Berlin-Zum 30. Juni läuft die mit der Bundes-Notbremse beschlossene Homeoffice-Pflicht aus. Arbeitgeber sind der Vorgabe zufolge bis Ende des Monats angehalten, ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Arbeit von zu Hause aus anzubieten, sofern dem keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Absichten, die Pflicht zu verlängern, gibt es nach Auskunft der Bundesregierung nicht – unterdessen keimen unter Arbeitnehmern wie Arbeitgebern aber die Überlegungen, wie es mit dem Arbeiten nach der Pandemie weitergehen soll.
Das geht auch an der Bundesregierung nicht vorbei und so berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aktuell über Regeln am Arbeitsplatz nach der Homeoffice-Pflicht. Das Homeoffice habe einen wichtigen Beitrag zum Infektionsschutz geleistet, sagte eine Sprecherin vor einer Woche. Ihren Angaben zufolge will das Ministerium nun die Corona-Arbeitsschutzverordnung, die Flächen-, Abstands- und Maskenvorgaben für den Arbeitsplatz macht und ebenfalls Ende des Monats auslaufen würde, anpassen und verlängern.
Mobiles Arbeiten ist gewünscht, aber eine andere Führungskultur notwendig
Darüber, wie es den Arbeitnehmern mit dem Homeoffice ging, haben wiederum die Wirtschaftsprüfer Ernst & Young eine Untersuchung vorgelegt, nach der sich eine Mehrzahl der Befragten auch nach der Pandemie wünscht, ortsunabhängig und flexibel zu arbeiten. Für die Studie haben die Wirtschaftsprüfer 1000 Arbeitnehmer im Alter von 20 bis 50 befragt. 90 Prozent der Befragten gaben an, unter den Bedingungen im Homeoffice während der Pandemie sehr zufrieden oder zufrieden zu sein. Ein Zurück zum Status quo vor der Pandemie kommt für die untersuchte Gruppe nicht in Frage: Gut 80 Prozent wollen auch künftig komplett oder zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen. Zu ihren Vorstellungen von der Arbeitswelt der Zukunft im Jahr 2030 erklären 84 Prozent der Befragten nach Auskunft des Beratungsunternehmens: „Ich kann vollkommen ortsunabhängig arbeiten.“ 78 Prozent erwarten, ihre Arbeit zukünftig vollkommen flexibel einteilen zu können.
Das an der Universität St. Gallen ansässige Institut für Führung und Personalmanagement hat in einer Studie im Sommer vergangen Jahres wiederum auch andere Effekte der Heimarbeit festgestellt. Die Wissenschaftler beschreiben darin das Homeoffice zwischen Aufbruchstimmung und Isolation. Für die Studie wurden während der Sommermonate des vergangenen Jahres rund 400 Arbeitnehmer befragt. 81 Prozent der Befragten gaben an, während des virtuellen Arbeitens viele neue Dinge zu lernen und auszuprobieren. Während 79 Prozent der Befragten sagten, mehr zu kommunizieren als zuvor, gaben 42 Prozent zu Bedenken, dass sie sich in der Situation allein gelassen fühlen würden „und über die Maßen belastet“. Insbesondere jüngere und ältere Arbeitnehmer fühlten sich den Ergebnissen der Studie nach abgehängt. 30 Prozent der jüngeren Befragten fühlten sich mit ihrer Arbeit überfordert, 44 Prozent der Älteren hätten mit der Technik gekämpft. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass es für das virtuelle Arbeiten einer neuen Führungskultur bedarf, um diesen Effekten zu begegnen.
Gesetzgeber hinkt hinterher
In die Arbeitswelt übersetzt ist die Idee, auch dauerhaft mobil zu arbeiten, wiewohl lange noch nicht. Bislang haben Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch, aus dem Homeoffice, mobil oder ortsunabhängig zu arbeiten, obwohl CDU und SPD im Koalitionsvertrag 2018 versprochen hatten, sich dem mobilen Arbeiten anzunehmen. Dem folgend hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit dem „Mobile-Arbeit-Gesetz“ im Dezember vergangenen Jahres einen Gesetzesentwurf vorgelegt, Arbeit flexibler zu gestalten. Heils Gesetzesentwurf sah vor, Arbeitnehmern das Recht einzuräumen, an 24 Tagen im Jahr von zu Hause aus arbeiten zu dürfen. Das Kanzleramt kassierte den Entwurf allerdings Anfang diesen Jahres.
„In der späteren Diskussion ist dieser Entwurf modifiziert worden zu einem Antragsrecht des Arbeitnehmers“, sagt Nathalie Oberthür, Rechtsanwältin und Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Demnach müsse der Arbeitgeber nach Antrag seines Mitarbeiters dem Wunsch widersprechen. Ansonsten käme das mobile Arbeiten zustande, so Oberthür.
EU hat bereits Richtlinie zum mobilen Arbeiten vorgelegt
Am Thema kommt die Bundesregierung so oder so nicht vorbei. Die EU hat 2019 eine Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen auf den Weg gebracht, die bis August 2022 ins nationale Recht ihrer Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Diese Richtlinie umfasst unter anderem den Anspruch für europäische Arbeitnehmer, gegenüber ihren Arbeitgebern Arbeitsbedingungen wie zum Beispiel das mobile Arbeiten beantragen zu können. Arbeitgeber sind dann per europäischer Vorlage dazu verpflichtet, ihre Entscheidung für oder gegen das mobile Arbeiten zu erklären und zu begründen.
Mit dem Auslaufen der Homeoffice-Pflicht kocht derweil der Streit über einen gesetzlichen Anspruch auf mobile Arbeit jenseits der Pandemie auch unter Gewerkschaften und Arbeitgebern auf. „In vielen Betrieben gibt es dazu zwar bereits gute Regelungen, aber eben nicht überall“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der Funke-Mediengruppe. Der DGB fordere zudem ein eigenständiges Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz. „Digitale Arbeitsmittel und Instrumente dürfen nicht zur Kontrolle der Beschäftigten, oder gar ihrer permanenten Überwachung missbraucht werden“, so Piel.
„Die Ausnahme darf nicht zur Regel werden“, sagte wiederum Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW). Der Mittelstand lehne staatliche Eingriffe in die unternehmerische Autonomie entschieden ab. Das gelte auch und gerade für eine Verpflichtung der Unternehmen, mobiles Arbeiten anzubieten.

