Berlin-Kreuzberg-Leichter Niesel durchnässt die Fahrbahn, auf dem die Mittelklassewagen ihre Runden drehen. Die Tristesse des Moritzplatzes, der eigentlich nur ein Kreisverkehr mit U-Bahn-Station ist, scheint im Berliner Winter noch unerträglicher. Wer hier jetzt Halt macht, kann nur ins „Aufbau Haus“ wollen. Der große graue Betonkoloss an der Ecke Prinzenstraße war als Nachfolger des Bechsteinhauses vor mehr als zehn Jahren umgebaut und erweitert worden. Auch mit dem stadtplanerischen Ziel, dem Moritzplatz einen neuen Sinn zu geben. Das ist gelungen, denn vor den Toren des modernen Gebäudes herrscht ein reges Kommen und Gehen.
Benannt nach der Aufbau-Verlagsgruppe, die hier ihren Sitz hat, beherbergt es vor allem Kultureinrichtungen und Kreativunternehmen: Agenturen, Architekturbüros, Tanzschule und private Designschule, ein Theater und vieles mehr. Viele Berliner steuern das Haus aber auch an, weil sie zu Modulor wollen. Leinwände, Kunststoffplatten, Folien, Papier, Farben oder Stifte: In den riesigen Räumen des Künstlerkaufhauses gibt es alles, was der Kreativschaffende zum Arbeiten braucht.
Aber was tragen die Berliner Freigeister bei so trübem Wetter, während sie ihre Besorgungen machen? Wir haben uns erlaubt, ihre Outfits etwas genauer unter die Lupe zu nehmen – und waren überrascht, welche Professionen sich zum Teil hinter den textilen Fassaden verbargen.
Das ist Mika. Und als was arbeitet Mika?Agatha Powa
Mika ist Unternehmerin. Als Inhaberin der PR-Agentur Moriyama Projects mit Sitz im Aufbau Haus betreut sie vor allem Kunden aus der Fashionbranche. Sie trägt eine vegane Lacklederjacke mit rosa Plüschfutter von Bimba Y Lola und eine Bootcut-Jeans von Karl Kani. Agatha Powa
Mikas Tasche ist ebenfalls vom spanische Label Bimba Y Lola. Zu den Snow Boots von Acne Studios trägt sie Kniestrümpfe des Moskauer Skaterlabels Rassvet. Agatha Powa
Laurids ist kein Reisender, sondern Student der Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der im Rucksack sein Werkzeug trägt. Heute wird er seinen Modulor-Gutschein einlösen. Sein wetterfestes Outfit: Jacke von Moncler, Rolli von Ralph Lauren, Hose von Marlboro Classics, Stiefeletten von Prada (alles secondhand gekauft). Dazu trägt er ein Cap des litauischen Labels Urte Kat. Agatha Powa
Sein großes Ziel ist es, Regisseur zu werden, sagt Laurids. Die Herzchenkette hat er mal im Tessin gefunden – an ihm wirkt der Spießerschmuck alles andere als bieder.Agatha Powa
Karinas Look ist tadellos. Man ahnt schon, dass sie sich für Mode interessiert. Und tatsächlich studiert die gebürtige Ukrainerin Modedesign, und zwar an der Macromedia-Hochschule in Kreuzberg. Agatha Powa
Karina trägt eine Mütze von Acne Studios und einen langen Mantel von Zara.Agatha Powa
Auch die schwarze Ledertasche ist von Acne Studios.Agatha Powa
Zu den grau melierten Sandro-Hosen trägt sie schwarze „Pablo“-Ledersneaker von Marni.Agatha Powa
Lilys Kleidung lässt kaum Rückschlüsse auf ihre Tätigkeit zu, allein der Umstand, dass sie bei Modulor einkaufen war, verrät eine kreative Ader. Derzeit arbeitet Lily als Grafikdesignerin in Berlin, sie ist aber schon auf dem Sprung nach Wien, wo sie Set-Design studieren wird. Die Colmar-Jacke hat sie von ihrem Vater stibitzt, dazu trägt sie schwarze Weekday-Jeans und UGG-Boots. In den Kopfhörern läuft gerade „Je suis fan“ von Alice et Moit.Agatha Powa
Lily trägt ein Scrunchie aus Seide der Berliner Marke Moonchild im Haar. Agatha Powa
Besonders heiter ist das Beruferaten bei Aljoscha: Maler, Model, Dichter, Denker? Oder aber russischer Adelsspross und Privatier? Alles falsch. Das einzige Russische an Aljoscha ist sein Name – und nicht die Kunst ist sein Metier, sondern die Wissenschaft. Als promovierter Physiker forscht der gebürtige West-Berliner am Geografie-Institut der Uni Potsdam. Sein Look: Fellkappe, Vintagekette über schwarzem Rolli von Asphalte, Kenzo-Jacke und Vintage-Lederhose.Agatha Powa
Die Accessoires: Gürtel mit kunsthandwerklicher Schließe, gefertigt von einem Goldschmied des Navajo-Stammes in Arizona. Gleichen Ursprungs ist der Ring.Agatha Powa
Aljoschas vermeintliche Cowboystiefel haben einen kurzen Schaft. Gewissermaßen sind es also Cowboy-Chelsea-Boots.Agatha Powa
Bezüglich Ayenachews Job müssen wir nicht lange grübeln. Wir sehen sie an ihrem Arbeitsplatz in der Schneiderei „à la mode“ im Aufbau Haus hantieren, wo sie ein Praktikum macht. Ihren Look hat sich die Lichtenbergerin bis auf Mantel und Schuhe selbst zusammengeschneidert.Agatha Powa
Ayenachew hat im Alter von sechs Jahren angefangen zu nähen. Aus dem rotblau schimmernden Jugendweihekleid ihrer Mutter hat sie sich einen Rock genäht. Auch das neongrüne Top mit Spitzenkragen besteht aus geänderten Kleidungsstücken ihrer Mutter. Ayenachew liebt Kleidungsstücke, die bereits eine Geschichte haben, erzählt sie.Agatha Powa
Said ist nicht etwa Rapper, sondern Schmuckdesigner. Hauptsächlich entwirft er Schmuck für Modemarken, zum Beispiel für das Berliner Streetwear-Label Ravani (RVNI). Er trägt eine Jacke von C.P. Company sowie von Ravani: Mütze, Schal, Sweater und Jeans.Agatha Powa
Ravani-Schal mit Dobermann-Motiv und Rolex Oyster Perpetual Datejust mit geriffelter Lünette.Agatha Powa
Dazu Supreme x Nike Shox Ride 2.Agatha Powa
Der dreifache Vater Jan ist mit seinem Sohn Louis unterwegs. Jan ist DJ und Veranstalter der Fetisch-Partyreihe „Kinky Galore“, die er vor zehn Jahren in Berlin ins Leben rief. Er hat sein Schlechtwetteroutfit an, wie er sagt: Unter der Bomberjacke (Alpha Industries x Nike) einen Flauschpullover mit Leo-Print, dazu eine schwarze Cargo-Hose und No-name-Sneaker. Der vierjährige Louis macht gerade eine Dino-Phase durch, entsprechend sind Saurier auf T-Shirt und Halstuch zu sehen.Agatha Powa
Das Strichmännchen auf dem Unterarm ließ sich Jan vor Jahren auf einem Tattoo-Event im SO36 stechen. Vorlage war ein Bild seiner inzwischen volljährigen Tochter Mialina, das sie als kleines Mädchen von ihrem Vater zeichnete.Agatha Powa
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