18 von 18 eingesetzten Schützenpanzern vom Typ Puma, die modernsten in Deutschland und vielleicht weltweit, sind bei einer Übung der 10. Panzerdivision in Munster ausgefallen. Kommandeur der Division, Generalmajor Ruprecht von Butler, wollte den „Totalausfall“ auf dem Krisentreffen am Montag im Verteidigungsministerium thematisieren. Schließlich sind die Puma-Panzer für Bündnisaufgaben bei der Nato vorgesehen. Doch was ist aus dem Plan geworden? Eine Lachnummer? Der Imageschaden für die Bundeswehr ist jedenfalls groß.
Moderne Puma-Panzer: „Fahrer kann vor Ort nicht viel reparieren“
Kabelbrände und die Elektronik machten laut dem Schreiben des Generalmajors an das Verteidigungsministerium die Probleme. Die letzten zwei Panzer sind demnach wegen Turmdefekten ausgefallen. Für den ehemaligen leitenden Militärberater bei der deutschen OSZE-Vertretung, Oberst a. D. Wolfgang Richter, ist das keine Überraschung. Auch der betroffenen Panzergrenadierbrigade 37 seien Probleme bei den hochmodernen Systemen, die die Puma-Panzer für Fehler sehr anfällig machen, längst bekannt gewesen, sagt Richter, heute ein Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, der Berliner Zeitung mit Blick auf sein Gespräch mit dem Kommandeur.
„Dass diese Fehler aber in dieser Häufigkeit so kumuliert auftreten, ist jetzt zum ersten Mal geschehen“, erklärt er. Der Kommandant bzw. der Fahrer könne in dem Fall in so einem „fahrenden Computer“ vor Ort nicht viel reparieren. Man bräuchte dann eine elektronische Instandsetzung durch Spezialisten.
Bei der Bundeswehr, die bei der neuen Technik „das Modernste vom Modernsten“ will – die Rüstungsindustrie nennt das Goldrandlösung –, sieht Richter in dieser Hinsicht zwei grundsätzliche Probleme: „Erstens, diese Super-Systeme sind zwar sehr teuer, aber nicht unbedingt zuverlässig.“ Die Zuverlässigkeit zähle aber im Gefecht mehr als der letzte Schliff. Sonst wäre es sinnlos, die modernen Systeme einzusetzen.
„Zweitens, die Sofort-Instandsetzung durch Elektronik-Spezialisten fehlt, weil die Beseitigung der Probleme der Industrie überlassen wird (im Fall der Puma-Panzer den Konzernen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall – Anm. d. Red.). Die Industrie ist im Gefecht nicht vor Ort, also müssen die Panzer an den Hersteller zurückgeliefert werden.“ Früher habe die Bundeswehr noch genügend eigene Instandsetzungskapazitäten gehabt – heute sei es „eine Krankheit des Heeres“, dass es sich sehr abhängig von der Industrie gemacht habe.
„Was nützt die ganze moderne Technik, wenn sie nicht zuverlässig ist?“
Es könne durchaus sein, merkt der Experte an, dass die Fehler auch bei 18 Panzern gleichzeitig eine Kinderkrankheit seien, die sich in den nächsten Monaten in den Griff bekommen lasse. Die Häufigkeit der Fehler sei jedoch bedenklich, man sehe wieder die Anfälligkeit der modernen Technik und stelle fest: Es helfe nichts, wenn der Panzer nicht zuverlässig funktioniere.
Wolfgang Richter vergleicht Situation mit einem neuen Pkw. „Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit einem modernen Auto mit einer computergesteuerten Fahrassistenz auf der Autobahn und überholen. Wenn Sie beim Überholvorgang zu nah an den Vordermann auffahren, sollte das Auto aus der Sicht der Assistenzsysteme automatisch bremsen, genau zu einem Moment, wo Sie ausscheren wollen. Das ist eine ganz üble Entwicklung, und bei den modernen Waffensystemen ist es ähnlich.“ Man müsse sich deswegen fragen: „Wie weit will man mit der Computerisierung moderner Waffensysteme gehen und wo wird es gefährlich, sodass der Fahrer den Panzer lieber doch manuell steuern soll? Was nützt die ganze moderne Technik, wenn die Panzer nicht zuverlässig sind?“
„Die Brigade wird auf die Marder ausweichen müssen“
Im kommenden Jahr wird die Panzergrenadierbrigade 37 Teil der Schnellen Eingreiftruppe der Nato, der „Very High Readiness Joint Task Force“, bei einer Großübung in der Wettiner Heide in Niedersachsen. Deutschland stellt als Veranstalter 8000 Soldatinnen und Soldaten für den Test der Nato-Reaktionsschnelligkeit bereit. Dafür wurde in Munster geübt. „Das heißt, die Brigade wird auf die etwas älteren Schützenpanzer Marder ausweichen müssen, womit sie auch gerechnet hat. Man wird es also schon hinkriegen, dass die Truppe einsatzbereit ist.“
In diesem Sinne sieht der Experte im Totalausfall einer Auswahl von 18 unter insgesamt rund 150 einsatzbereiten Puma-Panzern keine Katastrophe, auch wenn der Imageschaden der Bundeswehr tatsächlich groß sei. „Es ist auch kein rein deutsches Problem“, fügt Richter hinzu, denn auch die modernen Systeme anderer Hersteller würden Zeit brauchen. „Es ist aber bedauerlich, dass der Puma-Panzer nach einem Jahr Bundeswehr-Einführung noch länger braucht, um mit so einer hoch entwickelten Elektronik, die ihn beim Preis von 17 Millionen pro Stück zu einem der teuersten Schützenpanzer der Welt macht, zuverlässig zum Einsatz zu kommen.“
Deswegen warnt der Experte davor, beim Sondervermögen Bundeswehr im Wert von 100 Milliarden Euro Geld nur nach dem Prinzip Goldrandlösung auszugeben. Die Frage müsste stattdessen lauten: Sind die Systeme, die wir kaufen, verlässlich? „Die Industrie muss die Mängel erst beseitigen, bevor die neues Geld kriegt“, so Wolfgang Richter.


