Berlin Nightlife

Reich und Schön: In der Troya Bar geht die ostdeutsche Boheme in die Feieroffensive

Die neue Mitte-Bar von Friedrich Liechtenstein, Anna Müller und Jonas Bailly ist ein Ort ohne Neid und Missgunst. Hereinspaziert und mitgefeiert!

Die Troya-Macher Jonas Bailly, Anna Müller und Friedrich Liechtenstein liefern sich eine mysteriöse Lauchschlacht mit Happy End.
Die Troya-Macher Jonas Bailly, Anna Müller und Friedrich Liechtenstein liefern sich eine mysteriöse Lauchschlacht mit Happy End.Verena Brüning für die Berliner Zeitung am Wochenende

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Friedrich Liechtenstein tunkt seine Finger in ein silbrig schimmerndes Weihwassergefäß und bekreuzigt sich. Hinter ihm auf dem Tresen liegen zwei Stangen Lauch. An den alten Fensterscheiben aus dem Palast der Republik rinnt LED-Goldregen hinab und der DJ spielt sich schon mal warm. Transzendenz erfüllt den Raum.

Wieder taucht Liechtenstein die Hand ins segnende Nass. Jetzt wird aus der heiligen Dreifaltigkeit ein Luftkuss, wie Genießer der alten Schule ihn bei besonders leckerem Essen machen. Man weiß mit dem Weihwasser zu variieren. Soviel steht fest.

Liechtenstein lächelt: „Das Gefäß habe ich aus Wien mitgebracht, von einem Flohmarkt. Hat einen Euro gekostet.“ Nun hat das gute Stück also seinen Platz an der Wand im Eingangsbereich der Troya Bar gefunden, die heute ihre Eröffnung feiert und zu deren Machern der stilsichere Berliner Entertainer gehört. Neben der Verlegerin Anna Müller, Tochter des großen DDR-Dramatikers Heiner Müller, und dem Jung-von-Matt-Geschäftsführer Jonas Bailly. „Die Idee einer Bar kam ursprünglich von Jonas“, erzählt Müller. Dieser hätte Liechtenstein über seinen Chef, den legendären Werber und Jung-von-Matt-Gründer Jean-Remy von Matt, kennengelernt und ihm die Bar im Berliner Agentur-Headquarter in der Brunnenstraße 20 vorgeschlagen. „Friedrich wiederum schlug mich als Managerin vor und so wurden wir ganz schnell zum Dreiergespann.“

Anna Müller an der Troya-Tür in der Brunnenstraße. Direkt neben der Bar führt eine Treppe zur U8 in den Berliner Untergrund. Das Haus gehört Jean-Remy von Matt, der eine Wohnung im Dachgeschoss hat.
Anna Müller an der Troya-Tür in der Brunnenstraße. Direkt neben der Bar führt eine Treppe zur U8 in den Berliner Untergrund. Das Haus gehört Jean-Remy von Matt, der eine Wohnung im Dachgeschoss hat.Verena Brüning

Vorher hatte die Kim-Bar an dieser Stelle ihre trashige Residenz; 15 Jahre lang konnten die Gäste dort noch das Berlin-Mitte nach der Jahrtausendwende nachempfinden. Der Kim-Macher Philipp Bellinger war es auch, der wie viele Gastronomen damals Gegenstände aus dem Palast der Republik kaufte, bevor der abgerissen wurde. Daher die rötlich schimmernden Scheiben hinter dem Tresen, die nun in der Troya Bar in neuem Lichtdesign erstrahlen.

Nur Geld macht’s möglich

„Der Vormieter hat nach dem letzten Lockdown nicht wieder aufgemacht“, sagt Bailly. „Da dachte ich, jetzt ist unsere Zeit gekommen. Danach haben wir direkt damit begonnen, uns ein Konzept für die Räumlichkeiten zu überlegen.“ Ganz offen kommunizieren die Macher, dass die Finanzierung auf der Seite Jung von Matts liegt, der Barname vom trojanischen Pferd im Agenturlogo herrührt und das elegante „British Racing Green“, in das der Raum getaucht ist, die JvM-Corporate-Farbe ist.

