vermieter überhaupt berechtigt ist, die Miete zu erhöhen. „Dafür gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Handvoll Möglichkeiten“, erklärt ein Sprecher des Deutschen Mieterbundes. Das seien zum einen freiwillige Vereinbarungen, die Mieter und Vermieter gemeinsam treffen können.
Eine weitere Möglichkeit für Vermieter, die Miete zu erhöhen, ist bei einem befristeten oder unbefristeten Standardmietvertrag die Anpassung an den Mietspiegel (Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 558 Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete): „Der Vermieter kann verlangen, dass die Miete innerhalb von drei Jahren um 15 bis 20 Prozent erhöht wird, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete noch nicht erreicht ist“, erinnert der Mieterbund. „Mieter können auf einer von der Stadt Berlin zur Verfügung gestellten Seite prüfen, wie hoch der Mietspiegel in ihrer Umgebung ist und ob eine Anpassung an die Vergleichsmiete gerechtfertigt ist“, gibt Mietrechtlerin Susanna Hertzberg als Tipp mit auf den Weg.
Weitere Erhöhungen können sich aus anderen Vertragsgestaltungen ergeben. Zum Beispiel bei einer Staffelmiete. Hier wird im Vertrag genau festgelegt, in welchem Jahr die Miete um wie viel teurer wird. Das kann ein absoluter Betrag oder ein Prozentsatz sein. Die letzte Möglichkeit der Mieterhöhung ist die Indexmiete. Hier wird die Miete an die Inflation, also an den Anstieg des Verbraucherpreisindex gekoppelt. Die Indexmiete muss aber bereits im Vertrag als solche festgelegt werden, was bei unserem betroffenen Gesprächspartner nicht der Fall ist.
Müssen also Mieter, die in ihrem Mietvertrag keiner Indexmiete zugestimmt haben, befürchten, dass ihr Vermieter die gestiegenen Kosten zum Anlass nimmt, die Miete zu erhöhen? Indirekt leider schon. „Mit einem normalen Mietvertrag oder auch einem Staffelmietvertrag sind zwar Mieterhöhungen aufgrund der Inflation unzulässig, aber auch die hohen Indexmieten fließen in die Mietspiegel ein und treiben so perspektivisch alle Mieten nach oben“, sagt der Deutsche Mieterbund.

Aber auch ohne Mieterhöhung können explodierende Betriebskosten und steigende Nebenkostenabrechnungen zu einer Art „Mieterhöhung durch die Hintertür“ werden. Was ist dabei erlaubt? „Grundsätzlich dürfen Vermieter steigende Betriebskosten auf den Mieter umlegen, allerdings nur in einem bestimmten Rahmen“, sagt Mietrechtsexpertin Hertzberg. Betriebskostenerhöhungen um 100 Prozent und mehr, wie sie nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine teilweise vorgenommen wurden, „sind nicht angemessen“, sagt die Juristin.
Inflation: Wie können sich Mieter gegen Mieterhöhungen wehren?
Wenn der Mieter im Vorhinein einer Indexmiete zugestimmt hat, muss er diese leider auch hinnehmen, und zwar in der Höhe der offiziellen Inflationsrate für jedes Mietjahr. „Wer eine Indexmieterhöhung bekommt, hat leider kaum eine Chance, dass da etwas nicht stimmt, und ist verpflichtet, die erhöhte Miete zu zahlen“, kommentiert der Deutsche Mieterbund. Ähnlich sieht es bei der Staffelmiete aus.
Der Mieter hätte allerdings mehr Chancen bei einer Vergleichsmieterhöhung, da diese begründet werden müsse. Der örtliche Mietspiegel regele das auch. Hier müsse die Wohnung in das richtige Mietspiegelfeld eingeordnet werden, und es gebe verschiedene „wohnwertmindernde“ und „wohnwerterhöhende“ Merkmale der Wohnung. „Das muss alles richtig berechnet werden, und es kann Spielraum beispielsweise durch eine falsche Einordnung in den Mietspiegel oder durch die Nichtberücksichtigung wohnwertmindernder Merkmale geben. So kann der Mieter in einigen Fällen eine vom Vermieter angestrebte Mieterhöhung abmildern“, empfiehlt der Mieterbund.
Das Angebot an möblierten Wohnungen nimmt zu
Ist die Wohnung dazu noch möbliert, kann das die Kommunikation mit dem Vermieter deutlich erschweren. „Berlin hat sich als Sonderfall herausgestellt, da hier der Anteil der möblierten Wohnungsangebote am höchsten unter den Metropolen war,“ sagt eine Immoscout-Sprecherin der Berliner Zeitung. In der Hauptstadt sei der Anteil möblierter Wohnungen von 13 Prozent im vierten Quartal 2018 auf 51 Prozent im vierten Quartal 2022 gesprungen. 32,28 Euro pro Quadratmeter kostet demnach eine möblierte Wohnung in Berlin im Schnitt. Zum Vergleich: 2018 waren es noch schlappe 17,79 Euro.
Doch wenn Mieter keine andere Wahl haben, als in eine möblierte Wohnung zu ziehen, worauf sollten sie achten? „Erstens, in welchem Zustand sich die Möbel befinden, und zweitens, ob die Höhe des Möblierungszuschlags rechtmäßig erscheint“, sagt Juristin Hertzberg. Zudem sei es ein weitverbreiteter Irrglaube, dass möblierte Wohnungen von der Mietpreisbremse ausgenommen seien. „Das ist falsch! Auch eine möblierte Wohnung unterliegt den Regelungen der Mietpreisbremse und allen anderen Mieterschutzrechten“, so die Berliner Mietrechtlerin. Auch der Deutsche Mieterbund widerspricht diesem hartnäckigen Irrglauben und stellt klar: „Die Mietpreisbremse gilt auch für möblierten Wohnraum“. Es gebe allerdings auch hier einige Ausnahmen. „Wenn eine Wohnung umfassend saniert wurde oder es sich um eine möblierte Wohnung in einem Neubau (ab 2014) handelt, greift keine Mietpreisbremse“, so Rechtsexpertin Hertzberg.
Immer mehr befristete Mietverträge in Berlin?
Eine möblierte Wohnung geht für viele Mieter einher mit einem befristeten Mietvertrag und damit der Angst, die eigenen vier Wände jederzeit wieder verlassen zu müssen. Wie bei den möblierten Wohnungen nimmt auch hier die gefühlte Anzahl zu. Die Datenlage ist jedoch sehr schlecht. Nach einer Einschätzung der Juristin Hertzberg haben sie in den letzten 20 Jahren jedoch sehr wohl zugenommen.

„Dies resultiert sicher auch daraus, dass die Wohnsituation in Berlin ausgesprochen angespannt ist und nicht abzusehen ist, welche Regelungen in Zukunft im Hinblick auf die Miethöhe getroffen werden“, so die Juristin. Auch deshalb wollten sich Vermieter die Möglichkeit offen halten, schnell und unkompliziert aus einem Mietverhältnis herauszukommen.






