Energie

Verheerendes Gutachten: Platzt jetzt Habecks LNG-Traum?

Die von Robert Habeck geplante LNG-Pipeline auf Rügen dürfte nicht genehmigt werden. Sie könnte von Segelbooten beschädigt werden.

Ihm läuft die Zeit weg: Wirtschaftsminister Robert Habeck
Ihm läuft die Zeit weg: Wirtschaftsminister Robert Habeckdpa

Eine Wissenschaftlerin könnte Robert Habecks Pläne, die Insel Rügen zum Umschlagplatz für Flüssigerdgas (LNG) zu machen, in letzter Minute noch stoppen. Bärbel Koppe lehrt Bauingenieurwesen, genauer Wasserbau und Hydromechanik, an der Hochschule Wismar. In einem im Auftrag der Gemeinde Ostseebad Binz erstellten Gutachten kommt die Professorin zu dem Ergebnis, dass „erhebliche wasserbauliche Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens vorliegen“.

Im Wesentlichen sind es zwei Umstände, die das Vorhaben ernsthaft gefährden: Die vom Betreiber Gascade zur Bewilligung eingereichten Unterlagen zum Teilabschnitt „OAL von Lubmin bis KP 26“ weisen laut Gutachten „hinsichtlich der wasserbaulichen Planungen signifikante Lücken, Mängel und Unschlüssigkeiten auf“. Das Hauptproblem aus wasserbaulicher Sicht: „Die geplante Sand-Überdeckungshöhe der Ostsee-Anbindungsleitung OAL von 1,55 m zzgl. 1,0 m Toleranz für Unterhaltungsbaggerungen an Kreuzungspunkten mit Fahrrinnen lässt zukünftige Investitionsbaggerungen für eventuell erforderliche Fahrrinnenvertiefungen nicht zu.“

Außerhalb von Fahrrinnenkreuzungen betrage „die geplante Mindestüberdeckungshöhe lediglich 0,50 Meter, obwohl auch hier eine schifffahrtliche Nutzung besteht und eine entsprechend geringe Überdeckungshöhe eine Sicherheit gegen strukturelle Schäden an der Pipeline bei Ankerwurf nicht gewährleistet.“ Im Klartext: Durch Strömungen und Wind kann es passieren, dass der Sand, in dem die Pipeline vergraben ist, weggespült wird. Dann läge die Gasleitung offen im Wasser, und schon der Anker eines Segelboots könnte sie beschädigen.

Der zweite Grund betrifft den Wasserschutz: Das marine Vorranggebiet Küstenschutz „Prorer Wiek“ soll „durch die Pipeline je nach Trassenvariante gequert bzw. ohne ausreichenden Sicherheitsabstand tangiert werden“. Bärbel Koppe sagt, es handele sich um „ein Gebiet, welches zum Küstenschutz reserviert wurde und in dem weitere Nutzungen – somit auch eine Verlegung einer Pipeline – nicht zugelassen sind“. Der dritte Grund, warum die Pipeline nicht genehmigt werden dürfe: Die Bauzeitenplanung „berücksichtigt nicht die erheblichen Einschränkungen seebaulicher Tätigkeiten in der Sturmsaison ab Herbst“. Der geplante Abschluss der Arbeiten und die Inbetriebnahme der Anlage im Dezember 2023 und somit vor der Ausschlusszeit der Bautätigkeiten während der Heringslaichzeit vom 1. Januar bis 30. April sei unrealistisch.

Die Bewohner der Region, die seit Monaten gegen das Projekt Sturm laufen, erwarten nun, dass das Bergamt Stralsund den Antrag ablehnt. Dort entscheidet nämlich ein Beamter, der bereits 2018 im Planfeststellungsbeschluss für Nord Stream 2 festgestellt hatte, „dass die Nachteile einer Trassenführung über Mukran/Rügen nicht zuletzt aus landesplanerischer Sicht so gravierend sind, dass diese Variante als unzumutbar im Variantenvergleich ausschied“. Das bedeutet: Die jetzt von Gascade eingereichte Trasse entspricht jener, die die Behörde bereits vor fünf Jahre einmal abgelehnt hatte.

Karsten Schneider, Bürgermeister der Gemeinde Ostseebad Binz, sagte der Berliner Zeitung: „Unsere intakte Naturlandschaft sowie die Sicherung einer nachhaltig geführten Tourismuswirtschaft erlauben einfach keine Industrieanlagen. Wir lehnen die LNG-Terminals daher kategorisch ab. Die Politik ist mit ihrem Vorhaben in vielerlei Hinsicht auf einem Irrweg. Das Gutachten belegt eindrucksvoll, dass die Pipeline nicht genehmigungsfähig ist. Wir fordern den Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern auf, das gesamte Vorhaben unverzüglich zu stoppen.“

Insider sagen, dass den ehrgeizigen Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck die Zeit davonlaufe: Wird das Projekt jetzt nicht umgehend begonnen, fällt schon bald die Eilbedürftigkeit weg. Im Winter wird es nämlich wegen der zu Höchstpreisen erworbenen LNG-Optionen keine „Gasmangellage“ geben.

Die Bundesregierung hatte im Zuge der Energiekrise in einer Vorlage für den Haushaltsausschuss für mehrere LNG-Terminals zusätzlich rund 3,1 Milliarden Euro beantragt. Der Haushaltsausschuss gab aber laut dpa nur rund 1,6 Milliarden Euro frei. Für die Vorplanung der Pipeline vor Rügen hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags im März die beachtliche Summe von 240 Millionen Euro freigegeben.

Sollte das von Umweltschützern von Anfang an kritisierte Projekt scheitern, entspräche der Schaden also in etwa jenem, der dem deutschen Steuerzahler durch die ebenfalls unzureichend durchdachte Pkw-Maut des damaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer entstanden war.