Eine Gartenkolumne im Juni aufs Papier zu bringen, liebe Leute, das ist nicht ohne, ganz ehrlich. Ich sitze in einer zum Büro umgebauten Abstellkammer, blicke durch ein winziges Fenster hinunter in meinen Garten und der ist ziemlich sauer: „Geht’s noch, Alte?“, faucht er, „was treibst du da oben?“
Nun, ganz unrecht hat er nicht, mein bester Freund, wir beide haben Arbeit ohne Ende. Die abgeblühten Spiersträucher wollen geschnitten werden, die ersten Stauden ebenfalls – Storchschnabel, Lupinen, auch die Astrantien, ja. „Remontierend“ nennt man Pflanzen, die zweimal kommen, die Profis unter Ihnen wissen das natürlich und die Zeit für den Schnitt ist jetzt!
Die Pfingstrosen blühen zwar erst wieder im kommenden Jahr, trotzdem freuen sie sich, wenn man ihnen die Blütenkapseln runternimmt. Der Rhabarber braucht eine Ladung Kompost, und für das Ausputzen des Flieders habe ich gar einen mir bekannten Feuerwehrmann, der in seiner Freizeit Gehölze schneidet, um Hilfe gebeten. Allein pack ich das nicht, der Flieder ist gigantisch. Apropos – zwei Kürbispflanzen hab ich vorgezogen, die wollen dringend in die Erde – äh –, auf den Komposthaufen, und das Apfelbäumchen aus dem Vorgarten fleht indes seit Wochen um Entlastung.

Der kleine Mann trägt Früchte ohne Ende, das ist zu viel für ihn. Sie sehen, meine gärtnerische To-do-Liste ließe sich unendlich weiterführen – wer von Ihnen einen Garten hat, weiß sowieso, wovon hier die Rede ist. Allein die Tomaten, Himmel! Seit Tagen habe ich die nicht ausgegeizt und geschnittenes Gras wollte ich auch längst unterlegen. Das verbessert das Bodenleben und bringt Stickstoff an die Pflanze. Den Tipp gab mir neulich eine junge Gärtnerin. Die Frau ist spitze.
Tomaten brauchen eine Keimtemperatur von 25 Grad
Sie und ihr Vater betreiben eine Biogärtnerei im Allgäu, und als ich im Februar über ein Onlineseminar der beiden stolperte, war ich schwer begeistert. Thema: „Aussaat – aber richtig.“ Super spannend! Mitten im Gewächshaus hatten Vater und Tochter eine Art Übertragungsstudio eingerichtet. Mit externem Mikrofon, Lichtschmeichler, zweiter Kamera und allem Pipapo. Von dort schalteten sie live in die Wohnzimmer mehrerer hundert interessierter Gemüsefans. 90 Minuten lang ging es um Keimtemperatur, Mykorrhizapilze, Anzuchtgefäße, Tomaten und Paprika.
Die gebannte Zuhörerschaft lernte das Folgende: Tomaten brauchen eine Keimtemperatur von 25 Grad. Bitte nicht weniger! Das klappt ganz gut irgendwo im Wohnzimmer, gerne auch mit einer Plastiktüte drüber. Dann aber, und jetzt wird’s knifflig, müssen die Töpfe hell und kalt stehen. Also nicht ganz kalt, natürlich. Aber kälter. „Mir stelle di bei zwölf bis 15 Grad uff“, erläuterte der Gärtner, und sprach eindringlich weiter: „Desch Wischtichste is desch Licht. Hell, hell, hell!“

Idealerweise, wurde uns erklärt, streckten die kleinen Babys zu diesem Zeitpunkt bereits vorsichtig ihre Köpfe aus der Erde. In all den Jahren, die ich nun schon in Tomaten mache, hatte ich die stets auf der Fensterbank über der Heizung keimen lassen. Falsch, wie ich nun weiß. Stellt man sie kühler, werden die Sämlinge daran gehindert, zu schnell in die Höhe zu schießen. Klein und kompakt sollen junge Tomaten sein.
Rings um die Tomaten sollten Tagetes gesetzt werden
Tja, was soll ich sagen? Es funktioniert! Jetzt, knapp vier Monate später, sehen meine kleinen Freunde verdammt vielversprechend aus. Stämmig, dunkelgrün und selbstbewusst stehen sie in der Mitte des Gemüsebeetes und machen mit einem Haufen Blüten auf sich aufmerksam. Als Bienchen flippe ich da natürlich aus vor Begeisterung. Nachmittags wird mit handwarmem Wasser gegossen – bitte vorsichtig und nicht direkt am Stamm.
Zum Schutz vor Schädlingen habe ich rund um die Pflänzchen Tagetes gesetzt. Den Trick allerdings kenne ich schon lange, eine Gemüsebäuerin aus Bingen gab ihn mir einst, als ich sie interviewte. „De Weißflieg’ könne de Tagedes net rieche“, grinste sie mir schelmisch in die Kamera. Fakt ist: Wenn jetzt noch regelmäßig die Sonne scheint, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.



