Es ist 14.30 Uhr, als Yosef Wolde-Mariam und Tshawe Baqwa den Interviewraum des Berliner Studios von Warner Music betreten. Eigentlich war der Termin eine Viertelstunde früher angesetzt, aber die beiden waren noch mit dem Mittagsessen beschäftigt. Dass sie sehr „gechillt“ seien, wurde vorher schon ein paarmal erwähnt. Yosef und Tshawe sind hauptsächlich als Madcon (Mad Conspiracy) bekannt; das norwegische Duo existiert seit 1992.
Anfang 2000 tourten die beiden schon in Europa, aber so richtig bekannt wurden sie im Jahr 2007 mit ihrem Cover von „Beggin“, das im Original von den Four Seasons stammt. Drei Jahre später performten sie als Pausenact ihren Song „Glow “ im Rahmen des Eurovision Song Contests in Oslo. Es entstand ein riesiger Flashmob, der die Teilnahme von tanzenden Zuschauern aus ganz Europa zeigte. Der Gewinner des Contests war übrigens Deutschland mit dem Lied „Satellite“ von Lena.
Am Sonnabend werden Madcon die Special Olympics im Berliner Olympiastadion eröffnen. Dort werden sie ihren Song „Are You Ready“ performen – die Hymne der diesjährigen Besonderen Spiele. „Wir waren schon immer Befürworter von Positivität, Freude und Inklusion. Als die Special Olympics uns kontaktierten, passte es perfekt“, sagt Yosef Wolde-Mariam.
Madcon empfinden die Pandemie als einen Schock für das System
Zu diesem Zeitpunkt war das Lied schon fertig. Allerdings hatten die beiden keine leichte Zeit hinter sich. Im Februar erschien die Single „Drowning“, das erste Lied, das Madcon nach vier Jahren veröffentlichten. In diesem Song erzählen die Norweger von einer komplizierten Liebesgeschichte, die kein Ende finden will. „Für mich war diese Zeit sehr schwierig“, sagt Tshawe Baqwa. „In den vorherigen 20 Jahren sind wir gereist, haben an Festivals teilgenommen und traten auf Bühnen auf, es war ein Schock für das System“, sagt der Musiker mit südafrikanischem Ursprung und erinnert sich dabei an die Pandemie und daran, wie damals alles stillstand.
Auch bei Yosef lief nicht alles immer glatt: „Wir haben dauernd zusammen mit den Leuten gekämpft. Und wenn man jemandem jahrelang die Möglichkeit nimmt, mit anderen zu kommunizieren, nimmt man ihm einen Teil von sich selbst weg. Also blieb einem nichts anderes übrig, als ins Studio zu gehen und Musik zu machen.“

Das Lied habe nicht unbedingt mit der Pandemie zu tun, eher mit einer Unterbrechung eines ungesunden Zyklus, die manchmal erforderlich ist. „Wir machen dies nun seit 30 Jahren und wir schreiben immer auf, was wir wissen und was wir fühlen. Nicht alles kann fröhlich und freudig sein“, sagt Yosef Wolde-Mariam. Der Schlüssel zur Fröhlichkeit sei es, immer alles in Perspektive zu setzen. Ein Satz, den beide mehrmals im Laufe des Interviews wiederholen.
Wieso die Special Olympics für das Duo so besonders sind
„Ich denke, wir beschweren uns oft. Ich zumindest beschwere mich viel, man neigt dazu, als Mensch verwöhnt zu sein. Und wenn man diese Menschen beobachtet, die intellektuell oder körperlich herausgefordert sind, merkt man, wie wenig sie im Vergleich dazu klagen“, sagt Tshawe Baqwa, auch als „Kapricorn“ bekannt. Nicht alles sei so schlecht, wie wir manchmal denken. Diese Olympischen Spiele seien eine gute Erinnerung daran.
Bei den 16. Internationalen Sommerspielen der Special Olympics gibt es eine Rekordbeteiligung von rund 7000 Athleten aus 190 Ländern, die in 26 Sportarten um Medaillen kämpfen werden. Für acht Tage steht Deutschland im Mittelpunkt des weltweiten sportlichen Geschehens.
Dabei geht es um viel mehr als um Medaillen und Siege. „Mit allen Herausforderungen, die diese Menschen haben, haben sie auf diesen Moment hingearbeitet“, sagt Yosef Wolde-Mariam. Die Athleten werden seiner Meinung nach alles geben und trotzdem mit einem Lächeln nach Hause gehen, auch wenn keine Medaille an ihrem Hals hängen wird. „Special Olympics ist eine inklusive Veranstaltung, wo jeder jeden anfeuert, unabhängig von allem. Und wir sind auch ein Teil davon.“
Von Deutschland bis Norwegen, durch Afrika
Yosef und Tshawe gehören verschiedenen Kulturen an. Tshawe Baqwa ist sogar in Deutschland geboren, um genau zu sein: in Saarbrücken. Ob es sich dabei um einen Zufall handele? „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es hängt von der Perspektive ab.“ Sein Vater studierte im Saarland und lernte dort seine Mutter kennen, dann kam er zur Welt. Nach sechs Monaten endete seine deutsche Erfahrung und er wuchs in Norwegen auf.

Im skandinavischen Land hatte das Duo eine komplizierte Kindheit. „Ich habe lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass ich nur eins bin“, meint Yosef Wolde-Mariam. „Wir sind nämlich afrikanische Kinder der ersten Generation mit Eltern, die eine starke politische Hintergrundgeschichte haben. Es gab keine Integration, daher fühlte ich mich nie norwegisch, sondern immer wie ein Besucher“, erinnert sich Yosef. „Aber im Laufe der Zeit, besonders nachdem ich nach Äthiopien, Eritrea und Südafrika gereist bin, habe ich verstanden, dass ich mehr Norweger bin als alles andere. Ich bin all das, was ich oben genannt habe.“
Diese Kulturverschiedenheit kommt in Madcons Musikvideos oft zum Vorschein. Choreografien sind den beiden so wichtig wie die Musik selbst. „Das ist dieser afrikanische Einfluss“, sagt Tshawe und springt auf das weiße Sofa. Er wundere sich selbst, dass er dies bisher noch nicht angesprochen habe. „Es ist genetisch bedingt, wir können es spüren. Und das Tanzen ist ein sehr großer Teil dessen, wer wir sind.“ Am Sonnabend werden etwa 700 Tänzer Madcon begleiten, während sie die Hymne der Special Olympics performen.


