Geschlecht und Sprache

Gender-Blödsinn im ZDF: „Fritz, bist du ein Junge oder ein Mädchen?“

Welche Probleme wir mit dem Thema Geschlecht und Identität haben, zeigt eine recht einseitige ZDF-Reportage. Wird unser Geld hier richtig ausgegeben? Ein Kommentar.

Das sind Fritz, Fritz und Fritz – Identität offen.
Das sind Fritz, Fritz und Fritz – Identität offen.Panthermedia/imago

„Ich wurde mit einem Penis geboren, aber heißt das auch, dass ich ein Mann bin?“ – Ja!, hätte man noch bis vor ein paar Jahren gesagt. Die aktuelle „Reportagedoku“ des ZDF stellt das aber infrage und wirbelt damit ganz schön Staub auf. Schön, dass unsere Rundfunkgebühren immerhin für aktuelle Themen ausgegeben werden und nicht nur fürs „Traumschiff“.

Ich bin eigentlich ein toleranter Mensch, aber seitdem die Verwirrung um das Geschlecht – ob Frau, Mann oder nicht-binär – in unserer Gesellschaft heftig debattiert wird, stößt meine Toleranz an ihre Grenzen. Die doch sehr einseitige Reportage von „Terra Xplore“ geht für meinen Geschmack zu weit.

„Fritz, bist du ein Junge oder ein Mädchen“, fragt der Psychologe Leon Windscheid ein Kind, das wohl nach Namen als nach seinem Aussehen recht eindeutig ein Junge ist.

Dieser antwortet prompt: „Ein Junge.“ Aber Windscheid fragt hartnäckig: „Bist du dir sicher?“ Ohne die Antwort abzuwarten, wird eine Szene eingespielt. Das Kind wird in der Sendung kein weiteres Mal vorkommen. 

Sollte Windscheid als Psychologe nicht genau wissen, dass ein solches Nachhaken vor allem die Kinder verunsichern kann? Vor ein paar Wochen unterhielt ich mich mit der Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Stiftung Frauen- und Geschlechterforschung, Waltraud Dumont du Voitel. In dem Gespräch ging es zwar primär um das Menstruationsgesetz in Spanien, jedoch thematisierten wir auch das dortige Gendergesetz.

Mit dem spanischen Gesetz zur freien Geschlechtswahl, das im Februar dieses Jahres verabschiedet wurde, ist die Geschlechtsänderung früher möglich als bisher. Demnach können auch schon Kinder ab zwölf Jahren ihre Geschlechtsidentität offiziell ändern lassen. Welche Auswirkung das hat, verdeutlicht die Geschlechterforscherin Dumont du Voitel: „Schulkinder stellen ihr Geschlecht vermehrt infrage, weil sie mit Informationen überflutet werden, für die sie noch gar nicht reif genug sind“, sagte sie. Die Thematik sei sehr bedenklich und erzeuge den Eindruck, einfach nur aktuell sehr in Mode zu sein. Das verunsichere die Schüler. Das würde erklären, dass der kleine Junge aus der ZDF-Reportage die Antwort auf die Frage nach seinem Geschlecht schuldig blieb – das Kind könnte schlichtweg überfordert gewesen sein.

Feminismus: Durch den Geschlechtertrend in den Hintergrund gestellt?

Weiter stellt der Psychologe Windscheid in den Raum, dass in den Hinterköpfen der Menschen noch viele Vorurteile existierten. Direkt im Anschluss wird eine Passantin mittleren Alters gezeigt. Sie sagt: „Meine Generation hat sich eher mit Homosexualität, Geschlechterrollen und dem Kampf für Freiheiten für Frauen beschäftigt.“ Aufgrund dessen sieht sie es kritisch, wenn man sich sein Geschlecht jeden Tag neu aussuchen könnte und sich nicht festlegen muss.

Windscheid lässt ihre Äußerung unkommentiert, folgt aber prompt mit der Frage: „Wo ist das Problem?“ Als hätte sie das nicht gerade angedeutet. Die Passantin antwortet ruhig: „Ich finde schon, dass es ein biologisches Geschlecht gibt.“ Auch darauf geht der Reporter nicht ein, kommt aber gleich mit der nächsten Frage um die Ecke. „Geschlecht ist ein Gefühl – was ist für dich die Antwort?“, fragt er und die Frau entgegnet: „Nö, finde ich nicht.“

Wie einseitig die Dokumentation ist, zeigt sich unter anderem dadurch, dass „Terra Xplore“ gar nicht auf ihre durchaus nachvollziehbaren Antworten eingeht und als Aufhänger der Szene die „Vorurteile in den Hinterköpfen“ dienen. Als dann die sehr junge Tochter der Passantin dem Reporter und Psychologin zustimmt, dass das Geschlecht ein Gefühl sei, zeigt er doch recht heiter mit dem Zeigefinger auf die Mutter und fordert ein erneutes Statement von ihr. Diese lässt sich aber nicht aus dem Konzept bringen: „Wenn das so aufgefächert wird in noch mehr Fühlgeschlechter, dann untergräbt das zum Teil den Feminismus.“

Wahnsinn: Von der Geschlechtswahl bis hin zum Gendern

Mich beschäftigt zudem mittlerweile ebenfalls mitunter die Frage, ob ich eigentlich gendern muss, um von der Gesellschaft in Berlin akzeptiert zu werden? Mich erschreckt beispielsweise wie diese angeblich geschlechtergerechte Sprache unseren Wortschatz deformiert: Liebe Leser:innen, Leser*innen oder Leser und Leserinnen, wie schnell lässt sich ein_e Bürger_in in seinem/ihrem Sprachgebrauch beeinflussen? 

Und warum sage ich „angeblich geschlechtergerecht“? Weil viele Menschen den Glottisschlag im Alltag gar nicht mitsprechen. So sagt man dann nicht mehr Ärzt_innen, sondern Ärztinnen. Wo bleibt da aber der männliche Titel? Darf ich den jetzt einfach untergraben? Ist es akzeptabel, dass der Arzt jetzt quasi zum Ärzt wird?

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