Die Tour de France 2009, der erste Ruhetag. Ein Debütant namens Simon Geschke erscheint im Teamhotel zum Interview. Er spricht darüber, wie man als Berliner zum Bergfahrer wird. Wie es ist, als Kletterspezialist in den Pyrenäen abgeschlagen mit den Sprintern das Ziel zu erreichen. „Das ist meine erste Tour“, sagt Geschke damals, „ich muss mich an die Rennhärte gewöhnen.“ Er beendet die dreiwöchige Rundfahrt als 113., er kommt bis Paris.
Fast auf den Tag genau 14 Jahre ist das her. An diesem Sonnabend wird der inzwischen 37-Jährige in Bilbao zu seiner elften Tour antreten. 3400 Kilometer liegen vor ihm und seiner französischen Équipe Cofidis. An Rennhärte muss er sich längst nicht mehr gewöhnen. Er verdient sich den Respekt des Publikums durch Fluchtversuche, Alleinfahrten, beherzte Attacken. Zuletzt bei der deutschen Meisterschaft, als er ohne Helfer Neunter wurde. Das bewog seinen Teamchef Cedric Vasseur, selbst früher ein Unruheherd im Peloton, Geschke für die große Schleife zu nominieren.
Dieser Profi steht für all jene bei der Tour, die abseits der Jagd nach dem großen Triumph ihr eigenes Erfolgserlebnis suchen. Im vergangenen Jahr war das immerhin eine neuntägige Fahrt im Bergtrikot. 2015 machte er sich mit einem Etappensieg unsterblich in den Tour-Annalen. Geschke steht auch für eine Tradition im Radsport. Deswegen vielleicht führen Kurzbiografien oft der Zusatz „Ost“ bei seinem Geburtsort. Sohn des früheren Bahnradweltmeisters Jürgen Geschke, 79, wurde er beim Berliner TSC sportlich sozialisiert wie vor ihm die einstigen prominenten Tour-Teilnehmer Erik Zabel und Jens Voigt.
Seit 2012 lebt der Ost-Berliner Geschke allerdings in Freiburg, im Schwarzwald, wo die Gipfel deutlich höher sind als die Arkenberge in Blankenfelde. Am 22. Juli führt ihn die Tour ganz in die Nähe seines Wohnorts: das Teilstück von Belfort nach Le Markstein-Fellering in knapp 1200 Meter Höhe. Es ist eine anspruchsvolle Etappe, und das nur einen Tag vor dem Ende in Paris.


