Die neuen Inflationszahlen vom Statistischen Bundesamt sind düster. Erstmals seit 1950 ist die Inflationsrate zweistellig. Energie ist 44 Prozent teurer als vor einem Jahr. Wer heute einen neuen Gasvertrag abschließt, zahlt 35 Cent pro Kilowattstunde – siebenmal mehr als vor einem Jahr! Beim Strom sind es 56 Cent pro Kilowattstunde – doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Ein Paket Butter bekommt man im Supermarkt nicht mehr für unter zwei Euro, die Regel sind Preise über drei Euro. Lebensmittel kosten fast 20 Prozent mehr als vor einem Jahr. Der Grund: Die Produktion, Lagerung, Kühlung und Lieferung kosten viel Energie.
Erfolgreiche Inflationssenker werden vermisst
Allein im Vergleich zum August sind die Preise um zwei Prozent gestiegen. Das ist sonst das Inflationsziel für ein ganzes Jahr. Der Grund für den Inflationssprung: Der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket sind ausgelaufen. Benzin-Tanken kostet wieder 35 Cent mehr, Busfahren je nach Tarif sogar bis zu 100 Euro mehr im Monat. Da Verkehrsminister Volker Wissing kein Nachfolge-Ticket organisiert hat, ging es aus dem 9-Euro-Paradies zurück in den teuren Tarifdschungel. Spätestens jetzt ist klar: Der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket waren erfolgreiche Inflationssenker und werden schmerzlich vermisst.
Dafür sollen bald neue Inflationssenker kommen. Die Ampel trickst 200 Milliarden Euro an der Schuldenbremse vorbei, um einen „Abwehrschirm“ zu spannen. Darin sind unter anderem eine Strom- und Gaspreisbremse enthalten. Damit sollen unsere Nebenkosten staatlich subventioniert werden, zumindest der Grundverbrauch.

Wie viel Haushalte dadurch sparen, ist allerdings noch nicht klar. Der Abwehrschirm bleibt ein hohles Versprechen ohne Details. Die müssen noch zwischen Ampel und EU sowie zwischen Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner verhandelt werden. Aber keine falschen Hoffnungen machen: Deutlich teurer als letztes Jahr wird es so oder so. Denn Finanzminister Lindner will eigentlich gar keine Schulden machen, und Wirtschaftsminister Habeck sieht hohe Preise als wichtigen Anreiz zum Gassparen. Was das bedeutet: Die 35 Milliarden schwere Gasumlage wurde in letzter Sekunde zwar gestoppt, aber auch eine echte Bremsspur wird die Gaspreisbremse eher nicht ziehen.
Die Gasspeicher sind zwar voll, aber für einen langen kalten Winter nicht gewappnet. Deshalb hat der Chef der Bundesnetzagentur und Grünen-Mitglied, Klaus Müller, ein Auge auf unser Heizverhalten. Was das tägliche Update der Corona-Zahlen im letzten Winter war, scheint der Gasverbrauch in diesem Winter zu werden. Mit erhobenem Zeigefinger mahnte Müller, letzte Woche sei zu viel Gas verbraucht worden: „So wie es letzte Woche war, kann und darf es nicht weitergehen.“ Was Müller nicht erwähnt: Die vergangene Woche war deutlich kälter als sonst. Letztes Jahr um diese Zeit waren es in Berlin noch über 20 Grad!

Wann hören die Teuerungen auf?
Die schlechte Nachricht: noch nicht. Der kommende Winter wird ein Teuer-Winter. Noch haben viele Gas- und Stromversorger ihre höheren Beschaffungspreise nicht an die Kunden weitergegeben, das passiert erst noch in den kommenden Monaten und wird auch von den Preisbremsen der Ampel nicht verhindert. Zudem fressen sich die teuren Energiepreise erst nach und nach durch andere Teile der Wirtschaft und kommen immer stärker auch beim Friseur und beim Kinobetreiber an.
Die gute Nachricht: Die Preise werden wieder sinken, je eher Deutschland vom teuren Putin-Gas unabhängig wird. Genau das hat die Ampel in der Hand. Die hohe Inflationsrate ist ja nur das Symptom für das eigentliche Problem: zu wenig alternative Energie. So wie das Fieber vergeht, wenn die Erkältung überstanden ist, wird auch die hohe Inflationsrate verschwinden, wenn die Energiekrise überstanden ist. Die neue Normalität, von der Lindner spricht, wird jedoch teurer sein als vorher.
Für die Energiekrise müssen Handwerker mobilisiert werden
Dafür braucht es einen Turbo beim Ausbau von Wind- und Solarkraft, beim Bau von LNG-Terminals, beim Bau der Midcat-Pipeline von Spanien nach Deutschland und bei der energetischen Gebäudesanierung. Daraus könnte ein neues Jobwunder werden, denn Ingenieure, Heizungsbauer und Monteure werden sich vor Aufträgen kaum retten können.



