Ukraine-Krieg

Energieministerium in Kiew: Ukraine will mehr russisches Gas nach Europa liefern

Die Ukraine kritisiert Kanada für die Rückgabe der Nord Stream 1-Turbine und will selbst mehr russisches Gas nach Europa liefern. Passt das zusammen?

Ukrainisches Gastransportsystem
Ukrainisches GastransportsystemEnergiekonzern Naftogaz / Open Sources

Das Land steht mitten im Krieg, unterstützt jedoch grundsätzlich die Idee, mehr russisches Gas nach Europa zu transportieren – und Nord Stream 1 am besten komplett zu ersetzen. Das geht aus einer Antwort des ukrainischen Energieministeriums auf eine Anfrage der Berliner Zeitung hervor.

„Die Ukraine kann Nord Stream 1 vollständig ersetzen“, so die Sprecherin des Ministeriums Hanna Dudka. Derzeit liefere Gazprom nur rund 41 Millionen Kubikmeter Gas täglich über die Ukraine, aber es könnten im Rahmen des bis Ende 2024 laufenden Transitvertrages wenigstens weitere 67 Millionen Kubikmeter Gas täglich sein. Über den Vertrag hinaus könnte die Ukraine sogar weitere 135 Millionen Kubikmeter russisches Gas nach Europa liefern, falls die EU-Länder es bräuchten, kommentiert das Ministerium.

Das entspricht den allgemeinen Transitkapazitäten der Gasmessstation Suzhda an der russischen Grenze zur Westukraine, wie der ukrainische Gasnetzbetreiber zuvor der Berliner Zeitung bestätigte. Die Lieferungen über den Eingangspunkt Sokhranivka in der Ostukraine hatte Kiew kriegsbedingt bereits im Mai gestoppt und lehnt die Buchungen dieser Kapazitäten durch Gazprom immer wieder ab.

Ukraine möchte der EU eigenen Gasspeicher bereitstellen

„Die Transitkapazitäten des ukrainischen Gasnetzes ermöglichen den Transport der gesamten erforderlichen Gasmenge in die EU“, legt die Sprecherin Hanna Dudka nach. Ihre Regierung lehnt die Auslieferung der Nord-Stream-1-Turbine durch Kanada nach Deutschland ab, ein ukrainischer Verband verklagt Kanada deswegen sogar vor dem Bundesgerichtshof.

„Gazprom hat die Möglichkeit, die Gaslieferungen nach Europa über die ukrainische Route zu erhöhen, wodurch der Mangel an Gastransitmengen gedeckt werden könnte. Gleichzeitig weigert sich Gazprom, die bezahlten Kapazitäten der ukrainischen Gasnetze zu nutzen“, kritisiert die Ministeriumssprecherin Dudka. Russland könnte die Gasversorgung der EU ununterbrochen fortsetzen und sollte die bereits bezahlte Transitkapazität durch die Ukraine nutzen. „Außerdem ist die Ukraine bereit, ukrainische Gasspeicheranlagen bereitzustellen, um Gasreserven europäischer Länder zu speichern und die Energiesicherheit Europas damit zu gewährleisten“, so Dudka.

Von der Idee der Unabhängigkeit von russischem Gas, die die EU angestrebt hat und Kiew befürwortet, bliebe dann allerdings nicht viel. Denn Gazprom könnte so weiterhin Geld für die Exporte nach Europa einnehmen und den russischen Staatshaushalt stützen. Aber auch die Ukraine hätte ihre Transiteinnahmen so gut wie gesichert – trotz des Kriegs.