Die Selbstverständlichkeit, mit der sich in der Troya Bar die Boheme von der Bourgeoisie finanzieren lässt, ist ein Indiz für das neue Berlin. Das Kaputte, das in den oft temporär ausgelegten Clubs und Bars hier lange aus der Not heraus zur Ästhetik der Stunde erklärt wurde, weicht nun zunehmend länger angelegter Qualität und Gediegenheit. Um das Geld, das dafür nötig ist, wird nicht mehr herumgedruckst. Ob das was mit Gentrifizierung, dem Erwachsenwerden oder der Suche nach Wertekonstanten zu tun hat, mag sich der geneigte Leser gerne selbst herleiten. Dass sich bei dieser mentalen Zwanglosigkeit die Reichen und die Schönen auf wunderbare Weise mischen, kann indes auch den größten Kapitalismuskritikern nicht verborgen bleiben. In der Troya Bar hat ein neuer Feldversuch begonnen.

Von links: Die gebürtige Berlinerin Anna Müller, der aus Stuttgart stammende Jonas Bailly und Friedrich Liechtenstein, der in Eisenhüttenstadt das Licht der Welt erblickte.
Von links: Die gebürtige Berlinerin Anna Müller, der aus Stuttgart stammende Jonas Bailly und Friedrich Liechtenstein, der in Eisenhüttenstadt das Licht der Welt erblickte.Verena Brüning

Friedrich Liechtenstein steht jetzt in der Mitte des dunkelgrünen Raumes und zeigt auf die einzelnen Bereiche. Tresen rechts, geräumige Toiletten geradeaus, links ein Bücherregal und Fotografien befreundeter Künstler an den Wänden, handgearbeitete Messingelemente, Blumensträuße, hinter ihm das DJ-Pult und oben ganz viele Lampen. Außerdem: keine Tische und Stühle, nur Barhocker und Polsterbänke ringsum. Teilweise sind die Bänke treppenartig übereinandergeschichtet. Im Eingangsbereich wirkt das wie eine Zuschauertribüne, es hat aber auch den Grund, dass hier eine Wandschräge zum U-Bahneingang, der durch das Haus führt, pfiffig verschalt werden musste. So müssen diejenigen, die wissen, dass der beste Platz in einer Bar direkt bei der Tür ist, noch nicht einmal stehen. Genial. Mitgewirkt hat an diesem Raumkonzept übrigens der Architekt Johannes Buchner, der unlängst in die Gestaltung des Telegraphenamts und des Café am neuen See involviert war.

Wilder Menschenmix beim Troya-Opening

Der Opening-Abend kommt so langsam in Schwung. Während der Cowboy-Türsteher draußen wahlweise streng den Kopf schüttelt oder freundlich nickt, treffen Barleute in 80er-Looks die letzten Vorbereitungen. Müller guckt in den Laptop, Bailly steht herum und begrüßt zart die ersten Ankommenden. Er hat kein Problem damit, Liechtenstein die Bühne zu überlassen. Und dieser ist voll in seinem Element: „Es gehört ja mit zu den gruseligsten Vorstellungen überhaupt, eine Nacht mit Werbern in einer Bar zu verbringen“, sagt der jetzt in die Musik hinein. „Das will ja wirklich keiner. Das wird nur noch getoppt von Lehrern und Schauspielern. Nun sind Werber hier in der Bar aber die Gastgeber und man weiß ja, dass sich gerade die Gastgeber aus Anstand sehr zurückhalten und alles für die Gäste tun.“ Uff, noch mal schlüssig die Kurve gekriegt. Alle lachen.

