Tina testet

Neues Restaurant im Radisson: Noch mehr Modern Middle Eastern Cuisine

In Berlin ist die Mittelmeerküche längst allgegenwärtig – kann das neue Hotel-Restaurant Balaustine trotzdem damit überzeugen? Wir haben es ausprobiert.

Schmeckt: Za’atar-Burrata, auf Holzkohle gegarte Aubergine und konfierte Tomaten.
Schmeckt: Za’atar-Burrata, auf Holzkohle gegarte Aubergine und konfierte Tomaten.Viktoria Fedirko

Berlin-Wie unoriginell kann man sein, dachte ich, als ich vom umgestalteten Radisson Collection Hotel am Berliner Dom und seinem neuen Restaurant Balaustine hörte. „Modern Middle Eastern Cuisine“ werde man dort anbieten. Ernsthaft? Gibt es irgendwo ein Büchlein, von dem ich wissen sollte? Ein „Berliner Hotelier-Guide für Dummies“ sozusagen, den sich Hauptstadthotels gegenseitig zustecken?

Im ersten Kapitel würde man wohl nachlesen können, welche Küche man anbieten muss, um als schickes, trendiges, total Instagram-konformes Hauptstadthotel zu gelten: Nicht italienisch, nicht spanisch, auf keinen Fall französisch, stünde dort. Gott bewahre, nein, man müsse „Levante“ machen, wie die Modern Middle Eastern Cuisine auch genannt wird. Levante ist das Pendant zur Patagonia-Jacke – die Küche für den bewussten, gesunden, weltoffenen Lebensstil.

Kaum eine Küche ist gesünder

Natürlich glaube ich nicht, dass es dieses Büchlein wirklich gibt. Fakt ist aber, dass kaum eine Küche in der modernen Hotellerie in größerer Zahl vertreten ist als diese Mittelmeerküche. Es ist auch kaum eine gesünder, weil sie vor allem mit Fisch und gemüsezentrierten Produkten punktet. Und kaum eine Küche ist kompatibler und inklusiver, was die Geschmäcker angeht. Meist werden die Gerichte in die Mitte des Tisches gestellt – man nennt das „Sharing-Konzept“.

Die Levante-Küche an sich ist ein kulinarisches Mosaik. Über den Umweg London ist sie aus Israel zu uns gekommen. Ihre Einflüsse und Gewürze wie Kardamom, Sumach und Za’atar reichen aber bis nach Nordafrika, Syrien, in den Libanon, Irak, die Türkei, Griechenland und Osteuropa. Man kann daher behaupten, es sei die politisch korrekteste Küche, die man als weltoffenes Hauptstadthotel machen kann.

Glasierte Aubergine mit Challah-Brot, Granatapfel und Feta.
Glasierte Aubergine mit Challah-Brot, Granatapfel und Feta.Viktoria Fedirko

In Berlin sind wir seit Ende des vergangenen Jahrzehnts mit der Modern Middle Eastern Cuisine sehr gut versorgt: Das 25hours Hotel im Bikini betreibt auf dem Dach das Neni, die trendbewusste Amano-Hotelgruppe hat die Restaurants Mani, Joseph und Habeit, im Crowne Plaza gibt es das schicke Layla. Wozu also noch ein Hotelrestaurant, das auf diesen Trend aufspringt? Das waren meine ersten Gedanken, als ich vom Balaustine hörte.

Nur um eines klarzustellen: Ich habe nichts gegen diese Küche. Im Gegenteil, ich mag sie sehr. Nur würde ich Ihnen gerne mehr neue Konzepte präsentieren. Trotzdem bin ich natürlich kurz nach Eröffnung hingegangen, um mir ein eigenes Bild zu machen. Manchmal wird man schließlich überrascht. Spektakulär fand ich auf jeden Fall die Lage des Hotels. Das Radisson Collection, das aus dem grunderneuerten Radisson Blue hervorgegangen ist, liegt direkt an der Spree, unweit der Museumsinsel – mit tollem Blick auf den Dom und das Stadtschloss. Kulinarisch bisher eher ein Unort.

