Kolumne Hertha BSC

Bei Hertha BSC Trainer zu sein, war nie vergnügungssteuerpflichtig

Nach dem Aus von Sandro Schwarz soll nun Pal Dardai Hertha BSC zum dritten Mal vor dem Abstieg retten. Nicht immer haben Trainerwechsel zum Erfolg geführt.

Pal Dardai (Mitte) verschaffte sich am Montag im Training einen Überblick über seine Spieler bei Hertha BSC.
Pal Dardai (Mitte) verschaffte sich am Montag im Training einen Überblick über seine Spieler bei Hertha BSC.Jan-Philipp Burmann/City-Press

Von einem ehemaligen Hertha-Cheftrainer stammt folgendes Bonmot: „Ich habe immer eine tolle Mannschaft aufgestellt. Das Problem ist nur, nach dem Anpfiff begannen sich die Spieler zu bewegen.“

Ist man spöttisch veranlagt, kann man diesen Spruch auch in der aktuellen Situation anwenden, in der sich Hertha BSC befindet. Das Zitat geht auf den bekannten Ungarn Pal Csernai zurück, genannt „Pal mit dem Seidenschal“. Der Fußballlehrer, der als Bayern-Trainer zweimal die deutsche Meisterschaft gewann, sollte Hertha in der Saison 1990/91 vor dem Abstieg retten. Das misslang allerdings. Zu Csernais Zeiten stieg Liga-Neuling Hertha sofort wieder ab, der Ungar war einer von insgesamt vier Trainern, die die Berliner in dieser Spielzeit verschlissen. An sage und schreibe 33 Spieltagen belegte das Team den letzten Tabellenplatz! Bei Hertha BSC auf der Bank zu sitzen, war nie vergnügungssteuerpflichtig.

Nur Schalke 04 und Hannover 96 sind noch schlechter als Hertha BSC

Jetzt, über 30 Jahre später, ist Hertha seit dem jüngsten desaströsen Auftritt in Gelsenkirchen, der Trainer Sandro Schwarz den Job kostete, zum 98. Mal in der Liga-Geschichte das Schlusslicht der deutschen Eliteklasse. Nur Schalke (123) und Hannover 96 (105) sind noch schlechter.

Nun soll es Csernais Landsmann Pal Dardai, 47, richten und Hertha vor dem Abstieg retten. Auch Dardai ist ab und an für Sprüche gut („Ich werde nicht bestimmen, ob ein Profi Rührei oder ungarische Salami isst, ich habe als Spieler immer Gulasch gefressen und konnte ohne Ende laufen“), aber er ist das Gegenteil vom stets eleganten und kühl wirkenden Csernai – bodenständig, rustikal und emotional. Aus meiner Sicht der richtige Mann am richtigen Platz. Aber vielleicht kommt seine Inthronisierung zu spät.

Dardai sorgt nun für ein Novum, weil er nach 2015 und 2021 zum dritten Mal als Retter in der Not einspringt. Doch noch nie war seine Mission so kompliziert wie im Moment. Sechs Spiele bleiben ihm, um das Unheil abzuwenden. Der in der Vorsaison gefeierte Retter Felix Magath hatte acht Spiele Zeit, um die Relegation zu erreichen.

Schon einmal blieben einem Hertha-Coach lediglich sechs Spiele für die Mission Klassenerhalt: Karsten Heine im April 2007. Der hatte damals Falko Götz abgelöst. „Das ist mit der aktuellen prekären Situation nicht zu vergleichen“, sagte mir Heine, 68, am Telefon, „ich habe die Truppe auf Platz neun übernommen. Hätten wir das erste Spiel in Bochum verloren, wären wir in die Abstiegszone gerutscht. Wir siegten aber 3:1 – mit Pal Dardai im Mittelfeld.“ Heine gewann drei Spiele, verlor drei Partien, es reichte für Rang zehn.

Die miesesten Bilanzen haben Peter Neururer und Michael Skibbe

Immer mal wieder kamen wissenschaftliche Studien an Universitäten in der Vergangenheit zu der Erkenntnis, dass Trainerwechsel in der laufenden Spielzeit „keinen nützlichen Effekt“ haben. Das ist umstritten. Sie können für Aufschwung sorgen oder auch im Chaos enden. Hertha BSC hat 25 Mal während der Saison in der Ersten Liga den Trainer ausgetauscht – mit positiven wie negativen Effekten. Die miesesten Bilanzen weisen dabei die als Retter geholten Peter Neururer (zehn Niederlagen, zwei Remis im Jahr 1991) und Michael Skibbe (vier Niederlagen im Jahr 2012) auf. Die Verpflichtung von Friedhelm Funkel für Lucien Favre (2009/10) endete mit dem Abstieg. Auch vier Trainer (Markus Babbel, Skibbe, René Tretschok, Otto Rehhagel) brachten 2011/12 keine Erlösung und am Ende die unsägliche Relegation gegen Düsseldorf.

Fakt ist: Als Manager Michael Preetz bereits am 16. April 2019 das Aus für Trainer Pal Dardai nach Saisonende publik machte – nach vier stabilen Spielzeiten –, „weil man künftig attraktiveren Fußball“ sehen wollte, begann der bis heute anhaltende Niedergang. Am 16. April 2023 verkündete Hertha nun die erneute Verpflichtung des Ungarn. Kurios! Ein Kreis schließt sich – hoffentlich mit einem wunderbaren Ende, das auch noch die Wissenschaft widerlegt.