Abwehrarbeit für Fortgeschrittene

Das Traumpaar des italienischen Fußballs: Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini

Die beiden Profis von Juventus Turin bilden auch im fortgeschrittenen Alter das wohl beste Abwehrgespann im Bereich des Nationalmannschaftsfußballs.

Im Verein und im Nationalteam seit Jahren gemeinsam im Einsatz: Leonardo Bonucci (l.) und Giorgio Chiellini.
Im Verein und im Nationalteam seit Jahren gemeinsam im Einsatz: Leonardo Bonucci (l.) und Giorgio Chiellini.imago/Staggioli

Berlin-Bastian Schweinsteiger war ein sehr guter Fußballspieler, ist ein richtig guter Typ, aber leider kein guter TV-Experte. Während andere, beispielsweise auch Magenta-Mann Michael Ballack, beim Analysieren ganz gut in die Tiefe kommen, verliert sich der Weltmeister von 2014 in der ARD im Nachgang einer Fußballpartie allzu oft in der Nacherzählung, gibt nur selten stichhaltige Antwort auf das Warum. Und nur selten wagt er ein scharfes Urteil, auch wenn dieses gerade im Hinblick auf die deutsche Nationalmannschaft zuletzt doch mal angebracht war. Vielleicht ist der Junge aus der Gemeinde Kolbermoor, der Schweinsteiger zum Glück immer geblieben ist, für den Job des gewitzten Nörglers beziehungsweise den Job des ingeniösen Beobachters einfach doch nicht der Richtige. Aber nun gut: Wer ist das schon?

Am Freitagabend, beim Fernseh-Vorspiel des Auftaktspiels zwischen Italien und der Türkei (Endstand: 3:0), hatte der 36-Jährige aber dann doch mal einen herausragenden Moment. Schweinsteiger berichtete davon, dass er seit den Neunzigerjahren, als die besten Spieler der Welt in der Serie A beschäftigt waren, ein Fan des italienischen Klubfußballs ist. Schließlich kam er auf Leonardo Bonucci zu sprechen, auf den Abwehrchef der Squadra Azzurra.

Bonucci ist ein heimlicher Spielmacher

Anhand eines kurzen Videoschnipsels ging Schweinsteiger auf die Spielweise des Ausnahmekönners ein. Dabei war zu sehen, wie Bonucci sich in einem Testspiel gegen Tschechien aus der letzten Reihe löst, sich über die Mittellinie hinaus wagt, kurz einen Blick über die linke Schulter auf die Laufwege seiner Teamkollegen wirft, von der rechten Seite ein Zuspiel bekommt und dieses sogleich in einen sagenhaften Steilpass auf Stürmer Ciro Immobile verwandelt. Weltklasse. Einzigartig. Bonucci ist eben mehr als ein Innenverteidiger, er ist ein heimlicher Spielmacher, der zudem über ein herausragendes Kopfballspiel und über eine exquisite Zweikampftechnik verfügt. Ein derart vielfältiges Spektrum an Fähigkeiten hat derzeit vielleicht gerade noch der nicht an der EM teilnehmende Niederländer Virgil van Dijk zu bieten. 

Wer im Zusammenhang mit den Italienern B wie Bonucci sagt, muss allerdings auch C wie Chiellini sagen. Die beiden Profis von Juventus Turin bilden auch im fortgeschrittenen Alter im Miteinander die wohl zuverlässigste Defensive im Bereich des Nationalmannschaftsfußballs, erinnern ein bisschen an das deutsche Traumpaar Franz Beckenbauer und Katsche Schwarzenbeck. Bonucci, 34, ist wie Beckenbauer gern mal den anderen Akteuren auf dem Platz um eine Idee voraus, lebt von seinen herausragenden Fähigkeiten bei der Antizipation, Chiellini, 36, ist hingegen eher der Schweißarbeiter, hart gegen den Gegner und gegen sich selbst, er bringt die Leidenschaft und den Willen ein, hat sich aber auch fußballerisch immer weiterentwickelt. Und nicht nur das: Im Jahr 2017 erwarb der studierte Betriebswirt den Doktortitel an der Universität Turin, der Titel seiner Doktorarbeit lautet: „Das Businessmodell von Juventus Turin im internationalen Leistungsvergleich.“ 

Ich bin mir sicher, wenn ich da gewesen wäre, hätte ich ihn dazu gebracht zu bleiben.

Giorgio Chiellini

Privat verbindet die beiden eine Fußballer-Freundschaft, die im Jahr 2017 allerdings auf eine harte Probe gestellt wurde. Bonucci suchte eine neue Herausforderung, wechselte zum AC Mailand, was Chiellini überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Es passierte in ein paar Wochen, in denen wir uns nicht gesehen haben“, hat der Im-Stich-Gelassene mal erzählt: „Ich bin mir sicher, wenn ich da gewesen wäre, hätte ich ihn dazu gebracht zu bleiben.“ Ein Jahr später, nachdem er Angebote von Manchester United und Manchester City ausgeschlagen hatte, kehrte der verlorene Kumpel schließlich zu Juve zurück.

Bonucci hat inzwischen 317 Spiele für den italienischen Rekordmeister absolviert, Chiellini 389. Am Mittwochabend im EM-Gruppenspiel gegen die Schweiz bestreitet der eine sein 102., der andere sein 106. Länderspiel. In der Kategorie „Zusammen gespielt, gefeiert und gelitten“ können auf höchstem Niveau nur Manuel Neuer und Thomas Müller ähnliche Zahlen vorweisen.

Und Schweinsteiger? Der begegnete Chiellini und Bonucci auf dem Platz des öfteren, letztmals beim EM-Viertelfinale 2016: Deutschland siegte im Elfmeterschießen, wobei Schweinsteiger seinen Versuch übers Tor jagte, Bonucci wiederum an Neuer scheiterte.