Noch vor ein paar Monaten schien es, als sei der amerikanische Rapper Kanye „Ye“ West endlich da angekommen, wo er immer hinwollte: in der Welt der Mode. Mit seiner Marke Yeezy hatte er erfolgreich neue Kooperationen mit zwei großen Playern der Branche angestoßen: GAP und Balenciaga. Seine Sneaker-Linie bei Adidas ließ als Dauerbrenner bei allen Beteiligten die Kassen klingeln. Auf den internationalen Fashion Weeks war er ein gern gesehener Gast in der ersten Reihe. Doch das ist jetzt vorbei. Eine Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse.
Hass und Verschwörung
Nach morbiden Social-Media-Posts gegen Entertainer Pete Davidson, den neuen Freund seiner Ex-Frau Kim Kardashian, zu Beginn des Jahres häuften sich kruder Hass und verschwörungstheoretischer Content auf Wests Instagram-Profil. Als sich die persönlichen Themen erschöpft hatten und später auch die Beziehung seiner Ex zu Davidson, suchte Ye sich neue Feinde. Er hatte nun seine Geschäftspartner GAP und Adidas im Visier, denen er auf Instagram vorwarf, ihn nicht in wichtige Meetings einzuladen und ihn sowieso generell über den Tisch zu ziehen. Die Zusammenarbeit mit GAP fand daraufhin im September ihr Ende, noch bevor der Verkauf der „Yeezy Gap“-Kollektion so richtig angefangen hatte.

Im Folgenden postete West verschiedene Videos, in denen er mit Prediger-Rhetorik zu einer Gruppe Menschen sprach. Es schien, als schwöre er Mitarbeiter auf seine Visionen ein, zu denen eigene Fashion-Stores auf der ganzen Welt und ein unabhängiger Vertrieb gehörten. Allein all diese Dinge über Instagram zu kommunizieren, erschien befremdlich. Denn auch wenn der Hass in den sozialen Netzwerken direkter ist, die Kritik härter – gerade öffentliche Personen müssen dort Grundregeln des sozialen Miteinanders einhalten, weil sie die Konsequenzen härter treffen können als den Otto Normalverbraucher. Kanye West hingegen teilte seine Stimmungsschwankungen mit der ganzen Welt. Die meisten löschte er innerhalb von 24 Stunden wieder und zwischendurch sperrte Instagram den Account mehrfach, weil West mit seiner Hassrede gegen die App-Guideline verstoßen hatte. Als er später zu Twitter wechselte, wurde er kurz darauf auch dort gesperrt.
Balenciaga hielt noch lange zu Kanye West
Die Luxusmarke Balenciaga kam in Wests zornigem Instagram-Feed stets nur am Rande vor, noch stand auch der Kreativdirektor Demna hinter seinem langjährigen Freund. Auf der Paris Fashion Week eröffnete West sogar auch die Balenciaga-Show mit dem ersten Look. Genau einen Tag danach, am 4. Oktober, veranstaltete West in Paris dann überraschend eine Guerilla-Modenschau, auf der er eine neue Kollektion namens „Yeezy 9“ präsentierte. Auf dem Runway unter anderem: Model Naomi Campbell und Rick-Owens-Muse Michèle Lamy. Und unter den Gästen: Demna.
Was nun die Welt erneut schockierte: West trug während seiner Show ein rätselhaftes Longsleeve, vorn ein Konterfei von Papst Johannes Paul II., auf dem Rücken der Slogan „White Lives Matter“. Die Parole war vor einigen Jahren als Antwort auf die „Black Lives Matter“-Bewegung, die in den USA auf Polizeigewalt gegenüber Schwarzen aufmerksam macht, entstanden. Initiiert und benutzt wird sie vor allem in weißen, als rassistisch geltenden Zirkeln. Man hätte Wests Shirt als geschmacklose Provokation abtun können, vielleicht sogar als irre Meta-Ebene. Die Tatsache jedoch, dass auch Candace Owens vor Ort war, gewandet in das gleiche Shirt, ließ bei vielen die Alarmglocken schrillen. Mit der schwarzen rechtskonservativen Aktivistin an seiner Seite konnte West auch mit ganz viel gutem Willen kaum noch Ironie unterstellt werden. Und als sei das noch nicht genug, postete er in den darauffolgenden Tagen erneut vollkommen zügellos vor allem antisemitische Kommentare auf Social Media, ganz im Sinne der großen jüdischen Weltverschwörung. Das brachte das Fass zum Überlaufen und die Industrie zum Handeln.
Adidas hat sich inzwischen offiziell von der Cashcow Kayne West getrennt, auch Balenciaga gab bekannt, jetzt nicht mehr mit dem Rapper zusammenzuarbeiten, aus dem offiziellen Video der Balenciaga-Show wurde West herausgeschnitten. (Ob sich die Security-Jacke, die er trug, in der nächsten Saison verkaufen wird?) Vogue-Chefin Anna Wintour sprach sich ebenfalls gegen den Rapper aus, wie viele andere ehemalige Freunde und Kollaborateure. Sneaker und Kollektionsteile, die mit ihm in Verbindung stehen, wurden vielerorts aus dem Verkauf genommen.


