Aktion gegen LGBTIQ-feindliche Politik

Ein EM-Stadion in Regenbogenfarben: Mach’s einfach trotzdem, München!

Die Uefa erteilt den Münchner Plänen, beim Spiel Deutschland gegen Ungarn die Arena in Regenbogenfarben leuchten zu lassen, offenbar erst mal eine Absage.

Die Allianz Arena leuchtet in den Regenbogenfarben als Zeichen für Toleranz und gegen Diskriminierung bei einem Bundesligaspiel gegen Hoffenheim (Archivbild: 30.01.2021, Fotomontage: EM-Logo)
Die Allianz Arena leuchtet in den Regenbogenfarben als Zeichen für Toleranz und gegen Diskriminierung bei einem Bundesligaspiel gegen Hoffenheim (Archivbild: 30.01.2021, Fotomontage: EM-Logo)imago/Sven Simon

Berlin/München-Am Sonntag hat die Europäische Fußball-Union (Uefa) gemacht, was in diesem Fall wohl auch angebracht war. Sie hat die Überprüfung des Sachverhalts im Fall Manuel Neuer nach wenigen Stunden gleich wieder abgebrochen und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) umgehend über diesen Vorgang informiert. Ja, der deutsche Keeper dürfe bei dieser EM weiterhin seine Regenbogen-Kapitänsbinde tragen, hieß es einer kurzen, vom DFB via Twitter noch am Abend in die Welt gebrachten Depesche, die Uefa habe die bunte Binde „als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit als ‚good cause‘ bewertet“.

1:0 für Deutschland, das Problem aus Sicht der Uefa gelöst, aber nicht in Gänze, weil diese Deutschen wider ihrer ansonsten bei gesellschaftlichen Themen doch eher zurückhaltenden Art im sogenannten „Pride Month“ mit einer weiteren, weitaus öffentlichkeitswirksameren Aktion nachlegen wollten. Am Mittwochabend, beim letzten Gruppenspiel der DFB-Elf gegen die Ungarn, so die Idee des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter, sollte die Arena draußen am Autobahnkreuz München-Nord in den Regenbogenfarben leuchten. Als Zeichen für Diversität, Offenheit und Toleranz – und damit auch als Zeichen gegen die offenkundig homo- und transsexuellenfeindliche Politik von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán.

Reiter, der am Montag mit einem entsprechenden Schreiben bei Uefa-Präsident Aleksander Ceferin und Rainer Koch, dem deutschen Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees, vorstellig wurde, war von Aktivisten für seine Initiative gefeiert worden. Als derjenige, der mit dem richtigen Timing etwas wagt. Denn erst am vergangenen Dienstag hatte das ungarische Parlament auf Orbáns Geheiß ein Gesetz gebilligt, das Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität gravierend einschränkt. De facto ist es ein Anti-LGBTIQ-Gesetz, das unter anderem vorsieht, dass im Schulunterricht nicht mehr über Homo- bzw. Transsexualität gesprochen werden darf.

Die Münchner Initiative brachte die Uefa in die Bredouille, wenngleich die Uefa sich in diesem Zusammenhang durch eine fortwährend ruchlose Sportpolitik selbst angreifbar gemacht hat. Dass es sich bei Reiters Vorstoß um einen „good cause“ handelt, stand wohl auch für die Männer vom Verband außer Frage, ja auch mit den in dieser Hinsicht doch eher schwammigen Statuten der Uefa hätte sich so eine symbolträchtige Lichtershow wohl im Einklang bringen lassen, aber da ist Orbán und wohl auch die Angst, dass so ein starkes politisches Zeichen weitere starke politische Zeichen nach sich zieht. Und schlussendlich, das berichtete am Abend die Bildzeitung, soll die Uefa den Münchnern noch am Montagabend eine Absage erteilt haben. DFB-Pressesprecher Jens Grittner erklärte: „Die Uefa gibt ein einheitliches Stadiondesign vor. Und es gibt gute Gründe, dieses einheitliche Stadiondesign auch zu leben. Vielleicht muss man die Beleuchtung nicht unbedingt am Spieltag festmachen.“ Aber wann denn sonst? Klingt nach eingeknickt: 1:1 zwischen Deutschland und der Uefa.

Die Uefa ist mit Orbán im Bunde

Schon mehrmals war der Orbán, der Autokrat, mit der Uefa im Bunde. Bei der Vergabe der EM-Spiele, als die Ungarn mit ihrem schicken Nationalstadion mit der Austragung von drei Gruppenspielen und einem Achtelfinale bedacht wurden. Aber eben auch bei den durch die Corona-Pandemie notwendig gewordenen Neuansetzungen von mehreren Champions-League-Partien, als die Ungarn über kurzfristige Beschlüsse den Mannschaften die Ein- und Ausreise erleichterten, während die Menschen im Lande mit allerlei Einschränkungen zu leben hatten.

So hat Orbán, der um die Macht des Fußballs weiß, inzwischen allerlei Trümpfe in der Hand, setzte für die EM gar noch einen drauf, als er das Nationalstadion bei den ersten beiden Gruppenspielen der Ungarn mit 61.000 Zuschauern füllen ließ. Und er selbst war mittendrin. Dabei soll es mehreren Beobachtern zufolge am vergangenen Sonnabend von Seiten der berüchtigten „Carpathian Brigade“ allerdings auch zu rassistischen Beleidigungen gegen die französischen Nationalspieler Kylian Mbappé und Karim Benzema gekommen sein.

Das Problem mit London und der Delta-Variante

Erschwerend kommt für die Uefa hinzu, dass aufgrund der Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus London als Austragungsort für die Halbfinals und für das Finale womöglich nicht mehr in Frage kommt, deshalb eine Alternative in Betracht gezogen werden muss, mit Budapest als der wohl unproblematischsten Option. 

Aber auch ohne ein Okay, mal ehrlich: Mach’s einfach trotzdem, München. Was soll schon passieren?