Deutschlands größter Gasimporteuer Uniper fürchtet einen kompletten Gasstopp über Nord Stream 1. Bereits seit Mitte Juni bekommt der Konzern rund 60 Prozent weniger Gas aus Russland als geplant, und am Montag geht Nord Stream 1 in die Wartung. Das heißt: Mindestens zehn Tage lang wird garantiert kein Gas nach Deutschland geliefert.
Auf der Pressekonferenz am Freitag erläuterte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach sichtlich angespannt die Lage. Man habe bei der Bundesregierung einen Antrag auf Stabilisierungsmaßnahmen gestellt, sagte Maubach, was im Notfall auch eine Staatsbeteiligung am Unternehmen ermöglicht.
Preiserhöhungen noch gar nicht richtig angekommen?
Doch so weit sei es noch nicht. Sollte die Bundesregierung aber eines Tages eine erhebliche Reduktion der Gasmengen feststellen, würde einer der vorhandenen Mechanismen alternativ nach Paragraf 24 oder Paragraf 26 des angepassten Energiegesetzes greifen sowie nach Paragraf 29. Im letzten Fall könnte Uniper mit Kapital- und strukturellen Unterstützungsmaßnahmen des Bundes rechnen. Höhere Beschaffungskosten würden so oder so an die Kunden weitergegeben – die Frage ist nur, wie bald und wie hoch diese sein werden.
„Was kommt auf die Verbraucher zu?“, fragte Maubach rhetorisch. Man beliefere die Kunden heute zu Preisen, die man noch 2020 oder 2021 vereinbart habe, denn man schließe die Verträge nicht im letzten Moment ab. Und damals seien die Preise deutlich niedriger gewesen.
Eine extreme Preiswelle rollt auf Deutschland zu
„Viele Kunden sehen diese extrem hohen Handelspreise auf den Märkten noch gar nicht auf ihren Rechnungen. Es kommt eine sehr, sehr große Preiswelle auf deutsche Verbraucher zu und das müssen wir immer wieder betonen.“ Derzeit bediene Uniper „alle unsere Kunden mit den Mengen, die sie bei uns bestellt haben“, so Maubach auf die Frage der Berliner Zeitung zum größten Berliner Gasversorger und Uniper-Kunden Gasag.

„Ich habe Gazprom auch nach Ausbruch des Krieges verteidigt“
Im Grunde genommen gibt der Uniper-Chef das wieder, was auch der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller sagt: Man wisse noch nicht, wie schlimm es wird. Derzeit gleiche man die fehlenden Mengen aus Russland mit Lieferungen aus Norwegen und den Niederlanden aus, aber beim kompletten Gasstopp durch Russland wäre man in einer neuen Situation. Um die zu verhindern, will Maubach den russischen Staatskonzern bei der Ehre packen.
„Der Vertragsbruch von Gazprom ist eine der großen Enttäuschungen, die ich hier erlebe“, sagt der Uniper-Chef. „Ich habe auch nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges Gazprom als zuverlässigen Lieferanten hier in Deutschland verteidigt. Wir haben Lieferbeziehungen seit mehr als 50 Jahren. Wir hatten schwierige Zeiten, aber unser russischer Partner hat immer Gas geliefert, und wir haben es pünktlich bezahlt.“ Der Gazprom-Chef Alexei Miller wisse auch über seine Enttäuschung, denn es sei „eine große Belastung für unsere Lieferbeziehung“.
Deswegen gibt der Uniper-Chef nach eigenen Worten die Hoffnung nicht auf, dass nach dem Wartungsfenster, wenn technische Probleme gelöst worden sind, sich „alles wieder auf ein altes Niveau einpendelt“, und dass seine Enttäuschung nur von kurzer Dauer ist.
„Dieses Unternehmen ist ein Weltkonzern. Dieses Unternehmen will in einer Reihe stehen mit ExxonMobil, Saudi Aramco und Qatargas. Und dieses Unternehmen kann mir nicht erklären, warum nach drei Wochen mittlerweile eine einzige Turbine tatsächlich dazu führt, dass über Nord Stream 1 nur noch 40 Prozent der ursprünglichen Mengen ankommt. Das ist für einen Weltkonzern, der großen Wert darauf gelegt hat, ein hochzuverlässiger Lieferant von Erdgas zu sein, nicht plausibel.“



