Kanye West stapft durch den Matsch, dass die Dreckbrühe nur so spritzt. Er läuft wie ein Mann mit großen Zielen. Trotzig umrundet er einen riesigen Schlammkrater. Von dessen Rand schauen ihm Naomi Campbell, Anna Wintour, Offset, Juergen Teller, Kylie Jenner, Khloé Kardashian und andere Gäste beim Stapfen zu. Es ist Paris Fashion Week, wir befinden uns auf der Balenciaga-Show – und die sprengt erneut alles Dagewesene. Die sogenannte Mud Show ist Terror und Entertainment gleichermaßen.
Doch um die neue Balenciaga-Frühjahrskollektion sehen zu können, musste man sich am Sonntag erstmal ein ganzes Stück aus Paris rausbewegen. Züge fuhren nicht, also war die Anreise nur mit Shuttles, Taxis oder Privatwagen möglich. Das Ziel: eine Messehalle in Villepinte, nahe dem Flughafen Charles de Gaulle. Friss oder stirb, Gast. Der übliche Zuschauerrummel vor der Tür war vielleicht auch deswegen vergleichsweise mau.

Beim Betreten der Halle wurde einem buchstäblich schwarz vor Augen. Viel Licht gab es nicht, alles duster. Typisch Balenciaga, typisch Demna. Und dann stand man plötzlich vor dieser gigantischen Mondlandschaft aus dunkelbraunem Schlamm, dem Pendant zur Schneewüste der Balenciaga-Show im März dieses Jahres, und staunte: Was für ein abgedrehtes Setting! Die Gäste auf der anderen Seite waren weit entfernt und kaum zu sehen, die Augen kämpften mit der Dunkelheit, es roch extraterrestrisch. Den feucht-erdigen Dunst hatte die Berliner Duftforscherin Sissel Tolaas zuvor stundenlang auf die Pampe gesprüht. „Der Schlamm war vollkommen geruchlos“, erzählte sie nach der Show. Eines ist klar: Balenciaga did it again. In die Fresse. Luxusmode als Schlammschlacht.
Kanye West und das Balenciaga-Baby
Dann der erste Look, Troublemaker Kanye West in einer Security-Uniform, es folgten Balenciaga-Runway-Promis wie BFRND, Musiker und Ehemann des Kreativdirektors Demna, der glatzköpfige Hansi Schmidt oder Minttu Vesala, eine große Frau mit kurzen blonden Haaren, die immer krumm geht. Zu peitschender Musik, die im Brustkorb schmerzte, arbeiteten sich die Models durch den Matsch. Ein dystopisches Happening und gleichzeitig absurd lustig. Die Outfits: aufgepumpte Oberteile, zerfetzte Jeans, Riesenturnschuhe, wippende Schalspiralen, Logo-Shopper, Taschen, die wie ein Ärmel waren – und die ultimative Chips-Bag. Eine Chipstüte mit Reißverschluss, genial!



Später wurde die feinere Kleidung vorgeführt – lange Kleider, elegante Anzüge und Mäntel. Schnell waren die kostbaren Stoffe mit Dreckbrühe besudelt. Die Säume der Abendkleider sogen die Matschepampe vom Boden auf wie Küchenrolle. Der Anblick erinnerte an den teilweise rauen Umgang mit den Roben während der Couture-Show vor ein paar Monaten.
Und was wippte da in den Brustgurten? Waren das kleine Köpfe echter Kinder? Im Backstage nach der Show konnte man die Balenciaga-Babys begutachten, es waren Puppen. Daniil Kercz hatte dennoch bereits eine Verbindung zu „seinem Baby“aufgebaut. „Sie heißt Lola“, verriet das Model. Kein Wunder, die Puppe sah täuschend echt aus. Auf Social Media begann man schon, sich darüber aufzuregen. Babys und Puppen hat es jedoch schon öfter auf dem Runway gegeben. Das war also eine Balenciaga-Version: Blonder Mann trägt schwarzes Puppenkind.



Im Brief von Demna, der ausgedruckt auf den Plätzen lag, heißt es. „Je mehr man versucht, man selbst zu sein, desto mehr bekommt man dafür auf die Fresse. Dabei ist es doch großartig, dass wir alle unterschiedlich sind.“ Deswegen waren also einige Models so geschminkt, als wären sie vermöbelt worden! Er wolle seine Kollektionen nicht mehr erklären, schreibt Demna weiter. Entweder man mag sie oder nicht. Und genauso ist es auch mit Balenciaga, den Hype muss man nicht erklären. Genauso wenig wie die Show. All diese Dinge sprechen doch für sich.
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