LED-Goldregen, der an den alten Fensterscheiben des Palasts der Republik hinabläuft. Im Glas spiegeln sich die in „British Racing Green“ bezogenen Bänke. 
LED-Goldregen, der an den alten Fensterscheiben des Palasts der Republik hinabläuft. Im Glas spiegeln sich die in „British Racing Green“ bezogenen Bänke. Verena Brüning

Der Laden füllt sich schnell. Unter den frühen Gästen befinden sich einige bekannte Gesichter. Wirtschaftssenator Stephan Schwarz erscheint im gut sitzenden Anzug mit Krawatte. Der verliebte Unternehmer Georg Kofler bringt seine Freundin Isabel Grupp mit. Auch die stylische Juliet Kothe, die schwarzgewandete Esther Perbandt und der unvermeidliche Rolf Scheider schauen vorbei sowie auch die Konkurrenz in Gestalt von Türsteher-Legende und Mitbetreiber der Georgia-Bar Frank Künster. Der Schriftsteller Moritz von Uslar trifft ein und sieht aus wie Picasso um die 50. Und später erst kommen die vielen schönen, namenlosen Feiermenschen, die so eine Party noch lange am Laufen halten, während die reichen Macher schon schlafen.

Auch wenn in der Troya Bar vor allem getrunken werden soll, wird es hier auch Kulturprogramm geben. Das lässt sich die Ostberliner Boheme nicht nehmen. Liechtenstein, der in den 80er-Jahren nach Mitte kam, ist schließlich Sänger, Dichter und Schauspieler, die gebürtige Berlinerin Müller entstammt einer berühmten Intellektuellenfamilie und ist der Literatur und dem Film sehr verbunden. Zwei Programmpunkte sind schon sicher: Es wird eine Talk-Reihe namens „Frauen erklären die Welt“ geben – denn, so Liechtenstein: „Früher waren’s ja wohl die Männer, deswegen jetzt die Frauen.“ Außerdem gibt es donnerstags den „Doomsday“, da geht’s dann um Weltuntergang. „Wir geben uns Mühe, dass ab und zu mal ein bisschen Kunst passiert. Aber am Ende ist es eine Bar“, fügt er hinzu.

Nun ist der Lauch zerfetzt, aber Tulpen tun's auch. Friedrich Liechtenstein mit Seidenhemd von Quasimi, Mantel von Lacoste und einer Brille von Yun. 
Nun ist der Lauch zerfetzt, aber Tulpen tun's auch. Friedrich Liechtenstein mit Seidenhemd von Quasimi, Mantel von Lacoste und einer Brille von Yun. Verena Brüning

Bleibt nur noch die Frage, was es mit dem Lauch auf sich hat. Das Stangengemüse ist auch immer wieder Thema in Liechtensteins Œuvre. „Wir haben etwas gesucht, womit wir der Kuh, die aus dem Helikopter geworfen wurde, Paroli bieten konnten“, antwortet der Künstler via Voice-Message. „Kuh aus dem Helikopter werfen, das kann man heute nicht mehr bringen. Wir haben uns für Bio und Vegan entschieden, die Selbstgeißelung mit bioveganem Lauch ist die Geste der Stunde.“ Das also dazu. Und noch ein Update zum Weihwassergefäß: Das wurde zwischendurch vermisst, ist aber nach intensiver Suche wieder aufgetaucht. Es wird also weiterhin die Möglichkeit der Segnung am Eingang geben. Die Gemeinde wird um zahlreiches Erscheinen im Troya gebeten; mit gefüllten Geldbeuteln, um diesen heiligen Ort lange zu erhalten. Denn auch Werber sind keine Samariter. Amen.

Troya Bar. Brunnenstraße 20, 10119 Berlin, Öffnungszeiten: Mi–Fr ab 18 Uhr, Sa ab 21 Uhr, Preise: Wasser 3,50 Euro, Heineken 4 Euro, Glas Wein ab 6 Euro, Cocktails ab 13 Euro, Flasche Champagner ab 90 Euro