Champions League

Mailand oder Manchester, Hauptsache Geld: Dieses Champions-League-Finale haben wir verdient

Weil wir Fußballkonsumenten einschalten, hinschauen, letztlich für die Show bezahlen. Und grundsätzlich gilt: Geld schießt keine Tore. Die Moral verhindert aber auch keine.

Kampf um TV-Gelder, Geldregen im Stadion ohne Zuschauer, Geisterspiel in der Bundesliga, Mercedes-Benz Arena.
Kampf um TV-Gelder, Geldregen im Stadion ohne Zuschauer, Geisterspiel in der Bundesliga, Mercedes-Benz Arena.imago

Man könnte ja meinen, die Fußballwelt sei im Bermudadreieck zwischen Geld und noch mehr Geld und noch viel mehr Geld untergegangen, aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Nie war die Fußballwelt sichtbarer, größer, mächtiger und nach allen Richtungen expansionsfreudiger als heute.

Sie hat sich aufgetürmt zu einem Berg von Kontinent, und von irgendwo da oben über den Wolken der Vernunft ist das Tal der Tränen, welche Romantiker und Nostalgiker einem Früher-war-mehr-Seele-und-Bratwurst hinterherweinen, nicht mehr zu sehen. Sogar wenn die heftigsten Protestwinde wehen, dringt kein Wort durch. Und an diesem Sonnabend schon mal gar nicht. Da findet das Finale der Champions League statt.

Es ist ein Finale, wie die meisten von uns arglosen Fußballkonsumenten es verdient haben. Weil wir einschalten, hinschauen, letztlich für die Show bezahlen. Menschen, Tore, Sensationen bis in die allerletzten Sekunden der Nachspielzeit. Und selbst dann mag Geld allein noch keine Tore schießen. Allein die Moral kann sie aber auch nicht verhindern.

Also noch mal zur Erinnerung: Es treten zwei Klubs an, die eigentlich mehr Schurkenstaatskonzerne sind. Auf der einen Seite Manchester City mit der Abu Dhabi United Group, die seit der freundlichen Übernahme 2008 regelmäßig zur Blutgrätsche gegen das Financial Fair Play ausholt und etwa zwei Milliarden Euro für eine als Fußballbetrieb getarnte Imagepolitur ausgegeben hat. Man sollte jedes Tor von Erling Haaland mit einer arabischen Softpowerballade unterlegen.

Auf der anderen Seite Inter Mailand und die chinesische Suning Holdings Group, die seit 2016 mehrere Hundert Millionen Euro investiert und jahrelang mit überhöhten Transfersummen Bilanzen gefälscht hat, um … – ja, um was eigentlich zu erreichen? Ein paar Pluspunkte beim fußballverrückten Staatspräsidenten Xi Jinping, der von einer Weltmeisterschaft in China träumt? Gewinnt Inter die Champions League, werden vielleicht chinesische Seidenstraßenmusikanten auftreten, meinetwegen auch mit einem Kontrabass.

Der Vollständigkeit halber darf das auch nicht unerwähnt bleiben: Das Finale findet in Istanbul statt, also in der Türkei von Recep Tayyip Erdogan, der sein Land seit mehr als  zwanzig Jahren und das immer unsanfter Richtung Türschwelle zur Diktatur schiebt. Und geleitet wird es von Szymon Marciniak, einem Schiedsrichter, der neulich bei einem Businesstalk aufgetreten ist, bei dem auch Sławomir Mentzen auf der Bühne stand. Der rechtsextreme Politiker wünscht sich „ein Polen ohne Juden, Homosexuelle, Schwangerschaftsabbrüche, Steuern und die Europäische Union“.

Der Aufschrei war groß, von Finalentzug die Rede. Doch dann gewann Marciniak doch noch die Zurückruderregatta. Er habe ja nichts davon gewusst, versicherte er. Und hätte er es gewusst, hätte er die Einladung natürlich nicht angenommen.

Was uns zur abschließenden Frage bringt: Hätten wir 1992, als die Champions League gegründet wurde, bereits gewusst, dass 2023 ein Finale der europäischen Fußballkönigsklasse zwischen China und einem arabischen Emirat ausgetragen wird, was hätten wir gesagt? a) Schön, dass die Welt keine Grenzen mehr hat, b) Wir brauchen eine Alternative für Fußballdeutschland oder c) Eher qualifiziert sich dieser komische Oberliga-Mitte-Klub Union Berlin für die Champions League.