Was die 60.000 Zuschauer im 770 Millionen Euro teuren Al-Bayt-Stadion in der Küstenstadt al-Chaur am Sonntagnachmittag vor dem Eröffnungsspiel der 22. Fußball-Weltmeisterschaft zu sehen bekamen, war ein mittelgroßes, von professioneller Hand inszeniertes Spektakel. Während das Eröffnungsspiel an sich, also die Begegnung zwischen Gastgeber Katar und Ecuador, rein sportlich von eher durchschnittlicher Qualität war. Die Südamerikaner kamen jedenfalls gegen die total überforderte Elf von Trainer Félix Sánchez mit relativ schlichten Mitteln zu einem 2:0-Sieg. Aber eins nach dem anderen, und das alles erst mal so nüchtern wie nur irgendwie möglich, weil bei aller Aufregung um diese WM ein klein wenig Nüchternheit nicht schaden kann.
K-Pop-Star Jung Kook erledigt seinen Job
Es war also so, dass etwa 75 Minuten vor dem Anpfiff eine etwa halbstündige PR-Show ihren Anfang nahm. Mit der Sängerin Dana al-Fardan, die in arabischer Sprache einen Willkommensgruß in die Welt sendete, mit dem Hollywood-Star Morgan Freeman, der in groben Wanderstiefeln quer über den Innenraum marschierte, um sich am Mittelkreis mit Ghanim al-Muftah zu treffen und an Ort und Stelle mit dem schwerbehinderten YouTuber kurz und knapp über Inklusion, Toleranz und Diversität zu plaudern. Das wirkte doch sehr bemüht und darf in Anbetracht der gesellschaftspolitischen Situation im Gastgeberland als Heuchelei bewertet werden, aber nun gut.


Nach ein bisschen Tanz und einem filmischen Rückblick auf die Höhepunkte vergangener Weltmeisterschaften erledigte schließlich der K-Pop-Star Jung Kook seinen gut bezahlten Job, brachte zusammen mit dem umjubelten Musiker Fahad al Kubaisi den offiziellen WM-Song „Dreamers“ dar. Dann trat noch mal Morgan Freeman in Erscheinung, als Moderator und Versteher, wobei nur spekuliert werden kann, was den 85-Jährigen zu diesem Auftritt motiviert hat. Eine Mission? Das Geld? Was Freeman von sich gab, muss an dieser Stelle jedenfalls nicht zitiert werden.
Und na klar, auch Tamim bin Hamad al-Thani war natürlich zugegen, der Emir von Katar, der sich übrigens vor zwei Tagen noch bei Wladimir Putin via Telefonat für die „Zusammenarbeit bei der Organisation dieser Veranstaltung“ bedankt hatte.



Ein bisschen unsicher wirkte der 42 Jahre alte Herrscher hingegen bei seiner Rede, las vom Blatt ab, strich sich dabei immer wieder das traditionelle Kopftuch aus dem Gesicht. Auch seine Worte waren ohne Gewicht, er sagte zum Beispiel dies hier: „Endlich ist der Tag der Eröffnung gekommen. Der Tag, auf den Sie so lange gewartet haben. Ab heute Abend werden wir für einen Monat ein wunderbares Festival des Fußballs erleben.“ Gut, wir nehmen ihn beim Wort und blenden nach einer kurzen Erwähnung des WM-Maskottchens La'eeb, das im Rahmen der Eröffnungsfeier durch die Arena schwebte, schließlich hinüber zum Sport.
Dabei war die Euphorie der Katarer - zumindest an diesem Abend - schnell dahin. Von der ersten Minute an waren die Ecuadorianer spielbestimmend, arbeiteten auch flugs einen Klassenunterschied heraus. Allen voran Enner Valencia, der wohl selbst in seinen kühnsten Träumen nicht mit so einem Einstieg ins Turnier gerechnet hatte.
Valencia trifft doppelt
In der dritten Minute, nachdem Katars Keeper Saad al-Sheeb in seinem Fünfmeterraum gleich zweimal hintereinander gepatzt hatte, jubelte der Angreifer von Fenerbahce zum ersten Mal, musste dann aber mit ansehen, wie Schiedsrichter Daniele Orsato nach Studium der Videobilder seinen Treffer aufgrund einer Abseitsposition im Nachgang annullierte. In der zwölften Minute wurde er von al-Sheeb, dem Unglücksraben, im Strafraum zu Fall gebracht, verwandelte den fälligen Strafstoß sicher zur Führung. Aber damit nicht genug: Nach einer Flanke von Ángelo Preciado stemmte er sich in der 31. Minute in die Luft, wuchtete den Ball per Kopf zum 2:0 ins Netz.
