Berlin-Charlottenburg-Man kann es jetzt schon als eines der wichtigsten Store-Openings des Jahres bezeichnen: die erste eigene Boutique von 032c. Dafür pflanzte das Label der alten Kantstraße eine blutrote Style-Zelle ein, die das West-Berliner Pflaster an dieser Stelle zum Glühen bringen dürfte. Und das nicht nur wegen der aufwühlenden Farbwahl des weit sichtbaren Interieurs, sondern auch, weil die internationale Fangemeinde hier in Scharen aufschlagen wird. „Es funktioniert jetzt schon irre gut. Wenn wir aufhaben, ist dauernd jemand drin“, erzählt Maria Koch und gibt bereits bekannt, bald länger zu öffnen als nur drei Tage die Woche. Sie sieht aus wie ein modernes Schneewittchen: schwarze lange Haare, Porzellanhaut und eine zierliche Figur, in schwarze Streetwear aus Eigenproduktion gehüllt.
Maria und ihr Mann Joerg stehen hinter dem bereits über 20 Jahre alten Berliner Unternehmen 032c, das erst ein Printheft war und inzwischen ein Kultur-Universum ist. Der internationale Erfolg der Merchandise-Kollektionen hatte die studierte Modedesignerin Maria vor ein paar Jahren zur hauseigenen Ready-to-wear-Linie inspiriert. Und nun läuft sie durch den ersten eigenen stationären Shop, den sie dankenswerterweise in Berlin und nicht in Paris oder Mailand eröffnet hat. Warum das so ist, erklärt sie folgendermaßen: „Berlin ist unsere Heimat, hier leben und arbeiten wir. Wir verstehen die Leute und die Stadt. Und wir sind nah genug dran, wenn mal im Store was nicht funktioniert.“ Doch bisher gab es keine Probleme. Deswegen sollen Läden in München und Frankfurt folgen, parallel ist ein Store in Seoul in Planung, der im Oktober aufmacht. Der asiatische Markt ist im Moment für viele Modemarken einer der wichtigsten Abnehmer.
„Joerg hat den Laden entdeckt, und dann ging alles ganz schnell“, erzählt Maria weiter und erklärt den Standort, direkt gegenüber des Stilwerks: „Ich liebe das hier zwischen Paris Bar und Schwarzem Café, eigentlich ist das auch genau unsere Klientel. Das passt super zusammen für uns.“
Und jetzt, ein halbes Jahr nach der Entdeckung der Location, gehen hier bereits zahlreiche Kunden ein und aus. Doch zunächst müssen alle eine rote Kammer durchschreiten, die von innen bereits hitzig durch die Glasfront strahlt und das große Logo auf der Tür untermalt. Eine Hälfte der Null aus „032c“ ist der Türgriff. An diesen Details erkennt man den Designprofi. Die Pantone-Farbe, nach der die Marke sich einst benannte, glüht im Teppich, in der glossy Autofolie an Wänden und Decke. „Die meisten Läden sehen ja sehr ähnlich aus, entweder sind wir alle im Berghain oder im Avocado-Toast-Land“, sagt Maria. „Mitte der 2000er-Jahre gab es viele Stores, die sehr sexy wirkten. Zum Beispiel die ersten Donna-Karan-Stores in Europa oder die von Gucci aus der Tom-Ford-Ära. So etwas existiert einfach nicht mehr. Also wollten wir in diese Richtung gehen, die sich sexy, modern und auch abstrahiert anfühlt.“ Das ist tatsächlich gelungen, der rote Raum ist ein begehbares Sex Tape. Im weitergefassten Sinne natürlich, denn der Film läuft nur im Kopf ab und erstmal ist da auch die Kunst.

Eine Installation von Sterling Ruby in der Mitte bildet den neongrünen Kontrast. Jacken, Hosen, Schuhe hängen an einer Stange, die bis zur Decke geht – wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, es hat sich gerade jemand ausgezogen. In Zukunft sollen hier wechselnde, befreundete Künstler ausstellen. Wie in diesem und optimalen Fall in Begleitung einer Capsule-Kollektion. Über eine Tapetentür öffnet sich die Mini-Galerie in die hinten liegenden Verkaufsräume. Hier verbleibt die heiße Farbe allein auf dem Teppich, und All-Over-Weiß kühlt das Gemüt herunter. Von der abstrahierten Sinnlichkeit in die 80er-Eisdiele mit Italo-Pop-Flair. Auf andere Art auch aufregend, zumal es hier jetzt was zum Shoppen gibt.
Im Store sollen vor allem die hochwertigeren Kollektionsteile präsentiert werden, erläutert Maria: „Ist ja klar, ich würde mir online auch keine Lederjacke eines jungen Brands für ein paar tausend Euro kaufen, und sie auch erstmal aus der Nähe sehen und anfassen wollen.“ Dennoch gibt es hier auch Accessoires, T-Shirts und natürlich das Magazin. Das Universum 032c pulsiert und dehnt sich weiter aus. Und wir lieben es.
032c WORKSHOP, Kantstraße 149, 10623 Berlin, Öffnungszeiten Do–Sa, 11–19 Uhr, 032c.com


