Konjunktur

Deutsche Exporte stagnieren, Abhängigkeit von China steigt

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Sackgasse. Politische und geldpolitische Fehler führen dazu, dass die Amerikaner die Europäer abhängen. 

Das Containerschiff Al Jmeliyah der Reederei Hapag-Lloyd verlässt den Waltershofer Hafen.
Das Containerschiff Al Jmeliyah der Reederei Hapag-Lloyd verlässt den Waltershofer Hafen.dpa-Bildfunk

Die deutschen Exporte haben im Juni im Vergleich zum Vormonat nur minimal um 0,1 Prozent auf 131,3 Milliarden Euro zugelegt, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Donnerstag auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Wirtschaftsverbände machten die „lahmende weltwirtschaftliche Entwicklung“, die anhaltend hohe Inflation sowie die erschwerten Finanzierungsbedingungen durch die hohen Zinsen verantwortlich.

Bei den beiden wichtigsten Handelspartnern Deutschlands, China und USA, habe die Konjunktur nur leicht angezogen, erläuterte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. Das Ende der Null-Covid-Politik in China habe bislang nicht das enorme Wachstum ausgelöst, das viele erwartet hatten. Auch die Konjunktur in den USA habe aufgrund steigender Zinsen und des Haushaltsstreits lange geschwächelt.

Die Ausfuhren in die USA sanken im Juni leicht um 0,2 Prozent auf 12,7 Milliarden Euro. Die Exporte nach China nahmen stark um 5,9 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro ab, wie die Statistiker meldeten. „Eine Trendwende erwarten die deutschen Exporteure trotz anziehender Konjunktur in China und den USA nicht“, erklärte Jandura. Vermutlich wird die Lage sogar noch angespannter: Internationale Investoren wetten laut der Financial Times (FT) zunehmend darauf, dass Europa in einen schmerzhaften Wirtschaftsabschwung rutschen wird, während sie erwarten, dass die USA auf eine „sanfte Landung“ zusteuern.

Der Euro ist in den vergangenen zwei Wochen gegenüber dem Dollar gefallen. Zugleich geriet der überraschende Anstieg der europäischen Aktien in diesem Jahr ins Stocken. Deutsche Staatsanleihen (Bunds) wurden teurer. Die Bunds sind ein beliebter Rückzugsort für Anleger in Stresszeiten. Fondsmanager erwarten laut FT, dass sich die Wirtschaftsindikatoren in der Eurozone angesichts höherer Kreditkosten abschwächen werden. Die USA hätten dagegen Widerstandsfähigkeit bewiesen. „Wir haben in den USA viele Zinserhöhungen erlebt, aber Nachfrage und Wachstum sind stark“, sagte Ario Emami Nejad, Portfoliomanager bei Fidelity International, der FT. Die europäische Wachstumsdynamik sei dagegen schwach. Die Europäische Zentralbank habe einen Fehler gemacht und die Zinsen zu stark angehoben. Sie werde zurückrudern müssen, um eine noch tiefere Rezession zu verhindern. Die Skepsis hinsichtlich der Entwicklung in Europa spiegelt sich seit einiger Zeit auch in den gegenläufigen Entwicklungen der Aktienmärkte in den USA und in Europa wider: „Wenn man sich die Aktienbewertungen anschaut, sind sie in den USA seit geraumer Zeit viel höher als in Europa und dem Rest der Welt“, sagte Tim Murray, Multi-Asset-Kapitalmarktstratege bei T Rowe Price, der FT.

Eine Abwertung des Euro führt zwar zu Verlusten bei Assets für die Europäer, könnte aber den europäischen Exporten helfen. Dies wäre auch nötig, nicht zuletzt für Deutschland. In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union führten die deutschen Unternehmen im Juni Waren im Wert von 71,5 Milliarden Euro aus. Das war im Vergleich zum Mai ein kleines Plus von 1,3 Prozent.

Problematisch ist ein schwacher Euro dagegen für die Importe, weil diese sich verteuern. Die Einfuhren nach Deutschland sanken im Juni verglichen mit dem Vormonat um 3,4 Prozent auf einen Wert von 112,6 Milliarden Euro. Die Importe aus EU-Ländern sanken um 3,1 Prozent, die aus den USA um 1,2 Prozent. Aus China kamen dagegen mehr Waren – das Plus lag bei 5,3 Prozent (14,0 Milliarden Euro).

„Das erste Halbjahr endet äußerst kraftlos für die deutsche Außenwirtschaft“, erklärte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Das Auftragspolster der deutschen Industrie werde immer dünner und die weiterhin hohen Inflationsraten lasteten auf den exportorientierten Unternehmen. Der Blick der deutschen Exportwirtschaft auf das zweite Halbjahr bleibe „trüb“.

Das Ifo-Institut in München meldete am Donnerstag, bei den stark vom Export abhängigen Autobauern und ihren Zulieferern „schwächeln aktuell die Aufträge“. Angesichts der weiterhin bestehenden Unsicherheit auf den globalen Märkten blieben auch die Erwartungen der Autoindustrie für die kommenden Monate auf einem niedrigen Niveau.

Der Außenhandel ist nach Ansicht von ING-Analyst Carsten Brzeski kein verlässlicher Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft mehr, sondern „eher eine Bremse“. Gleichzeitig bleibe die Abhängigkeit von Importen aus China hoch. „Die Energiewende ist aktuell nicht ohne chinesische Rohstoffe und Solarmodule möglich“, erklärte Brzeski. (mit AFP)