Die neue Nationale Sicherheitsstrategie, die Klimawende und die Rezession der deutschen Wirtschaft stehen am Montag und Dienstag im Zentrum der Debatten auf dem Tag der Industrie in Berlin.
Neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird die inhaltliche Debatte von zahlreichen Politikern und Wirtschaftsvertretern sowie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestimmt. Der Präsident des gastgebenden Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, steckte in seinem Eingangsreferat am Montag den inhaltlichen Rahmen ab: „In der Wirtschaft läuten bereits die Alarmglocken“, sagte der BDI-Chef. Der Verband erwartet, dass die deutsche Volkswirtschaft stagnieren wird, und hat seine Wachstumsprognose für Deutschland für das laufende Jahr auf 0,0 Prozent gesenkt.
Tag der Industrie: Für den Industriestandort „keine Entwarnung“
Die Rezession, in die Deutschland seit Ende 2022 geraten ist, sei auf viele hausgemachte Probleme zurückzuführen, sagte Russwurm. Von Zuversicht sei nicht mehr viel zu spüren, die Aufträge der Industrieunternehmen sind stark eingebrochen, zuletzt besonders im Bausektor. „Der Frühindikator der deutschen Wirtschaft, das Investitionsverhalten der Unternehmen, zeigt klar nach unten.“ Für den Industriestandort konnte Russwurm deshalb „keine Entwarnung“ geben.
Besonders die mit der Energiewende verbundenen zusätzlichen Ausgaben bereiten dem BDI-Chef Kopfzerbrechen. Er gehe davon aus, dass die Energiewende nicht zusätzliche Investitionen in der deutschen Wirtschaft freisetzen, sondern lediglich den vorhandenen Kapitalstock ersetzen werde. Wegen des hohen Strompreises in Deutschland überlegten bereits zahlreiche Unternehmen, abzuwandern, erinnerte Siegfried Russwurm. Stichwort: Deindustrialisierung.
BDI: Wenn die Regierung so weitermacht, sind wir noch lange auf Kohle angewiesen
Die Ziele der Bundesregierung seien richtig, aber bei der Umsetzung hapere es erheblich. „Statt vier bis fünf Windräder pro Tag zu bauen, war es in Deutschland im ersten Halbjahr nur ein Windrad pro Tag.“ Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland seien nicht mehr gegeben, so Russwurm. Es sei auch noch nicht klar, wie die Infrastruktur für Wasserstoff aufgebaut werde. Für die Energiewende würden 30 bis 50 Wasserkraftwerke benötigt. Bislang sei aber nur eine Handvoll gebaut worden, so Russwurm. „Mit Luftschlössern ist die Klimawende nicht zu schaffen. Wenn es so bleibt, sind wir noch lange auf Kohle angewiesen“, sagte Russwurm in Richtung Bundesregierung.
Scholz seinerseits attestierte der Bundesregierung angesichts der zurückliegenden multiplen Krisen eine gute Leistung. Das Horrorszenario einer prognostizierten Rezession von vier bis fünf Prozent sei abgewendet worden. Mit umfassenden Ausgabenprogrammen wie dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr habe die Bundesregierung adäquat auf die Krisen regiert. „Doch die Ausnahmesituation darf nicht zum Normalfall werden“, sagte Scholz. Es gelte, die Haushaltspolitik auf ein Niveau wie vor der Krise zu senken. „Manche Subvention und manches Förderprogramm steht auf dem Prüfstand.“
Scholz will an Handel mit China festhalten – Seitenhieb gegen Habeck
Deutschland sei eine offene Volkswirtschaft, sagte Scholz, jedoch sei das Land in wichtigen Bereichen in Abhängigkeit geraten. Deswegen verfolge die Bundesregierung die Strategie des sogenannten Derisking: Rohstoffe sollten künftig vermehrt aus verschiedenen Ländern importiert und zentrale industrielle Bauteile in eigener Herstellung produziert werden. Jeder dritte Mikrochip in Europa werde mittlerweile in Sachsen hergestellt, hob Scholz hervor. Es sei wichtig gewesen, dass vom letzten G7-Gipfel in Hiroshima das klare Signal ausgegangen sei, dass der Westen nicht auf eine Abschottung des chinesischen Marktes oder das sogenannte Decoupling setze.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuletzt für großes Unverständnis in Politik und Wirtschaft gesorgt, als er ankündigte, dass Investitionen deutscher Unternehmen in China künftig vom deutschen Staat gescannt und genehmigt werden sollten. „Klar ist, dass wir nicht das ganze Exportgeschehen der deutschen Wirtschaft überprüfen können“, sagte Scholz. Das wolle niemand.