Das Restaurant setzt auf Wohnzimmeratmosphäre

Innen hat es die warme, geschmackssichere Eleganz von 5-Sterne-Lifestyle-Hotels in New York und London, nur dass dieses als Alleinstellungsmerkmal den Aqua Dom beherbergt: ein riesiges, säulenförmiges Aquarium, um das herum die hoteleigene „Atrium Bar“ liegt. Seitlich davon ist der Eingang zum Balaustine, das vormittags ganz offensichtlich als Frühstücksraum des Hotels dient. Auch dafür muss es ein Büchlein geben. In Lifestyle-Hotels frühstückt man heute in Wohnzimmeratmosphäre. So auch hier.

Es gibt weiche Polstermöbel und Bänke, viel Holz, Grau- und Pflaumentöne, Kunstwerke, Kissen und andere Accessoires für den persönlichen Touch. Das Personal ist jung und exzellent ausgebildet, die Küche selbstverständlich offen und einsehbar. Mein Mann und ich wählten statt Polster lieber die Hocker am Hochtisch gegenüber der Küche, auf dem morgens das Frühstücksbuffet aufgefahren wird.

Und auch wir lassen auffahren: Pita-Brot mit Tahina und einer samtigen Tomatenemulsion, Hummus mit Chimichurri, Rote-Bete-Falafel, Lachstatar mit Granatapfel, gerösteter Blumenkohl mit Labneh, Pulpo vom Holzkohlegrill und etliches mehr. Denn im Balaustine gibt es einen fantastischen Deal, der sich „All in Menu“ nennt: drei Kleinigkeiten, drei Mezze und drei Hauptgerichte sowie ein Dessert für 50 Euro. Portionsmäßig so bemessen, dass es eine Person unmöglich essen kann.

Hummus mit Granatapfel, Levante-Chimichurri und Dukkah.
Hummus mit Granatapfel, Levante-Chimichurri und Dukkah.Viktoria Fedirko

Der Wolfsbarsch mit Chraime-Soße, den mein Mann für sich noch bestellte, erwies sich nicht nur als einfallslos, sondern auch als überflüssig. Ich kenne Chraime als scharfen Fischeintopf mit Kichererbsen, Kartoffeln, Paprika und Tomaten als Basis. Der Fisch wird normalerweise mitgekocht, hier wird er im Ganzen gegrillt serviert. Leider war er zu trocken und der hauptsächlich aus Paprika bestehenden Soße fehlten Fischaromen und Gewürze.

Von allen anderen Speisen, ich gebe es gerne zu, war ich jedoch ziemlich begeistert. Masse ersetzt hier nicht Klasse. Bis auf das zu labbrige Pitabrot kann das Balaustine bei der Konkurrenz mehr als mithalten. Die Speisen sind extrem frisch und in ihrer Qualität überzeugend, meist setzen Erbsensprossen, Chili und andere Kräuter zusätzliche Highlights, ganz generell strotzen sie aber vor Geschmack. Das Tahina schmeckte luftiger, der Hummus süßer als ich ihn kenne. Toll auch seine Kombination mit Chimichurri, aus dem Minze und Limette besonders hervorstachen.

An den Portionsgrößen dürfte gespart werden

Mehr als einmal entdeckte ich einen Twist in Altbekanntem: etwa die knusprig frittierte Falafel, die statt aus Kichererbsen aus Roter Bete gemacht ist, was geradezu zwingend zum scharf-fruchtigen Ambaneh passt, einem Mix aus fermentiertem Mango-Chutney und Joghurt. Geschmacklich überzeugte mich auch das sämige Shakshukit, eine Art Bolognese aus Lamm- und Rinderhack, die man zusammen mit zitronigem Joghurt in Brot füllt oder einfach nur löffelt.

Ich hoffe, dass der spürbare Anspruch der Küche auch nach der ersten Bilanzrechnung bleibt. Lieber bitte an den Portionsgrößen sparen, damit das Balaustine keine bloße Erweiterung der Levante-Parade in Berlin wird, sondern ein echter Gewinn bleibt. Und ein wunderbarer Einkehrstopp für Stadtschloss- und Dom-Flaneure.

Preise: Nish-Nush-Kleinigkeiten 4-6 Euro; Mezze 10-14 Euro; Hauptgerichte 14-29 Euro; Dessert 9-12 Euro; All-In-Menü 50 Euro, vegetarisch 40 Euro.

Infos: Restaurant Balaustine, Karl-Liebknecht-Straße 3, 10178 Berlin. Täglich von 12 bis 23 Uhr. Tel.: +49 (030) 233 466, info@balaustinerestaurant.com. www.radissonhotels.com