Arbeitsschutz

Ende der Homeoffice-Pflicht: Muss ich jetzt wieder ins Büro?

Die Homeoffice-Pflicht endet. Damit stellt sich für Millionen Arbeitnehmer die Frage, ob sie wieder in den Betrieb müssen. Politisch tobt der Streit darüber.

Das Homeoffice wurde in der Pandemie zum Alltag für Millionen Arbeitnehmer. Doch nicht jeder Arbeitsplatz eignet sich für mobile Arbeit. Wie sinnvoll ein Rechtsanspruch aufs Homeoffice ist, ist politisch umstritten.
Das Homeoffice wurde in der Pandemie zum Alltag für Millionen Arbeitnehmer. Doch nicht jeder Arbeitsplatz eignet sich für mobile Arbeit. Wie sinnvoll ein Rechtsanspruch aufs Homeoffice ist, ist politisch umstritten.imago

Berlin-Das Coronavirus hat Millionen Arbeitnehmer in Deutschland ins Homeoffice gezwungen. Doch damit ist ab Juli theoretisch Schluss – auch wenn die Pandemie noch nicht überwunden ist. Die Pflicht für Unternehmen, wo immer es geht, mobiles Arbeiten anzubieten, ist am Mittwoch ausgelaufen. Die Regelung galt seit Januar und war eine Antwort der Politik auf steigende Infektionszahlen. Mitte April hat bereits knapp jeder zweite Beschäftigte ganz oder überwiegend von zu Hause aus gearbeitet, wie das Bonner Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) ermittelt hat.

Mit dem Ende der Pflicht zum Homeoffice soll sich nun auch das Arbeitsleben wieder normalisieren. Eine Entwicklung, die die Berliner Wirtschaft begrüßt. „Angesichts der weiter sinkenden Inzidenzen ist es richtig, dass die Verpflichtung zum Homeoffice fällt und die Beschäftigten wieder mehr vor Ort arbeiten können“, sagt der Geschäftsführer Wirtschaft und Politik bei der IHK Berlin, Henrik Vagt.

Homeoffice: Corona-Arbeitsschutzverordnung gilt bis September

Dass sich die Büros schon bald wieder bis auf den letzten Platz füllen, ist allerdings unwahrscheinlich. Erst vor einer Woche hat das Bundeskabinett die Corona-Arbeitsschutzverordnung bis zum 10. September verlängert. Arbeitgeber sind weiterhin angehalten, ihre Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten zu lassen – sofern dies möglich ist. Es bleibt außerdem dabei, dass Betriebe ein Hygienekonzept haben müssen, Abstandsregelungen weiterhin gelten und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend ist.

Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass mobiles Arbeiten in vielen Fällen problemlos möglich ist. Auch bei den Unternehmen steigt die Akzeptanz dafür. So hat die IHK in Befragungen ermittelt, dass mehr als 40 Prozent der Berliner Unternehmen das mobile Arbeiten fest in die Unternehmenskultur integrieren wollen. „Da, wo es gut geklappt hat, gehen wir davon aus, dass Homeoffice ein fester Bestandteil der Arbeitsweise bleiben wird“, sagte Vagt der Berliner Zeitung.

Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht. Denn: Beschäftigte haben in Deutschland keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice. SPD, Grüne und Linke wollen dies ändern. Druck kommt auch von den Gewerkschaften. DGB-Chef Reiner Hoffmann hat eine schnelle gesetzliche Nachfolgeregelung für die auslaufende Homeoffice-Pflicht gefordert. „Wir müssen über die Pandemie hinaus die Chancen, die im mobilen Arbeiten liegen, nutzen“, sagte Hoffmann am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“.

Auch Johanna Wenckebach, Leiterin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, sagte der Berliner Zeitung: „Ein Rechtsanspruch auf Homeoffice schafft klare Regeln und kann die Arbeitskultur dadurch positiv verändern – dann nämlich, wenn den Beschäftigten mehr Autonomie zugestanden wird“. Ökologische Aspekte wie der Wegfall der täglichen Pendelei zur Arbeit spielten dabei ebenso eine Rolle. Ein Recht auf Homeoffice, sagt Wenckebach, kann außerdem ein Beitrag im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein.

Homeoffice: Ökonom wirbt für individuelle und betriebliche Vereinbarungen

Allerdings ist unter Experten strittig, ob sich der gewünschte Wandel in der Arbeitswelt gesetzlich verordnen lässt. Das Homeoffice kann zwar in vielen Bereichen eine neue Norm etablieren – es muss aber nicht so sein. „Das ist ein Ausbalancierungsprozess“, sagt Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfeldes Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. So müsse abgewogen werden zwischen betrieblichen Interessen und individuellen Bedürfnissen. Nicht jeder Arbeitsplatz sei für Heimarbeit geeignet. Und nicht jede Tätigkeit lasse sich von überall ausführen. „Es wäre absurd, wenn Arbeitsgerichte darüber im Zweifel entscheiden müssten“, sagte Stettes der Berliner Zeitung. Der Ökonom wirbt für betriebliche und individuelle Vereinbarungen. „Ob es klappt und wie es klappt, entscheidet sich auf der Teamebene“, so der Forscher.

Auch in der Berliner Wirtschaft wird das Thema Rechtsanspruch kritisch gesehen. „Der Kulturwandel ist längst angestoßen“, sagte IHK-Vertreter Henrik Vagt mit Blick auf die steigende Zahl der Betriebe, die mobiles Arbeiten anbieten. Kurzfristig steht eine gesetzliche Regelung zum Homeoffice allerdings ohnehin nicht an. Auf Anfrage der Berliner Zeitung teilte das Bundesarbeitsministerium mit, dass dies ein Projekt für die kommende Legislaturperiode sei. Oder mit anderen Worten: Mit der Union bekommt die SPD den Rechtsanspruch aufs Homeoffice nicht durch.