The Wizard of Vintage

Im September beginnt das Modejahr

Auch wenn die September-Ausgabe der Vogue ihre Bedeutung verloren hat – so erklärt sich über sie vieles, was bis heute in der Modewelt seine Gültigkeit hat.

Szene aus der berühmten Mode-Doku „The September Issue“: links Grace Coddington, mittig Anna Wintour.
Szene aus der berühmten Mode-Doku „The September Issue“: links Grace Coddington, mittig Anna Wintour.imago stock&people

Es ist wieder so weit, kaum sind die Ferien vorbei, beginnen wieder rund um den Erdball die großen Fashion Weeks: Erst in New York und dann in London, danach zieht die Mode-Karawane (bestehend aus Journalisten, Influencern, Einkäufern und Models) weiter nach Mailand und Paris. In der französischen Hauptstadt finden die Modeschauen für das nächste Frühjahr 2024 dann ihren Abschluss.

Das ist eine Milliardenindustrie, die auch Menschen betrifft, die sich der Mode verweigern. Denn sobald wir uns nur irgendwie bekleiden, hat sich zuvor irgendein Mensch Gedanken gemacht: Wie soll das Teil aussehen, aus welchem Material soll es sein, oder welche Farbe soll es haben? Selbst das simpelste T-Shirt oder die einfachste Jeans gehen hervor aus dieser Karawane der Mode.

Jedem, der sich auch nur ein bisschen für Mode interessiert, würde ich „The September Issue“ ans Herz legen – denn es ist eine der besten Mode-Dokumentationen, die je gedreht wurden. Der Film beleuchtet akribisch die Entstehung der wichtigsten Jahresausgabe des amerikanischen Modemagazins Vogue am Beispiel der September-Ausgabe des Jahres 2007. Das ist traditionell das Heft, das die Modetrends für ein ganzes Jahr vorgibt und das damals jährlich neue Rekorde aufstellte, in Seitenumfang, Werbeanzeigen und verkauften Exemplaren.

Auch wenn dieser Film bereits 2009 herauskam, ist er voll von Informationen, die es ermöglichen, das Fashionsystem zu verstehen. Eine Maschinerie, die unmenschlich erscheint; unter der Herrschaft der legendären und bis heute agierenden Chefredakteurin Anna Wintour. Aber gerade die gewährt in Interviews und Statements erstaunlich tiefe und intime Einblicke. In dieser Hinsicht ist die Dokumentation wirklich schwer zu toppen.

Der Regisseur R.J. Cutler zeigt feinfühlig den Aufwand, der in die Erstellung des Magazins gesteckt wird. Auch wird man Zeuge der Leidenschaft, mit der Grace Coddington arbeitete. Die charismatische Frau mit der roten Mähne ist ein ehemaliges Model, das zur Vogue-Kreativdirektorin wurde. Sie war die einzige Person, die es wagte, Anna Wintour zu widersprechen. Im Film wird Coddington oft als Hauptopfer von Wintours aggressiver Persönlichkeit dargestellt. Doch Wintour schätzte Coddingtons Fachwissen und ihren scharfen Blick für Design. Am Ende der Doku billigt Wintour die meisten Ideen von Coddington, und sie erscheinen in der endgültigen Fassung der September-Ausgabe. Coddington ist heute nicht mehr fest bei der Vogue angestellt, jedoch weiterhin frei für Wintour tätig. 

Die Quintessenz dessen, was in Hunderten Modenschauen in New York, London, Mailand und Paris vorgestellt wurde und von Hunderttausenden fleißigen Mitarbeitern der Fashionbrands erdacht, produziert und vorgeführt wurde, endet schließlich in Trends, denen später Tausende folgen. „Der Blazer ist der neue Mantel“ oder „Rot ist das neue Schwarz“ lauten dann die Schlagzeilen – und das Urteil der Print- und Onlinemedien kann darüber entscheiden, ob sich eine Kollektion gut verkauft oder nicht. Auch das wird in dieser spannenden Reportage am Ende klar.

Dabei wird auch deutlich, wie sich die Welt des Modejournalismus seit damals verändert hat. Doch eine Sache ist gleich geblieben, und Candy Pratts Price sagt es in der Doku folgendermaßen: „September is the January of fashion.“

„The September Issue“ kann als DVD gekauft und bei vielen Anbietern gestreamt werden.