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G20-Gipfel: Der Westen verliert an Boden

Neue Kredite von Weltbank und IWF sollen ein Gegengewicht zu Chinas Dominanz im globalen Süden schaffen. 

Auch Olaf Scholz war beim G20-Gipfel anwesend. 
Auch Olaf Scholz war beim G20-Gipfel anwesend. POOL

Die Staats- und Regierungschefs der G20 haben bei ihrem zweitägigen Gipfeltreffen im indischen Neu-Delhi am Sonntag bekannt gegeben, dass sie die Rolle der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) ausbauen wollen, um Schwellenländern und ärmeren Längeren größere Kreditvolumina anbieten zu können. Die Länder reagieren damit auf die neuen, außerhalb der G20 agierenden Entwicklungsbanken wie der New Development Bank (NDB) und der asiatischen Investmentbank AIIB. Besonders aber soll die direkte bilaterale Kreditvergabe Chinas an Länder des „globalen Südens“ eingedämmt werden. Der Gipfel beschloss daher die Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) gleich zu Gipfelbeginn als vollwertiges Mitglied der G20. Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen. Der indische Premierminister Narendra Modi hatte den Gipfel unter das Motto gestellt: „One Earth, one Family, one Future“ („Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft“) und bezeichnete Indien als Anwalt der ärmeren Staaten in der Welt.

Der Gipfel kämpft sichtlich gegen einen Bedeutungsverlust angesichts neuer Organisationen wie der BRICS oder der Shanghai Cooperation Organization (SCO). Beide werden von China dominiert, das seit einiger Zeit versucht, sich als Sprecher des globalen Südens zu positionieren. Die aufstrebenden Länder wollen in allen internationalen Organisationen mehr Mitsprache. Das Problem bei Weltbank und IWF: Bisher haben die diese Organisationen dominierenden Amerikaner jede Abgabe von Macht abgelehnt, auch wenn Vorschläge zur Reform wie diesmal von der Europäischen Union (EU) kamen.

Der Bedeutungsverlust wurde zu Beginn und zum Ende des Gipfels manifest. So hatte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping seine Teilnahme abgesagt, ebenso wie der russische Präsident Wladimir Putin. Putin ließ sich von Außenminister Sergej Lawrow vertreten, Xi schickte Regierungschef Li Qiang. Doch die schließlich beschlossene Abschlusserklärung, die nur vom „Krieg in der Ukraine“ sprach, ohne eine direkte Kritik an Russland oder gar die Verurteilung des Angriffskrieges zeigt, dass der Westen zu Kompromissen mit dem Rest der Welt wird leben müssen. Bereits am Samstag hatte Modi die Einigung auf eine gemeinsame Erklärung verkündet. Darin hieß es wörtlich, „alle Länder“ sollten auf den „Einsatz von Gewalt“ zur Erzielung von „Geländegewinnen“ verzichten. Lawrow wertete den Gipfel denn auch prompt als diplomatischen „Erfolg“. Moskau habe „die Versuche des Westens, die Themensetzung des Gipfels zu ‚ukrainisieren‘“, verhindert, sagte er laut AFP. In der gemeinsamen Abschlusserklärung werde Russland „überhaupt nicht erwähnt“. Kiew reagierte mit deutlicher Kritik: Die Staatengruppe habe im Hinblick auf den Ukraine-Krieg nichts beschlossen, „worauf sie stolz sein kann“, erklärte Außenministeriumssprcher Oleg Nikolenko. Die Ukraine sei aber den Partnern dankbar, die wenigstens versucht hätten, „starke Formulierungen in den Text aufzunehmen“.

Auch beim Klimaschutz blieb die Abschlusserklärung zurückhaltend. Sie enthielt keine Forderung nach dem Ende der Nutzung fossiler Energien – obwohl eine Einigung auf den Ausstieg als zentrale Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Ende November beginnenden UN-Weltklimakonferenz (COP28) gilt. Die G20 konnten sich lediglich auf eine Verdreifachung der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen bis 2030 einigen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Einigungen der G20 zum Klimaschutz als „ungenügend“. „Wir müssen alle sehr schnell und viel schneller als heute aus der Kohle aussteigen“, mahnte er.

Am Rande des Gipfeltreffens einigten sich die USA, Saudi-Arabien, die EU, die Vereinigten Arabischen Emirate und Indien auf einen umfassenden Handelskorridor, der Europa mit dem Nahen Osten und Indien verbinden soll. (mit AFP und dpa)