Fast wirkte es, als wollte Hamburg unserer Stadt unbedingt vorauseilen: Just am Berliner Premierentag der neuen Serie „Becoming Karl Lagerfeld“, die ab 7. Juni auf Disney+ zu sehen sein wird, setzte die Hansestadt einem ihrer berühmtesten Söhne ein besonderes Denkmal.
Einige Stunden bevor in Berlin die ersten zwei Folgen über den großen Bildschirm des Zoo-Palastes flimmerten, wurde an der Elbe die Karl-Lagerfeld-Promenade eingeweiht. Entstanden sind dabei für solcherlei Anlässe gewohnt trutschige Bilder mit Medienbeauftragten und Lokalpolitikern, die unter angeklebtem Lächeln ein Straßenschild in die Kamera halten.
Ob das der 1933 in Hamburg geborenen Modeikone gefallen hätte? Wir wissen es nicht. Plumper und provinzieller als so mancher Auftritt am Berliner Premierenabend war die Hamburger Straßeneinweihung allerdings ganz und gar nicht.
Hier entlang: Kurz vor dem Berliner Event wurde in Hamburg die Karl-Lagerfeld-Promenade eingeweiht.Marcus Brandt/dpa
Erwachsene Menschen, die sich als Lagerfeld oder seine Schoßkatze Choupette verkleiden, Bettlaken-ähnliche Überwürfe und Störbild-artige Stoffmuster – da war viel Schlimmes dabei am Donnerstagabend in Charlottenburg; manches davon wurde schlechterdings auf einem eigens für den Abend errichteten Laufsteg vorgeführt.
Allerdings: Es gab auch glänzende Darbietungen, die den 2019 verstorbenen Karl Lagerfeld sicher mit Berlin und seinen Prominenten versöhnt hätten. Sehen Sie selbst:
FLOP: Als sie die Einladung zur Premiere von „Becoming Karl Lagerfeld“ bekam, habe sie nicht gezögert, schließlich sei sie ein Riesen-Fan des 2019 verstorbenen Modedesigners. Das ließ Cathy Hummels ihre Instagram-Follower wissen, bevor sie die Reise nach Berlin antrat. Um ihre Ehrerbietung deutlich zu machen, warf sich Hummels in eine Art Allover-Lagerfeld-Montur. Nicht nur hatten die Haare einen leichten Grauschleier, auch das schwarze Outfit mit weiter Hose, ärmellosem Hemd und Krawatte deuteten auf den Altmeister hin. Hummels ließ sich von der Marke Karl Lagerfeld ausstatten, trug fingerlose Handschuhe und Krawatte, dazu weißen Kragen, ganz wie ihr Idol. Aber es lässt sich trotz aller Mühen nicht verhehlen: Wir sehen hier eben nicht Karl Lagerfeld, sondern Cathy Hummels. Und denken bei diesem Look eher an Charlie Chaplin, den freundlichen Oberkellner oder einen Pinguin.Pic One/Imago TOP: Mehr als 500.000 Menschen folgen Hendrik Giesler auf Instagram, was unter Umständen auch mit den vielen eindrucksvollen Waschbrettbauch-Bildern zu tun haben dürfte, die der fachkundige Influencer regelmäßig veröffentlicht. Dabei ist Giesler gerade auch komplett bekleidet schön anzusehen! Weil der Berliner über ein feines Stilgefühl verfügt nämlich; zum gestrigen Abend etwa griff er zielsicher zu einem schlichten schwarzen Jackett, einer weiten Hose derselben Nichtfarbe und einem hübsch nass glänzenden Seidenhemd. Als Highlight noch eine gelb eingefärbte Statement-Sonnenbrille auf die beachtlich gerade Nase – fertig ist der kompetente Premierenlook. Finden wir gut – auch ganz ohne neckischen Bauchmuskel-Blitzer!Future Image/Imago TOP: Ein bisschen ungerecht ist das ja schon, die anderen Premierengäste mit Christiane Arp zu vergleichen. Schließlich blickt die frühere Vogue-Chefin und jetzige Vorsitzende des Fashion Council Germany auf eine beeindruckende, Jahrzehnte währende Modekarriere zurück, arbeitete überdies gelegentlich auch als Stylistin für Lagerfeld