Erst am Nachmittag drehte der Aktienkurs der Schweizer Großbank UBS ins Plus: Noch am Morgen hatte die allgemeine Verunsicherung darüber dominiert, was der in der Nacht zum Montag in hektischen Bemühungen gezimmerte „Rettungsplan“ wert sei. Die UBS hatte sich bereit erklärt, ihre letzte Schweizer Mitbewerberin, die Credit Suisse, zu schlucken. Während der offizielle Kaufpreis drei Milliarden Schweizer Franken betrug, ist der reale Kaufpreis negativ: Die Regelung sieht nämlich vor, dass sogenannte AT1-Bondholder einen Totalverlust erleiden – der Bank werden also auf einen Schlag Schulden im Wert von 17 Milliarden US-Dollar erlassen. Die über Nacht enteigneten Inhaber dieser Wertpapiere wollen gegen ihre Enteignung klagen und haben dazu die US-Kanzlei Quinn Emanuel angeheuert. Wir groß die Chancen stehen, ist schwer zu sagen: Das Kleingedruckte der AT1-Bonds ist so gehalten, dass eine Enteignung eigentlich leicht möglich ist. Die Papiere sind sehr spekulativ, weshalb es höhere Zinsen gibt. Allerdings zeichnete sich am Montag ab, dass diese Schuldtitel bei anderen Banken abverkauft wurden. Vor allem die Deutsche Bank und die BNP Paribas standen unter Beobachtung.
Neben den Bondholdern werden auch die Mitarbeiter massive Konsequenzen erleben, die gemeinsame Bank kann nur erfolgreich sein, wenn sie Tausende Mitarbeiter entlässt. Die Schweizer Steuerzahler stehen mit drei Milliarden Franken Garantien im Feuer, die Schweizer Nationalbank und der Bund stellen eine Liquiditätshilfe beziehungsweise eine Ausfallgarantie in der Summe von 200 Milliarden Franken bereit. Die UBS will das ertragreiche Schweizer Kundengeschäft übernehmen und das Investmentbanking der Credit Suisse eindampfen. Mit diesem Konzept könnte sich der Spielraum der neuen Bank für attraktive Finanzwetten erhöhen. Analysten sprechen in diesem Zusammenhang von „Potenzial“, Kritiker vom „moralischen Hasard“, weil die Risiken der neuen Megabank natürlich kaum noch eingeschätzt werden können. Die Credit Suisse teilte am Montag mit, Boni und Löhne würden auch für 2023 ausgezahlt. Die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, erklärte, die EZB werde alles tun, was notwendig sei, um die Finanzstabilität in der Euro-Zone zu erhalten.
Wie sicher ist das globale Finanzsystem?
Der Banken-Crash in der Schweiz wirft die grundsätzliche Frage nach der Sicherheit des globalen Finanzsystems auf. Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, sagte der Berliner Zeitung: „Durch diese Fusion entsteht ein noch größerer Akteur mit entsprechenden Risiken für die Stabilität des Finanzsystems und damit für uns alle.“ Er gehe davon aus, dass die UBS ihrer bisherigen Linie treu bleiben und nicht auf das Investmentbanking setzen werde. „Dennoch haben wir eine noch größere Bank, die erst recht nicht pleitegehen darf“, so Schick. Der frühere Finanzsprecher der Grünen: „Über dieses Problem wollten wir doch eigentlich längst hinweg sein. Es ist ein massives Politikversagen, dass dies nicht der Fall ist.“ Anstatt der AT1-Bonds sollten die Banken sauberes Eigenkapital halten müssen, so Schick: „Hybride Instrumente wie die AT1-Bonds stiften im Notfall nur Verwirrung, weil immer wieder unklar ist, wie diese im Krisenfall behandelt werden.“
Schick sagte weiters in einer Mitteilung: „Die Wochenend-Not-Fusion zeigt, wie instabil die Finanzmärkte sind. Der Druck der Märkte war so groß, dass man sich zu diesem Schritt genötigt sah. Zugleich war der Glaube daran, dass es eine geordnete Abwicklung geben kann, offenbar zu gering. Die Bankentestamente, die eigentlich für den Fall einer Schieflage einen Fahrplan vorsehen, wurden offenbar nicht genutzt.“
Das Scheitern der Credit Suisse sei ein Weckruf, endlich wichtige Finanzmarktreformen durchzusetzen. Das gelte auch für Deutschland. Schick: „Wir müssen aufhören, uns einzureden, dass die Vorgänge in den USA und der Schweiz hierzulande undenkbar wären - das stimmt einfach nicht. Wir brauchen konkrete politische Maßnahmen statt vager Beschwichtigungen.“
Die Politik des Geldes
Der Schweizer Banken-Crash hat auch eine geopolitische Komponente. Ausgelöst wurde der Fall der Credit Suisse durch eine Mitteilung der saudischen Nationalbank, dass sie aus regulatorischen Gründen kein frisches Geld einschießen könne. Das Wall Street Journal berichtete am Montag, eine Gruppe von Investoren habe, angeführt von der saudischen Nationalbank, in letzter Minute versucht, die Credit Suisse zu retten. Die Gruppe, der auch Katar angehören soll, soll ein Angebot für eine Finanzspritze in Höhe von rund fünf Milliarden Dollar unterbreitet haben. Damit wären die Anleihegläubiger der Credit Suisse vollständig geschützt gewesen, so das Journal.
Auch der unabhängige Kapitalmarkt-Experte Hans-Joachim Dübel, der unter anderem die EU-Kommission in der Finanzkrise beraten hat, sieht die Ereignisse in einem größeren Zusammenhang. Er sagte der Berliner Zeitung, die Bankenkrise sei „auf gar keinen Fall ausgestanden“. Dübel: „Solange die Europäer nicht in der Lage oder willens sind, ihre Bankenindustrie vor den Folgen amerikanischer Finanzkriege zu schützen – so, wie sie schon nicht bereit waren, ihre Öl- und Gasinteressen zu schützen –, werden Anleger Europa meiden, weil Investments einfach zu unsicher sind.“ Die Kunden in Asien und im globalen Süden würden sich von Europa abwenden, „weil sie riskieren müssen, dass es ihnen eines Tages wie den Russen ergeht – und sie enteignet werden, nur weil sie den falschen Reisepass haben“. Dübel: „Man muss sich das vorstellen: Da bringt ein chinesischer Unternehmer sein Geld in die Schweiz, weil er zu Hause die KP Chinas im Rücken hat, und plötzlich realisiert er, dass es auch hier ein Enteignungsrisiko gibt.“ Für die Schweiz könne der Untergang der Credit Suisse bedeuten, dass ihr globales Geschäftsmodell an sein Ende gelangt sei.




