Egal ob als Pullover, Schal oder Strumpf – Kaschmir ist mit Abstand das höchste der Gefühle, wenn es um Strickwaren geht. Kennzeichnend für die Edelwolle sind die feinen, langen Fasern. Je länger die Fasern, desto hochwertiger ist das Material. Im Vergleich zu Schafwolle hält Kaschmir deutlich wärmer, passt sich hitzebedingt dem Körper an und ist zusätzlich wasserabweisend.
Die Wolle, die aus dem feinen Haar der Kaschmirziegen gewonnen wird und bis heute als Luxusmaterial gilt, findet sich mittlerweile jedoch auch massenhaft in den Shops der Fast-Fashion-Ketten. Doch Kaschmir ist nicht gleich Kaschmir, das erkennt man auch am Preis.
Aufgrund des aufwändigen Gewinnungsprozesses ist Kaschmir per se teurer als Schafwolle. Die gute Nachricht ist jedoch: Qualitativ hochwertiger Kaschmir steht bei richtiger Pflege auch gerne mehrere Winter mit Ihnen durch. Deshalb ist es umso wichtiger, in Qualitätsware zu investieren. Zur Orientierung: Fair hergestellt bedeutet meistens auch, dass die Produkte hochwertig und nachhaltig sind.
Die Kaschmirziege stammt aus Asien, genauer gesagt aus der Region Kaschmir im Himalaya – eine Region, die in Teilen zu Indien, Pakistan und China gehört. Noch immer führt China die weltweite Kaschmirproduktion an. Um die Fasern für Kaschmirkleidung zu gewinnen, benötigt man das feine Flaumhaar der Ziegen. Dieses wird durch Auskämmen während des Fellwechsels oder durch das Scheren der Tiere gewonnen. Die gewonnenen Fasern werden gewaschen und sortiert, anschließend wird das gewünschte Unterhaar des Fells per Hand vom groben Deckhaar getrennt, bis das feine Material zu Garn verarbeitet werden kann.
Tierschutz-Organisationen wie Peta sprechen sich gegen die Verwendung von Kaschmirwolle aus, da die Gewinnung mit Tierleid verbunden sein kann. Erste Marken wie der schwedische Modekonzern H&M haben bereits reagiert, indem sie den Verkauf konventionell hergestellten Kaschmirs eingestellt haben. Stattdessen liegen jetzt Pullover aus zertifiziertem Garn in den Regalen. Doch Stichwort Greenwashing: Wie erkennt man, ob die Ware wirklich nachhaltig hergestellt wurde?
Vorsicht vor Kaschmirfälschungen
Zuerst empfiehlt sich ein Blick auf das Etikett. Darauf steht, ob es sich bei dem Produkt um reines Kaschmir handelt, oder um eine Kaschmir-Woll-Mischung. Wird ein Pullover aus 100 Prozent Kaschmir zu günstig angeboten, können Sie sich ziemlich sicher sein, dass hier geschummelt wird. Alleine die Rohware kostet ziemlich viel. Stattdessen sind diese Produkte oft auf Basis von Viskose hergestellt, was man meistens auch fühlen kann.
Je kürzer die Fasern, desto schlechter die Qualität, denn kurze Fasern neigen zu ungewünschter Fusselbildung, auch Pilling genannt. Das verringert die Langlebigkeit, für die das Material eigentlich bekannt ist. Jemand, der sich gut mit Kaschmir auskennt, ist unser Mode-Kolumnist Peter Kempe. Er erklärt uns, weshalb kurze Fasern von geringer Qualität zeugen: „Verspinnt man das Garn, lassen sich die Enden langer Fasern viel besser verschließen, bei kurzen Fasern bleiben viele Enden“, so Kempe. Der Stilexperte rät dazu, das Hauptaugenmerk in puncto Qualität auf das Herkunftsland zu legen. Bei Kaschmir aus Tibet, der Mongolei, Schottland und Großbritannien sei gute Qualität quasi garantiert. Kempe spricht auch davon, dass es kein High-Class-Kaschmir für 79 Euro geben könne. Eine Ausnahme sei die japanische Modemarke Uniqlo. Hier finde man für vergleichsweise wenig Geld gute Kaschmirpullover, die Edelwolle ist dort für circa 130 Euro erhältlich.
Mittlerweile gibt es etliche Gütesiegel für die Produkte, durch die eine faire Herstellungsweise garantiert werden soll. Eines davon ist „The Good Cashmere Standard“, ein unabhängiges Kaschmir-Gütesiegel, das den Schutz von Tieren, Menschen und der Natur bei der Kaschmirherstellung gewährleisten möchte. Gegründet wurde die Initiative von der Aid by Trade Foundation, die sich für Umweltschutz und fairen Handel starkmacht. Anhand der Richtlinien des Farm Animal Welfare Committee, ein vom Vereinigten Königreich eingerichtetes Beratungsgremium für Tierschutz, wird definiert, dass Tiere frei von Hunger, Durst, Leid, Schmerzen, Verletzungen oder Krankheiten leben müssen, damit die faire Kaschmir-Zertifizierung vergeben werden kann.
Tina Stridde, Geschäftsführerin der Aid by Trade Foundation, erklärt dass es beim Thema Kaschmirwolle häufig Probleme mit Fälschungen gibt. Oft werde minderwertigere Wolle, beispielsweise Schafwolle, chemisch behandelt und fälschlicherweise als Kaschmir verkauft. The Good Cashmere Standard hat die Möglichkeit, Kaschmir beispielsweise mit sogenannten DNA-Markern zu markieren, sodass am Endprodukt eindeutig festgestellt werden könne, in welchen Kleidungsstücken wirklich die zertifizierte Edelwolle enthalten ist, so Stridde. Außerdem seien alle Retailer und Brands in der Lage nachzuvollziehen, wo die Rohstoffe wirklich herkommen, da alle Akteure in dieser textilen Wertschöpfungskette Teil eines digitalen Nachverfolgungssystems seien.
Welche Marken bieten guten Kaschmir an?
Die Hamburger Organisation zeichnet mittlerweile etliche Produkte mit der Zertifizierung aus – auch von Marken wie COS, Marc O’ Polo oder Banana Republic. Das tierfreundliche Siegel arbeitet mit über 7900 Kaschmirfarmen auf der ganzen Welt zusammen, die insgesamt über 3,3 Millionen Kaschmirziegen halten. Daraus werden 3000 Tonnen Kaschmirwolle pro Jahr gewonnen, sodass über 6 Millionen Kleidungsstücke aus zertifiziertem Kaschmir auf dem Bekleidungsmarkt sind.

