Kolumne Hertha BSC

Fredi Bobics gute kaufmännische Arbeit bei Hertha geht an die sportliche Substanz

Anders als seine Vorgänger Dieter Hoeneß und Michael Preetz hat der aktuelle Sportchef finanziell sehr gute Arbeit geleistet. Der sportliche Erfolg aber fehlt.

Nicht zu beneiden: Fredi Bobic muss bei Hertha BSC sparen und dennoch sportlich erfolgreich sein.
Nicht zu beneiden: Fredi Bobic muss bei Hertha BSC sparen und dennoch sportlich erfolgreich sein.Matthias Koch/imago

Wie fühlt sich wohl Fredi Bobic im Moment? Er ist der Sportchef eines Klubs im Tabellenkeller der Bundesliga, was garantiert keine angenehme Geschichte ist. Geht es ihm angesichts der prekären Situation vielleicht wie einem Stürmer, der seit Wochen das Tor nicht trifft? Diese Befindlichkeit kennt der 51-Jährige aus seiner Profikarriere ganz bestimmt. Oder fühlt er sich angesichts der angespannten Kassenlage bei Hertha ein wenig wie Finanzminister Christian Lindner, der mit dem Verwalten seines Etats auch heftige Probleme hat?

Fredi Bobic ist nicht zu beneiden

Fakt ist: Bobic ist im Moment nicht zu beneiden. Zuerst war er wochenlang in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, weil er als Nachfolger des zurückgetretenen DFB-Sportdirektors Oliver Bierhoff gehandelt wurde. Geschmeichelt hat ihm das Interesse auf jeden Fall. Spät – für manchen Mitstreiter im Klub etwas zu spät – bekannte er sich zu hundert Prozent zu Hertha BSC und hielt Rudi Völler, der bis 2024 auf Bierhoff folgt, für die beste Wahl. Herthas Fans, die Klubspitze und die vielen Angestellten des Vereins müssen sich erst einmal keinen Kopf mehr machen, ob es auf dem so wichtigen Posten des Sportchefs schon wieder eine Veränderung geben wird. Die könnte ja Konsequenzen für viele Mitstreiter haben – vom Chefcoach über das Heer der Analysten bis zum Zeugwart. Immerhin hat Bobic selbst über ein Dutzend durchaus teure Spezialisten für das Team hinter dem Team nach Berlin geholt und mir einmal in einem Interview gesagt, er wolle immer die Besten in allen Positionen für Hertha haben.

Als der Wechsel zum Deutschen Fußball-Bund (DFB) endgültig vom Tisch war, wurde ich von einem langjährigen Hertha-Anhänger gefragt, ob Bobic nun vielleicht sogar der neue Dieter Hoeneß werden könnte? Meine Antwort: „Nein, das glaube ich nicht!“ Wenn der DFB nach der EM 2024 einen Nachfolger für Völler suchen wird, könnte Bobic wieder auf der Kandidatenliste stehen.

Dennoch: Lange herrschte eine ungewöhnliche Kontinuität bei der Personalie des Sportchefs bei der Hertha. Dieter Hoeneß etwa führte den Klub von 1997 bis 2009 und stand an der Spitze der sportlich erfolgreichsten Periode der zurückliegenden 30 Jahre – auch wenn die Finanzen ab und an in Turbulenzen gerieten. Danach war es Michael Preetz, 55, der von Juni 2009 bis Januar 2021 die sportlichen Geschicke lenkte, zweimal ab-, aber zweimal sofort wieder aufstieg.

Seit Juni 2021 trägt Bobic die Verantwortung. Kurios: Hoeneß, Preetz und Bobic waren in ihrer ersten Karriere allesamt Mittelstürmer und die gehen bekanntlich auch dahin, wo es wehtut.

Unter Fredi Bobic hat Hertha BSC durch Verkäufe 77 Millionen eingenommen

Die Verhältnisse und die Preise fürs kickende Personal haben sich natürlich extrem stark verändert. Unter Dieter Hoeneß, 70, arbeiteten sieben Cheftrainer und wurden 107 Spieler verpflichtet, die insgesamt 75,3 Millionen Euro Ablöse kosteten (Jürgen Klinsmann und Michael Preetz holten im Januar 2020 vier Profis für 77 Millionen Euro/damals „Weltrekord“ im Wintertransferfenster). Bobic arbeitete bislang mit vier Trainern – Pal Dardai, Tayfun Korkut (beide hat er entlassen), Felix Magath und Sandro Schwarz. Zwanzig Profis hat er verpflichtet und laut dem Portal transfermarkt.de rund 35 Millionen Euro an Ablösesummen ausgegeben, aber im Gegenzug für 27 Abgänge rund 77 Millionen Euro bei den Verkäufen eingenommen. Kaufmännisch eine starke Bilanz, die aber auch an die sportliche Substanz ging. Für Bobic ist jetzt Multitasking gefragt. Er muss die sportliche Dauerkrise meistern, bei den Verhandlungen mit Investor 777 Partners mit am Tisch sitzen, auch in den Vereinsgremien für Geschlossenheit sorgen.

Am Sonnabend steht das spektakuläre Derby gegen den 1. FC Union an, der sportlich in kurzer Zeit dem einstigen „Platzhirsch“ Hertha den Rang abgelaufen hat. Ein paar Tage vor dem Duell war das Olympiastadion nicht restlos ausverkauft. Naja, fürs Ticketing ist Bobic natürlich nicht verantwortlich …