persönlich. Eine Kompetenz, die ihr stets anzusehen ist – so auch am gestrigen Abend in Berlin: Das Jackett mit bezogenen Knöpfen und steigendem, seidig schimmerndem Revers sitzt perfekt, die üppige Blumenbrosche bringt ein bisschen spielerische Noblesse in den sonst so strengen Look. Chapeau, Madame Arp!Eventpress/Imago FLOP: Wir wissen von anderen Events, wie gut sich Franziska Knuppe auch anziehen, wie bestechend ihre so natürliche wie elfenhafte Schönheit sein kann. Wie auch nicht, die Frau ist schließlich Model, ihr Aussehen ist ihr Kapital. Einst wurde die Potsdamerin von Wolfgang Joop entdeckt, später stand sie auch für dessen einstigen Rivalen Karl Lagerfeld vor der Kamera. Wir können nur hoffen, dass sie damals nicht dieses Outfit trug, einen merkwürdigen Verschnitt aus Paillettenfummel, Carmen-Blüschen und Eiskunstlaufröckchen. Die Krönung ist aber, neben der furchtbaren Tasche, der weiße Übergangstrench, den Knuppe über ihr schwarzes Outfit warf. Wir wissen ja, es war nicht sehr warm am Donnerstagabend in Berlin, und auch Karl Lagerfeld liebte Schwarz-Weiß-Outfits. Aber doch bitte nicht so!Pic One/Imago TOP: Der eine oder die andere dürfte die Sneaker als Fauxpas betrachten – wir aber finden, sie geben dem ohnehin schon herrlich lässigen Look von Elena Carrière, bestehend aus einer weiten Hose, einem Prada-Tanktop und einem kantigen Jackett, den letzten Kick. Bei Heidi Klum dürfte die ehemalige GNTM-Kandidatin solch nonchalante Modekniffe kaum gelernt haben, schließlich zeichnet sich diese eher durch überspannte Hauptsache-nackig-Outfits aus. Andererseits – woher sollte Klum es auch können? „Die war nie in Paris, die kennen wir nicht“, hatte Lagerfeld selbst mal über sie gesagt. Elena Carrière allerdings war bestimmt schon mal dort.Future Image/Imago 
FLOP: Für dieses Premierenoutfit kann es nur eine Erklärung geben. Der Schauspieler Martin Stange, bekannt unter anderem aus der Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, war nur zufällig in der Nähe. Er kam gerade vom Einkauf im Hit-Ullrich-Verbrauchermarkt am Zoo und war auf dem Heimweg, als er die vielen Menschen vor dem Kino sah. Mensch, dachte er sich, da schau ich doch mal rein und laufe über den Catwalk. Egal, dass mein zusammengewürfeltes Outfit eigentlich wenig vorzeigbar ist, in Berlin, da geht das schon! Immerhin, das muss man Stange lassen, man kann am Beispiel seiner Hose sehr gut verdeutlichen, was man auf keinen Fall tragen sollte, wenn man vor die Kamera tritt. Nämlich karierte Stoffe, Muster wie Streifen, Pepita, Fischgrät, kleine Punkte und feine Linien. Sollten Sie diese Regel missachten, passiert das, was wir hier sehen: Sie sehen aus wie eines dieser Magic-Eye-Bilder aus den Neunzigern, bei deren längerem Betrachten sich plötzlich 3D-Objekte herauslösen.Future Image/Imago
TOP: Ein Lichtblick zum Schluss ist dieses sommerlich-leichte, strahlend-weiße Gesamtpaket, das uns die Berliner Schauspielerin Amy Mußul serviert. Hier stimmt einfach alles, vom Hosenschnitt über die Hosenlänge bis hin zu den Accessoires und den Schuhen. Da ist nichts Altbackenes und auch keine alberne Verkleidung zu sehen, sondern einfach nur stilvolles Auftreten, das doch am wichtigsten ist, will man Lagerfeld die Ehre erweisen. Wir hoffen, dass Mußul mit ihrem Outfit fleckenfrei durch den Abend gekommen ist und sich beim Essen nicht bekleckert hat. Vielleicht gab es ja Raffaello.Eventpress/Imago