COS baut den umweltfreundlichen Aspekt der Kaschmirmode aus: Die neue „Undyed Cashmere“-Kollektion ist derzeit vor allem in Beige-und Brauntönen erhältlich. Das sind die Originalfarben der reinen Wolle der Kaschmirziegen, die zu den Garnen verzwirnt wird. Das heißt, um den umweltfreundlichen Aspekt auszubauen, verzichtet die Marke vollständig auf Bleichmittel oder andere umweltschädliche chemische Farbstoffe bei der Produktion.
Doch nicht nur große Retailer haben sich nachhaltigem Kaschmir verschrieben, auch viele junge Labels konzentrieren sich darauf. Eins davon ist Reformation. Die Marke aus Los Angeles, die einst als Vintage-Store begann, wirbt heute mit der sogenannten 90/10-Formel: Lediglich zehn Prozent des verarbeiteten Kaschmirs bestehen noch aus sogenanntem Virgin Cashmere – also neu hergestellter Wolle. Die restlichen 90 Prozent sind recycelter Kaschmir. Das Label gibt an, dass das dabei helfen soll, den Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck um 87 Prozent zu reduzieren, verglichen mit der reinen Kaschmirart. Die Teile der „90/10 Cashmere“-Linie sind ab circa 200 Euro erhältich.

Die schwedische Marke Asket setzt ebenfalls auf fair hergestellten, umweltfreundlichen Kaschmir. Die Marke gibt an, die Arbeit mit herkömmlichem Kaschmir aufgegeben zu haben und nun ausschließlich mit bereits benutzter Wolle zu arbeiten. Ebenfalls Upcycling also. Mithilfe von mechanischem Färben werden Fasern aus alten Wollpullovern extrahiert und zu neuem Garn gesponnen. Das Ergebnis ist Kaschmir, der in puncto Nachhaltigkeit nicht gegen andere Modelle verliert. „The Cashmere Sweater“, der sowohl für Männer und Frauen erhältlich ist, gibt es für 175 Euro.

Möchte man kein Geld in Neuware investieren, dann kann man alternativ in Vintage-Boutiquen nach bereits getragenen Pullovern Ausschau halten. Diesen wird häufig nachgesagt, dass sie von besserer Qualität zeugen als neue Modelle. „Das liegt vor allem daran, dass Pullover, die vor 1990 hergestellt, industriell imprägniert wurden“, erklärt Kempe. Beim sogenannten Eulanysieren wurden Kaschmirpullover damals sicher vor Motten und anderen Schädlingen gemacht, so Kempe weiter. Das Verfahren galt damals als Standard, wurde allerdings in den 80er-Jahren verboten.

