Verlassen von seinen Mitspielern kauerte Florian Niederlechner auf dem Rasen und suchte nach Gründen für den nächsten Dämpfer für Hertha BSC vor Heimpublikum im Berliner Olympiastadion. Ein paar aufmunternde Worte von Fabian Reese, der die Partie von der Tribüne aus verfolgt hatte, brachten den Routinier wieder auf die Beine. Gemeinsam mit seinen Teamkollegen stapfte er schließlich vor die Ostkurve und holte sich nach dem ernüchternden 2:2 gegen Aufsteiger Ulm eine kleine Standpauke der Fans ab.
Zweimal geführt durch den Distanzhammer mit gemessenen 119 Stundenkilometern aus rund 25 Metern von Ibrahim Maza (6. Minute) und Derry Scherhant (52.) – zweimal eingebrochen und den Ausgleich kassiert. „Was mich umtreibt, ist, dass wir es nicht schaffen, auf dem Gas zu bleiben, sondern aus mir unerklärlichen Gründen das Spiel aus der Hand geben, passiv werden“, rätselte Trainer Cristian Fiél nach dem dritten sieglosen Spiel in Folge und fand dann selbst die Antwort: „Du gehst wieder in Führung und verteidigst ein, zwei Situationen katastrophal.“
Herthas Torhüter Tjark Ernst spricht das Führungsproblem an
Auch Torhüter Tjark Ernst sprach das Führungsproblem seiner Mannschaft offen an. „Das begleitet uns schon die ganze Saison. Immer, wenn wir in Führung gehen und ein Tor schießen, hat man leider nicht das Gefühl, dass es uns beflügelt. Sondern eher, dass wir uns zurückziehen und passiv werden. Das müssen wir schnellstens in den Griff kriegen“, forderte der Schlussmann, der aber auch weiß: „Das sagen wir jetzt nicht zum ersten Mal.“
Dabei hätten die Berliner trotz defensiver Anfälligkeiten das Spiel gegen die Ulmer Spatzen eigentlich locker für sich entscheiden können. Noch bevor der vermeintliche Siegtreffer durch Michael Cuisance kurz vor Spielende wegen Foulspiels aberkannt worden war, hatte der Franzose einige aussichtsreiche Chancen liegen lassen. „Wir müssen dieses Spiel früher zumachen. Heute ist ein schwerer Tag, denn wir haben drei Punkte verloren“, befand der 25-Jährige. „Das 2:2 fühlt sich wie eine Niederlage an. Das ist schwer zu verdauen. Insgesamt war es ein schlechtes Spiel von uns und leider auch vom Schiedsrichter.“ Die Zuschauer im Olympiastadion pfiffen schon, als der Schiedsrichter mit seinen Fingern das viereckige Zeichen in die Luft malte, das VAR-Check bedeutete. Sie ahnten da wohl, dass ihr Torjubel umsonst gewesen sein könnte.
Offensiv-Juwel Maza, der am Sonntag seinen 19. Geburtstag feierte, fand am kalten Novembersonnabend dann klare Worte: „Das war heute viel zu schwach von uns nach all dem, was die Fans uns gegeben haben. Bei so einem Wetter so eine Kulisse, das ist unglaublich. Dass wir es nicht mit Leistung zurückgeben können, ist einfach scheiße.“
Vom Aufstieg spricht in Westend niemand mehr. Dafür ist die Heim-Ausbeute von nur zwei Siegen in sieben Spielen einfach zu schlecht. Dabei ist der Abstand zur Spitzengruppe nach den Patzern der Konkurrenz nicht einmal angewachsen. Als Tabellen-18. trennen die Berliner weiterhin nur vier Punkte vom Relegationsplatz drei.
Herthas Offensivspieler Marten Winkler verletzt sich
Hinzu kam am ohnehin schon verpatzten Heimspieltag auch noch die Verletzung von Marten Winkler. Der Offensivspieler blieb nach gut einer halben Stunde am Boden liegen und griff sich an den Oberschenkel. Humpelnd und mit schmerzverzerrtem Gesicht verließ der 22-Jährige den Platz. Nur mit der Hilfe von vier Betreuern schaffte er es in die Katakomben des Olympiastadions.
Fiél vermutete unmittelbar nach Spielende „irgendwas Muskuläres“. In der Kabine habe er seinen Schützling mit Krücken gesehen. Winkler hatte diese Saison schon mit Verletzungen am Sprunggelenk und an der Patellasehne zu kämpfen. „Hört sich leider nicht so gut an. Bis der Doktor nicht irgendwas anderes sagt, hat man noch die Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm ist“, sagte Fiél.


